Berlin. Mittagszeit im Restaurant Heidelbeere am Heidelberger Platz in Wilmersdorf. Das Publikum ist größtenteils etwas älter. Zwischen Schnitzel und Pils werden an den Tischen die großen Themen der Woche diskutiert. Der Lottogewinn eines Berliners über 120 Millionen Euro beispielsweise. „Mit so viel Kohle wüsste ich nichts anzufangen“, sagt ein älterer Herr. Sein Gesprächspartner schaut ihn ungläubig an.
Eine Frau durchsucht demonstrativ das Münzfach ihrer Geldtasche. Es gebe ja auch bestimmte Zwei-Euro-Münzen, die ein Vermögen wert sind. Die Entscheidung des Bundestages, dass die Bundestagswahl in 431 der rund 2300 Stimmbezirke in Berlin wiederholt wird, spielt dagegen keine Rolle. Der Bundestag folgte am Freitag der Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses. Die Entscheidung könnte aber noch vor dem Bundesverfassungsgericht landen. In Charlottenburg-Wilmersdorf sind 77 von 195 Wahlbezirken betroffen.
Wahlwiederholung in Charlottenburg-Wilmersdorf nicht das bestimmende Thema
„Wir unterhalten uns lieber über schöne Dinge. Männer zum Beispiel“, sagt Bärbel Jänike und lacht. Sie ist mit ihren Freundinnen hier. Allesamt geboren in den Vierzigerjahren. Die Frauen wohnen in der Gegend, haben aber in unterschiedlichen Wahlbezirken ihre Stimme abgegeben. Jetzt sind sie dann doch neugierig, ob sie noch einmal wählen müssen. Ein Blick in die Übersichtskarte der Berliner Morgenpost gibt Auskunft.
Babara Höptner hat ihre Stimme im Wahlbezirk 04708 in der Grundschule Alt-Schmargendorf abgeben. „Es war mir fast schon klar, dass die Wahl bei mir wiederholt werden muss“, sagt sie. Als sie am 26. September vergangenen Jahres gegen 12 Uhr ihre Stimme abgeben wollte, sei die Wahl unterbrochen worden. Es fehlten die Stimmzettel. Also sei sie um 16 Uhr noch einmal wiedergekommen. Zwar habe es immer noch lange Schlangen gegeben, aber ihre Wahl konnte sie am Ende trotzdem treffen. Wen sie gewählt habe, verrate sie nicht. Aber sie sei Stammwählerin. Daran werde sich auch bei der Wiederholung nichts ändern.
Keine Lust, aber Pflichtbewusstsein noch einmal wählen zu gehen
Auch Christa Lawitzke aus dem Wahlbezirk 04515 am Fehrbelliner Platz muss ihr Kreuzchen noch einmal setzen. „Ich habe zwar keine Lust, aber mache es trotzdem“, sagt sie. Denn in einer Sache sind sich die Frauen einig. Wählen ist Bürgerpflicht. „Wer nicht wählen geht, darf auch nicht meckern.“ Früher hätte es auch mal die Tradition gegeben, nach der Stimmabgabe noch etwas trinken zu gehen. Schick hingegen müsste sich die Damen am Wahltag nicht machen. „Wir sind immer schick gekleidet“, sagt Christa Lawitzke.
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„Ich finde es gar nicht so dramatisch, dass die Wahl wiederholt werden muss. Irgendwie mag ich die Atmosphäre am Wahltag“, sagt Jale Wezel. Es liege Aufbruch und Verantwortung in der Luft. Denn auch wenn für viele sowieso immer die Falschen gewinnen und das Land Fehler habe, seien wir in Deutschland gut dran. In diesem Sinne sei die Wahlwiederholung vielleicht lästig – aber wichtig für die Demokratie.
Dem stimmt auch Kellner James Benyi zu. Er gab fünf Fußminuten entfernt seine Stimme ab. Nun vielleicht bald zum zweiten Mal. „Die Wahl in Berlin war ein Skandal. Ich kenne viele, die ihre Stimme nicht abgeben konnte. Daher ist es richtig, dass sie wiederholt wird.“ Das habe auch nichts mit der Aussicht auf mehr Umsatz am Wahltag zu tun. Auch wenn er alle Wahl-Wiederholungstäter in die Heidelbeere einlädt.
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