Astronomie

Die Weltall-Geologin

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Jana Treffler
Staub begeistert, sofern er denn kosmisch ist. Die Berliner Astronomin Jenny Feige gewinnt aus ihm Erkenntnisse über die Geschichte der Erde und des Weltalls.

Staub begeistert, sofern er denn kosmisch ist. Die Berliner Astronomin Jenny Feige gewinnt aus ihm Erkenntnisse über die Geschichte der Erde und des Weltalls.

Foto: Reto Klar / FUNKE Foto Services

Jenny Feige erforscht kosmischen Staub und blickt damit in die Vergangenheit. Für ihr nächstes Projekt erhält sie eine Millionenförderung.

Berlin.  Wenn in unserem Sonnensystem Asteroiden gegeneinanderprallen oder Kometen zerbrechen, fliegen abermillionen kleine Gesteinsbröckchen ins All. Manchmal gelangen sie bis auf die Erde, sagen wir auf das Dach der Technischen Universität Berlin. Dort hat eines Tages die Astronomin Jenny Feige nachgesehen und ist tatsächlich fündig geworden: In dem jahrealten Staub fand sie Mikrometeoriten, also kleinste außerirdische Teilchen mit dem Durchmesser eines Haares.

Jenny Feige ist so etwas wie die Geologin des Weltalls. Sie untersucht das, was von näher und weiter entfernten Himmelskörpern auf unserem Planeten ankommt. Das können Teilchen aus unserem eigenen Sonnensystem sein, manchmal stammen sie aber auch von viel weiter entfernten kosmischen Ereignissen, etwa einer Sternenexplosion. Für ihre Grundlagenforschung am kosmischen Staub hat Feige nun eine Förderung in Höhe von 1,76 Millionen Euro des Europäischen Forschungsrates erhalten, der exzellente Pionierarbeit unterstützt.

Damit wird die Astrophysikerin bald mit einem Team aufbrechen, und zwar nicht aufs Uni-Dach, sondern in die Atacama-Wüste. Die in Südamerika gelegene Wüste ist einer der trockensten Orte der Welt, dort lebt nichts, was die Erde umgraben könnte. Alles liegt so da, wie seit Millionen von Jahren.

Reise in die Vergangenheit mithilfe von kosmischem Staub

Jenny Feige ist bei ihrer Arbeit nämlich auch ein bisschen Historikerin. Mithilfe des kosmischen Staubs blickt sie zehn Millionen Jahre in die Vergangenheit und versucht herauszufinden, wann das letzte Mal in unserer Nähe eine Sternexplosion, also eine Supernova stattgefunden hat.

Das ist interessant, da die Erde und ihr Klima von solchen Ereignissen in der kosmischen Nachbarschaft beeinflusst worden sein könnten und auch in Zukunft sein werden. Auch Astrobiologen werden Feige in die Wüste begleiten. Sie wollen Erkenntnisse über mögliches Leben auf dem Mars sammeln. Dort soll das Klima ähnlich dem der Atacama Wüste sein.

Sie selbst fühlt sich sogar unter Astrophysikern als „Exot“. Nicht aufgrund ihres Geschlechts, in der DDR aufgewachsen habe sich für sie nie die Frage gestellt, ob sie einen Platz in den Naturwissenschaften habe. Nein, den Außenseiter-Status erlangte sie durch ihr interdisziplinäres Forschungsthema.

Kaum Forschungen auf Feiges Gebiet

Nicht viele Astronomen arbeiten in ihrem Gebiet. „Egal wo man hingeht, man findet nie jemanden, der genau das Gleiche macht“, sagt Feige. Dementsprechend selten ist die benötigte Technik. Sogenannte Beschleuniger-Massenspektrometer gibt es nur ein paar auf der Welt und nur mit einem einzigen von ihnen – er steht in der australischen Hauptstadt Canberra, Australien – kann man das Eisen-60-Isotop aus Sternexplosionen nachweisen, für das sich Feige interessiert.

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Um Eisen-60 ging es schon in Feiges Doktorarbeit. Damals analysierte die heute 41-Jährige Sedimente und Mangankrusten aus der Tiefsee. Diese wachsen in einer Million Jahre nur um Millimeter. Um zehn Millionen Jahre alte Sedimente zu finden, reicht hier eine Bohrung von wenigen Zentimetern. Dabei fand die Wissenschaftlerin bereits Eisen-60, das bei Sternexplosionen ins Universum geschleudert wird. Auf der Erde kann dieses radioaktive Atom nicht entstehen, es kommt also eindeutig aus dem All.

Jenny Feige kommt aus Woltersdorf in der Nähe von Berlin. Schon als Kind verschlang sie Bücher über Sterne und Planeten. Als Jugendliche bekam sie ihr erstes Teleskop. Mit dem stellte sie sich in den Garten und ärgerte sich über die Lichtverschmutzung. Es war klar, sie würde Astronomie studieren. Dafür ging sie nach Wien und kam erst nach der Promotion zurück nach Berlin.

Ein Staubkorn sagt mehr als 1000 Bilder

Heute kurbelt sie die Kuppel über dem Teleskop an der TU Berlin auf, nur ein Stockwerk über ihrem Büro, das, wie es einer Astronomin gebührt, in der obersten Etage liegt. „Damit üben unsere Studenten“, erklärt Feige. In der Stadt sei es zu hell, um viel zu erkennen.

Überhaupt fasziniert Feige der extraterrestrische Staub mehr als der Blick durchs Fernrohr. „Das Teleskop erlaubt nur eine Momentaufnahme, mit dem Staub können wir Schicht für Schicht durch die Zeit zurückgehen.“ Die Bilder von Himmelskörpern in Büchern weckten falsche Erwartungen, so Feige. Lange Belichtungszeiten und Aufnahmen verschiedener Wellenlängen erlauben Darstellungen, die mit bloßem Auge nie zu sehen wären.

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„Im Studium hatten wir ein paar Romantiker,“ erinnert sich Feige, „die dachten, bei Astrophysik schaut man nur in die Sterne.“ Sie dagegen sei sich klar darüber gewesen, dass der Arbeitsalltag als Astronomin auch vor dem Computer stattfindet. Programmieren und mathematische Modelle gehören genauso dazu wie chemische Laboranalysen.

Astronomische Dimensionen: „Da schockiert einen nichts mehr“

Aus ihrem Büro in der Hardenbergstraße hat Feige eine Aussicht über ganz Berlin. Wie blickt eine Astronomin auf die Welt, die täglich mit unvorstellbar großen Entfernungen und zeitlichen Abständen zu tun hat? „Ich kann mich erinnern, wie ich im Studium einen Moment hatte, in dem mich die Zahlen total geflasht haben“, sagt Feige „man denkt immer im Millionen- bis Milliardenbereich, aber bei astronomischen Distanzen ist das nichts. Da schockiert einen nichts mehr.“

Manche Menschen fühlen sich klein und unbedeutend im Vergleich zum Kosmos, vielleicht sogar verletzlich. Feige geht damit pragmatisch um, muss sie in ihrem Beruf vielleicht auch: „Man merkt, wie kurzlebig man ist. Aber man kann da jetzt auch nicht so viel darüber reflektieren, damit müssen wir nun mal leben, wenn auch nur kurz.“ Bald wird Feige die Berliner Skyline gegen die Dinosaurier im Naturkundemuseum eintauschen. Dort wird sie mit ihrem Team an ihrem millionenschweren Projekt arbeiten.

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