Berlin. Gut sieben Fußballfelder groß soll das Solardach auf den Hallen der Messe werden. Welches Signal sich Berlin von dem Projekt erhofft.
Nein, an diesem Donnerstagmorgen war wahrlich kein Wetter für eine Solaranlage. Wer nach oben schaute, konnte kaum den Funkturm erkennen, der über dem Berliner Messegelände im Westen der Stadt thront. Oben angekommen, ließ das Wetter jedoch durchaus erkennen, worum es der Messe Berlin und den Stadtwerken in den kommenden Jahren geht: Auf den unter dem hohen Stahlkonstrukt liegenden Messehallen wollen die Projektpartner in den kommenden zwei Jahren Berlins größtes Solardach errichten.
Insgesamt gut sieben Fußballfelder groß soll die Anlage sein, sagte Stadtwerke-Chefin Kerstin Busch. Das seien gut 2,5 Hektar reine Modulfläche. Etwa fünf Gigawattstunden Sonnenstrom will die Messe jedes Jahr erzeugen. Das sei in etwa der Jahresverbrauch von 2500 Zweipersonen-Haushalten, hieß es bei der Präsentation am Donnerstag. 80 Prozent des Stroms will die Messe selbst nutzen, der Rest soll in das Stromnetz eingespeist werden.
Messe Berlin erhofft sich Stromkosteneinsparung in Höhe von 500.000 Euro
Das landeseigene Veranstaltungsunternehmen von Schauen wie der Grünen Woche oder der ITB erhofft sich dadurch Einsparungen von Stromkosten in Höhe von gut einer halbe Million Euro jährlich. Ein Ausstoß von 2000 Tonnen CO2 werde durch die Produktion von eigenem Strom auf dem Dach zudem vermieden. Messe-Chef Martin Ecknig sagte, er sehe in der selbst erzeugten Sonnenenergie einen „entscheidenden Schritt zu mehr Nachhaltigkeit“ beim Betrieb des Geländes.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) erwähnte Berlins Anstrengungen, die deutsche Hauptstadt vor 2045 klimaneutral zu machen. Es gehe in Etappen voran, so Giffey und verwies auf den Verkehr als Baustein dafür, die Transformation der Wärme und eben die Stromerzeugung. Berlin habe sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 ein Viertel des Stromverbrauchs in der Stadt über Solaranlagen zu erzeugen. Derzeit steht man noch am Anfang: Laut PV-Dashboard des Landes sind erst 3,6 Prozent des Ausbauziels erreicht worden. 11.414 Solaranlagen sind in Berlin aktuell am Netz. Die nun geplante Anlage der Messe würde die Solarstromerzeugung in der Stadt schlagartig um gut 25 Prozent erhöhen, so die Stadtwerke.
Auch auf das Gebäude des früheren Flughafens Tempelhof könnten Solarmodule kommen
Giffey erklärte, noch viele weitere Möglichkeiten in Berlin zu sehen, Solaranlagen auf Dächer zu bauen. Konkret nannte die Regierende Bürgermeisterin Schulen und auch Kultureinrichtungen. Sie lehne es allerdings ab, Teile von Freiflächen wie dem Tempelhofer Feld mit Solarmodulen zuzubauen. „Da wäre ich dagegen. Sich aber über die Dächer des ehemaligen Flughafengebäudes Gedanken zu machen, das finde ich richtig“, sagte Giffey. Die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) hatte zuletzt ein Potenzial 26 Megawatt Solarleistung auf öffentlichen Dächern berechnet. Laut Stadtwerke seien bis dato mehr als einhundert Schulgebäude in Berlin mit Photovoltaikanlagen ausgestattet worden. In allen Bezirken bis auf Charlottenburg-Wilmersdorf gebe es solche Projekte, so Stadtwerke-Chefin Busch.
Lesen Sie auch:Stromnetz-Chef Landeck: „Berlin verbraucht jetzt fünf Prozent weniger Strom“
Das Land Berlin will aber auch private Bauherren und Eigentümer stärker in die Pflicht nehmen, die Energieversorgung klimaneutral aufzustellen. Ab Januar gilt bei Neubauten und großen Dachsanierungen eine Solarpflicht. Berlin habe auch bereits ein entsprechendes Förderprogramm aufgelegt, um bei der Errichtung von Solardächern zu unterstützen, erklärte Wirtschaftssenator Stephan Schwatz (parteilos, für SPD), dessen Haus auch für Energie zuständig ist. Schwarz sagte, man stehe derzeit vor dem „Beginn einer Revolution was den Ausbau der erneuerbaren Energien anbelangt“. Die landeseigene Stromnetz Berlin GmbH, die die Solaranlagen anschließt, habe mit dieser Thematik im ersten Halbjahr so viel zu tun gehabt, wie zuvor im gesamten Jahr 2021 zusammen. Halte man das Tempo werde man in diesem Jahr exponentielles Wachstum im Hinblick auf den Solarausbau in Berlin sehen, so Schwarz.
Europaweite Ausschreibung des Projekts Anfang 2023 geplant
Der Wirtschaftssenator sieht in den Sonnenstromanlagen aber auch eine Möglichkeit, die Energiewende in der breiten Masse der Bevölkerung zu verankern. Schwarz nannte als Beispiel dafür das vermehrte Anschaffen von Balkonsolaranlagen durch die Berliner. Damit hätten viele das Gefühl, einen Beitrag leisten zu können.
Auch interessant:Balkonsolaranlagen in Berlin: Wie viel sie kosten und sparen
Etwas Strahlkraft soll auch das neue Solardach der Messe entwickeln. Viele internationale Besucher kommen hierher – sie sollen sehen, wie Energiewende in Berlin geht, sagte Schwarz. Insgesamt 15.000 Solarmodule wollen Messe und Stadtwerke gemeinsam auf den Dächern montieren. Eine europaweite Ausschreibung startet Anfang 2023, im Sommer soll Baubeginn sein.
FDP: Solarausbau auf öffentlichen Dächern liegt noch brach
Die FDP bezeichnete die großflächige Nutzung von Photovoltaik auf landeseigenen Dächern als „folgerichtig“. Diese Option werde jedoch noch „viel zu wenig genutzt“, so der energiepolitische Sprecher der Fraktion, Christian Wolf. „Das Ausbaupotenzial hier ist groß und liegt jedoch in Berlin nahezu brach.“ Schneller werden müsse man nicht nur bei den Analgen selbst, sondern auch beim Ausbau von Energieinfrastruktur wie Speicher und Leitungen. Auch die Inbetriebnahme von Photovoltaikanlagen sei deutlich zu verkürzen. Mieter von landeseigenen Wohnungen sollten zudem vom selbst erzeugten Solarstrom aus Balkon-Kraftwerken profitieren können. Es sei Aufgabe des Senats, einen Rahmen zu schaffen, der dies ermögliche, befand Wolf.