Berlin. Eine neue Landesbehörde soll Einbürgerungen in Berlin beschleunigen, doch die Zentralisierung läuft holprig – mit Folgen für Antragsteller.

Gzim Shala lebt seit 2013 in Berlin. Er hat an der Freien Universität studiert, arbeitet als Sachbearbeiter in einer Berliner Behörde. Das Recht auf Einbürgerung hat der 31-Jährige aus dem Kosovo, und er würde sie auch beantragen, doch die Aussicht auf das jahrelange Verfahren ist abschreckend. Berlin, das sich gern als Weltmetropole in Szene setzt, ist deutschlandweit eines der Schlusslichter, wenn es um die Verfahrensdauer bei der Einbürgerung von Ausländern geht.

Die zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörden der Bezirke sind überlastet und das nicht erst seit gestern. Schon im Frühjahr vergangenen Jahres wussten Antragsteller, dass es ein bis zwei Jahre dauern würde, bis sie ihren deutschen Pass in den Händen hielten. Nun verschärft sich die personelle Lage der bezirklichen Einbürgerungsbehörden noch zusätzlich. Grund ist ausgerechnet das, was die Krise lösen sollte: die neue Zentrale Einbürgerungsbehörde.

Ab 2024 sollen die Aufgaben von den Bezirken in eine Landesbehörde mit 200 Dienstkräften unter dem Dach des Landesamts für Einwanderung übergehen, inklusive 83 bezirklicher Stellen. Doch wie genau der Prozess ablaufen soll, ist noch unklar. „Viele Angestellte verlassen uns schon jetzt wegen der Unsicherheit, ob und wo sie in Zukunft arbeiten werden“, sagt der zuständige Stadtrat aus dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf Tim Richter (CDU). Dort liegen die Wartezeiten nun bei über zwei Jahren.

Bezirke bemängeln Kommunikation im Zentralisierungsprozess

Auf Anfrage der Berliner Morgenpost teilte eine Sprecherin der zuständigen Senatsinnenverwaltung am Donnerstag mit, dass den Bezirksmitarbeitern eine Versetzung auf eine gleichwertige Stelle in die neue Behörde angeboten werden solle. Die Stadträte der Bezirke hatten diese Information jedoch bisher nicht erhalten.

Ein großes Problem im Zentralisierungsprozess sei die Kommunikation des Senats, so Stadtrat Richter. Der Verbleib der Angestellten, ob sie sich bei der Landesbehörde neu bewerben müssen – all das wisse man nur nach Hörensagen und Gerüchten. „Eine aktive Unterstützung der bezirklichen Einbürgerungsstellen bei der Zentralisierung findet derzeit nicht statt“, sagt auch die Pankower Stadträtin für Stadtentwicklung und Bürgerdienste Rona Tietje (SPD). Zur Gestaltung des Übergangs werde ein Konzept erarbeitet, so die Senatssprecherin.

Das Bezirksamt Pankow hat seine Einbürgerungsbehörde wegen der personellen Fluktuation für Januar teilweise dicht gemacht. Viele Mitarbeiter wanderten in Richtung Landesebene ab, so Stadträtin Tietje. Terminvergabe und Sprechstunden finden in Pankow also erst einmal nicht mehr statt.

2021 wurden in Berlin 7.820 Personen eingebürgert. Die eingebürgerten Personen waren im Durchschnitt 35 Jahre alt und haben zuvor bereits rund 14 Jahre in Deutschland gelebt. Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
2021 wurden in Berlin 7.820 Personen eingebürgert. Die eingebürgerten Personen waren im Durchschnitt 35 Jahre alt und haben zuvor bereits rund 14 Jahre in Deutschland gelebt. Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. © Amt für Statistik Berlin-Brandenburg | Amt für Statistik Berlin-Brandenburg

Mit 24 Monaten Mindestbearbeitungszeit war der bevölkerungsreichste Bezirk bereits früher trauriger Spitzenreiter. In diesem Jahr könnte dies Berliner Normalität werden. Die Schaffung der Zentralbehörde habe „für die Übergangsphase erst einmal das Nadelöhr verstärkt“, so Tietje.

Tatsächlich ist Pankow nicht allein. Ersttermine sind in Spandau und Marzahn-Hellersdorf bis Ende des Jahres ausgebucht. Gleiches gilt für Reinickendorf, dort kann man sich jetzt schon auf eine Warteliste für Termine in 2024 setzen lassen – dann schon im neuen Landeseinbürgerungszentrum. Am 4. Januar hatten sich bereits 70 Menschen auf die Liste eingetragen.

Lebensentscheidungen hängen von der Einbürgerung ab

Bis dahin müssen die Bezirksämter noch durchhalten, und auch die Einbürgerungswilligen. In Neukölln, wo Shala wohnt, sind bis Ende März alle Termine vergeben, Bearbeitungszeiten betragen mehr als ein Jahr. Dass die tatsächliche Einbürgerung so lange dauert, empfindet er als frustrierend und demotivierend. „Eine Einbürgerung ist nun mal kein neues iPhone, sondern beeinflusst das Leben maßgeblich“, sagt Shala, „viele Lebensentscheidungen hängen davon ab“.

Für Shala stellt sich etwa die Frage, ob er einen Master im Ausland absolvieren kann – denn momentan ist sein Aufenthaltstitel befristet, er würde ihn bei einem längeren Auslandsaufenthalt verlieren. Aber es geht auch schlicht um Gleichberechtigung: „Ich möchte auch wählen können.“ Als Kind war Shala mit seiner Familie vor dem Krieg in seiner Heimat nach Deutschland geflohen. Da die Familie zwischenzeitlich in Norwegen und dem Kosovo lebte, kam er mit 22 Jahren zurück nach Berlin.

Berlin-Lichtenberg: Taskforce für die Antragsannahme

Um dem Antragsstau entgegenzuwirken, hat Lichtenberg im Oktober 2022 eine Taskforce mit zusätzlichen Mitarbeitern eingerichtet. Sie sind nur für die Antragsannahme zuständig. Außerdem hob der Bezirk die Erstberatung auf. Die war bisher verpflichtend, um überhaupt einen Antrag auf Einbürgerung einreichen zu können. Stadtrat Kevin Hönicke (SPD) sieht keine Option darin, Anträge nicht anzunehmen: „Was sagen wir den Menschen dann? ,Nein, wir wollen euch nicht!’“

Diese Botschaft kommt schon jetzt teilweise bei Shala an. „Ich habe das Gefühl, dass dieses Problem für die Politik und die Gesellschaft irrelevant ist.“ Mit dem neuen Einbürgerungszentrum will die Regierende Bürgermeistern Franziska Giffey (SPD) 20.000 Einbürgerungen pro Jahr schaffen. Aktuell sind es durchschnittlich um die 6500. Möglich werden soll das unter anderem mit der Digitalisierung der Anträge.

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