Berlin. Kaum eine Straße ruft aktuell so viel Aufregung hervor wie die Friedrichstraße in Berlin-Mitte. Eigentlich ist der Verkehrsversuch vorbei, doch die provisorischen Anlagen stehen noch. Der Versuch, die Straße so zu beleben, dass auch die Geschäftswelt profitiert, ist gescheitert. Doch warum ist das so?
1. Fahrrad-Rennpiste
Wo sich früher Autos im Schneckentempo vorwärtsquälten, sehen Fahrradfahrer jetzt eine Rennstrecke vor sich, schnurgerade, Hunderte Meter lang. Wer gerne mal richtig in die Pedale tritt, den versetzt die Friedrichstraße spontan in das Gefühl unendlicher Weite, ähnlich dem von Rasern auf der linken Autobahnspur. Mit Straßenbelebung hat das wenig zu tun: Auf vier Metern Breite brechen die Radler sich eine Schneise – für Fußgänger werden sie zur Plage.
2. Baustelleneinrichtung
Das Erscheinungsbild der Friedrichstraße ist aktuell alles andere als einladend, es ähnelt einer Baustelleneinrichtung. An jeder Ecke versperren rot-weiße Barrieren den Weg, gelbe, durchgezogene Linien auf der Straße teilen den Raum, Straßenschilder halten Fahrradfahrer an, Tempo 20 nicht zu überschreiten – eine sinnvolle und notwendige Maßnahme, doch zu einem schönen Straßenbild trägt das nicht bei.
3. Platzverschwendung
Die Parklets stehen im Straßenraum, als hätte man sie willkürlich zwischen Fußweg und Fahrradtrasse abgekippt. Traurig wirken die Ausstellungs-Würfel auf der Straße, dürftig bestückte Schaukästen. Kaum ein Laden nutzt sie zur wirkungsvollen Warenpräsentation, sie sind nicht aufbruchssicher.
4. Wenig Platz für Fußgänger
Wer zu Fuß unterwegs ist, hat im Verkehrsversuch laut Plan doppelt so viel Platz wie vorher, doch der ist zum großen Teil mit Sitzen und Vitrinen vollgestellt. Vor allem zur Mittagszeit sind die Außenbereiche der Cafés und Imbisse zwar gut besucht. Doch wer sich nicht setzt, hat Mühe, vorbeizukommen. Touristengruppen drängen sich am Rand, Angestellte bahnen sich ihren Weg, vor Imbissen bilden sich Schlangen.
5. Geringe Sichtbarkeit der Geschäfte
Nichtradelnde Berliner verirren sich selten in die Friedrichstraße, es sei denn, sie arbeiten hier. Leerstehende Läden und Quartiers, die man durch Doppeltüren betreten muss, laden auch nicht zum spontanen Einkauf ein. Und wer am frühen Abend die Friedrichstraße besucht, wundert sich darüber, dass alle Geschäfte schon dunkel sind – sie haben schon zu. Metropolen-Gefühle stellen sich so nicht ein.
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