Infektionswelle

Senatorin empfiehlt Maskentragen auch gegen Grippe

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Joachim Fahrun
Alltag in vielen Haushalten: Viele Menschen in der Stadt sind derzeit erkrankt.

Alltag in vielen Haushalten: Viele Menschen in der Stadt sind derzeit erkrankt.

Foto: Maurizio Gambarini / dpa

Nirgendwo sonst in Deutschland schlägt die Krankheitswelle so hart zu wie in Berlin. Die Lage spitzt sich zu, Arztbesuche nehmen zu.

Berlin.  Die Grippe- und Infektionswelle hält Berlin weiter fest im Griff und schlägt in der Region härter zu als anderswo in Deutschland. Das Robert-Koch-Institut (RKI) schreibt in seinem aktuellen Lagebericht, elf Prozent der Menschen in Deutschland seien von akuten Atemwegserkrankungen betroffen. Bei den Kindern sei die Rate leicht gesunken, bei Erwachsenen leicht gestiegen. Die Zahlen lägen über dem Niveau der starken Grippewelle 2017/18.

Laut RKI ist die Zahl der Arztbesuche wegen Atemwegserkrankungen in der Hauptstadtregion höher als überall anders in Deutschland. Pro 100.000 Einwohner registrierte das RKI 3900 Arztbesuche (Konsultationen). Bundesweit lag der Wert bei 2700.

Dreimal mehr Menschen in Berlin wegen Atemwegskrankheiten beim Arzt als normal

Die Zahl der Arztbesuche wegen Husten, Schnupfen und Grippe hat sich im Vergleich zu normalen Zeiten in Berlin und Brandenburg verdreifacht. In der Vorwoche lag die „Konsultationsinzidenz“ in der Region bei 2900. Von den mit Atemwegserkrankungen in die Kliniken eingewiesenen Patienten leidet bundesweit rund jeder Fünfte an einer Corona-Infektion.

Die Arztpraxen arbeiten „am Anschlag“, sagte eine Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung (KV): „Vor allem Kinderärzte und Allgemeinmediziner sind voll.“ Informationen, dass Praxen wegen erkrankten Ärzten und anderem Personal schließen mussten, lägen aber nicht vor.

Gesundheitssenatorin Gote: „Der Krankenstand spitzt sich extrem zu“

Auch Berlins Krankenhäuser stehen wegen der krankheitsbedingten Ausfälle von Personal aktuell stark unter Druck. Die Charité hat bereits den Notbetrieb eingeführt und alle planbaren Behandlungen abgesagt. „Der Krankenstand spitzt sich extrem zu wie in anderen Bereichen der Gesellschaft“, sagte Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus.

Vor allem die Grippe und andere Atemwegserkrankungen herrschten vor, deswegen bringe es auch nichts, wie in anderen Bundesländern die Isolationspflicht von Corona-Infizierten ohne Symptome abzuschaffen und infizierte Beschäftigte wieder zur Arbeit zuzulassen. Sie gehe davon aus, dass auch weitere Krankenhäuser im ganzen Bundesgebiet in den Notbetrieb übergehen müssten. „Die Aufhebung der Isolationspflicht schlägt nicht durch auf die Personalbesetzung der Kliniken“, sagte Gote.

Untersuchungen des Abwassers zeigen höhere Corona-Infektionslast in der Stadt

In der herrschenden Gemengelage sei es aber wichtig, auch auf die Corona-Situation zu schauen. Man sehe einen Anstieg der Infektionszahlen, auch die Untersuchungen des Abwassers zeige einen „Aufwärtstrend bei der Infektionslast“, sagte Gote und mahnte, sich zu schützen: „Maske tragen hilft gegen alle Infektionen. Das wäre ein Beitrag, dass nicht noch mehr Beschäftigte krank werden“, sagte die Gesundheitssenatorin.

An vielen Berliner Schulen findet seit mehreren Tagen nur Rumpf-Unterricht statt, viele Stunden fallen aus. An einigen Berliner Schulen wird wegen fehlender Lehrkräfte inzwischen das Unterrichtsangebot gekürzt, um kurzfristige Ausfälle mit den sich daraus ergebenden Problemen für berufstätige Eltern zu vermeiden Die CDU-Bildungsexpertin Katharina Günther-Wünsch sagte, ihr seien Fälle bekannt, wo die Stundentafel im Fach Deutsch wegen Personalmangel verringert worden seien. Das sei in Neukölln passiert, wo eine Stunde weniger Deutsch unterrichtet werden soll. Auch der Grünen-Abgeordnete Louis Krüger berichtete, ihn hätten solche Informationen erreicht.

Bildungssenatorin setzt für die Schulen auf Entspannung über die Weihnachtsferien

Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) sagte, die Kürzungen seien auf Ausfälle wegen der aktuellen Krankheitswelle zurückzuführen. „Die Viren sind munter unterwegs in der Stadt“, sagte Busse. Deshalb seien auch viele Lehrkräfte und Kinder krank. „Manch Schule ist härter betroffen als die Nachbarschule, so dass es dann bedauerlicherweise zu Kürzungen kommen muss“, sagte die Bildungssenatorin. Sie hoffe, dass sich alle nun bald in die Weihnachtsferien retten könnten und „dass wir danach alle wieder gesünder sind“, erklärte Busse.

Auch in Berlins Behörden verschärft sich die Lage weiter. Im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg beispielsweise ist besonders der Fachbereich Ordnung von einem hohen Krankenstand betroffen. Dort fallen laut Verkehrsstadträtin Saskia Ellenbeck (Grüne) „zwischen 25 und 40 Prozent“ der Mitarbeitenden derzeit aus. Betroffen sind demnach auch das Personal des Verkehrsüberwachungsdienstes und der Parkraumbewirtschaftung, die gegen Falschparker vorgehen beziehungsweise Parktickets kontrollieren.

Bezirke haben wegen der vielen Kranken Probleme, Aufgaben zu erledigen

Zwar würden Verkehrsbehinderungen etwa durch Falschparker priorisiert behandelt, doch gebe es derzeit auch bei den Abschleppunternehmen einen hohen Krankenstand. Folglich könnten nicht alle Aufträge kurzfristig bearbeitet werden. Die eigenen Mitarbeitenden setze man „auftragsgemäß nach Sach- und Beschwerdelage“ ein, so Ellenbeck.

Auch im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten ist die Personaldecke inzwischen so dünn, dass die verbliebenen Beschäftigten mit der Registrierung der anhaltend in hoher Zahl eintreffenden Geflüchteten nicht mehr hinterher kommen. Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) hat bereits Mitarbeiter aus anderen Bereichen ihrer Behörde zum Einsatz in der Registrierung gebeten und will mit ihren Staatssekretären selbst eine Abendschicht im Ankunftszentrum übernehmen.