Arbeitsmarkt 2021/2022

Berlin: Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze steigt weiter

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Gerade zukunftsorientierte Klimaberufe wie Heizungsinstallateure sollen stärker beworben werden, finden Branchenvertreter.

Gerade zukunftsorientierte Klimaberufe wie Heizungsinstallateure sollen stärker beworben werden, finden Branchenvertreter.

Foto: Waltraud Grubitzsch / dpa

Die Zahl der Bewerber und der betrieblichen Ausbildungsstellen erhöhte sich ebenfalls. Streit um Ausbildungsplatzumlage des Senats.

Berlin.  Robust und mit leicht positiver Tendenz. So beschreibt die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit das Berufsberatungsjahr 2021/2022 für das Land Berlin. So meldeten sich von Anfang Oktober 2021 bis Ende September 2022 insgesamt 20.902 Jugendliche bei der Berufsberatung der Agenturen für Arbeit, um hier bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz Unterstützung zu erhalten. Das sind 114 mehr als im vergangenen Jahr.

Die Zahl der beim Arbeitgeberservice der Arbeitsagenturen gemeldeten betrieblichen Ausbildungsstellen erhöhte sich gleichzeitig ebenfalls um 7,4 Prozent auf 15.016. Ende September 2022 waren zudem 3135 Bewerber unversorgt, was 259 weniger sind als noch vor einem Jahr. Trotz dieser vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie erst einmal positiv zu bewertenden Zahlen konnten die Berliner Betriebe bis Ende September allerdings 1502 Berufsausbildungsstellen nicht besetzen. Das waren noch einmal 390 mehr als 2021. Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze steigt also auch im dritten Beratungsjahr in Folge weiter an.

Mehr Berufsorientierung an Schulen gefordert

Eine Entwicklung, der laut Ramona Schröder, Vorsitzende der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, angesichts von Fachkräftemangel und demografischem Wandel in den nächsten zehn Jahren unbedingt entgegen gesteuert werden müsse. „Wir brauchen mehr berufliche Praktika für Schülerinnen und Schüler und eine stärkere Berufsberatung in den weiterführenden Schulen“, sagt sie. Außerdem müsse ganz allgemein daran gearbeitet werden, der dualen Ausbildung ein positiveres Image zu verpassen und mindestes ein gleichwertiges gegenüber der akademischen. „Ohne die zukunftsträchtigen Klimaberufe wie Heizungsinstallateur keine Klimawende“, so Schröder.

Außerdem könne es helfen, die Ausbildungsmärkte in Berlin und Brandenburg gemeinsam als Wirtschaftsregion zu verstehen und auch über Landesgrenzen hinweg auszubilden. „Schlussendlich braucht es aber auch schlicht mehr betriebliche Ausbildungsstellen“, sagt Schröder. „Da ist in Berlin noch deutlich Luft nach oben.“

Berliner Senat will Ausbildungsplatzumlage als Anreizsystem einführen

Das sieht auch Arbeitssenatorin Katja Kipping (Linke) so. „Die aktuellen Zahlen zeigen, dass auf dem Berliner Ausbildungsmarkt weiterhin eine deutliche Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage besteht“, sagte sie. Rein rechnerisch kämen somit auf jede gemeldete betriebliche Ausbildungsstelle 1,4 Bewerberinnen und Bewerber. „Wir können nicht hinnehmen, dass so viele junge Menschen ohne berufliche Perspektive bleiben“, so Kipping. Die Senatsarbeitsverwaltung hält daher an ihrem Plan fest, eine Ausbildungsplatzumlage in Berlin einzuführen. Diese sieht vor, dass Unternehmen zahlen sollen, wenn sie selbst keine Fachkräfte ausbilden.

Laut Senat sei die geplante Umlage ein faires Anreizsystem, um mehr Ausbildungsplätze zu schaffen und die Ausbildungsbemühungen solidarisch innerhalb der Branchen zu finanzieren. Der Betrag diene somit zur Honorierung der Anstrengungen anderer Betriebe und könne für den Aufbau außerbetrieblicher Ausbildungsstellen genutzt werden. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Betriebe, die selbst nicht ausbildeten, den Wettbewerbern die teuer geschulten Gesellen abwerben. Einzelne Branchen haben bereits ein solches Umlagesystem, etwa das Bauhauptgewerbe oder die Schornsteinfeger.

Kammern und Verbände der Wirtschaft wehren sich gegen Ausbildungsplatzumlage

Kammern und Verbände der Wirtschaft sehen in dem Instrument hingegen eine unnötige Bestrafung für Betriebe, die bereits ausbilden, aber keine Bewerber finden. Sie fordern stattdessen eine frühere Berufsorientierung in weiterführenden Schulen und eine Verbesserung der Schulqualität in Berlin insgesamt. Laut Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin, fänden rund 30 Prozent der Betriebe keine geeigneten Bewerber, vielen fehle es sogar an Grundkompetenzen in den Bereichen Lesen, Schreiben und Rechnen.

„Eine Lehrstellenlücke ist auf dem Berliner Ausbildungsmarkt nicht zu erkennen“, sagt auch Stefan Spieker, Vizepräsident Industrie- und Handelskammer Berlin. „Vielmehr müssen suchende Bewerberinnen und Bewerber mit den noch freien Ausbildungsstellen besser zusammengeführt werden.“ Die Berliner Wirtschaft stehe hier als Partnerin für eine konzertierte Ausbildungsoffensive immer zur Verfügung, eine Umlage aber löse das bestehende Problem der mangelnden Ausbildungsfähigkeit nicht.

Schützenhilfe dafür kommt aus der Berliner FDP. „Es ist gut, dass sich die Ausbildungsplatzzahlen in die richtige Richtung entwickeln“, sagt der FDP-Vorsitzende Sebastian Czaja. „Senatorin Kipping will diese Entwicklung mit der Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe mutwillig gefährden.“ Sie setze auf ein Bestrafungssystem statt auf eine benötigte Motivationsinitiative. „Die krisengeplagten Unternehmen und auch die jungen Auszubildenden haben Unterstützung verdient, keine Bestrafungsabgabe, die niemandem hilft“, so Czaja.