Betrugsmasche

Senioren betrogen: Falscher Polizist vor Gericht

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David M. soll sich gegenüber seinen meist älteren Opfern am Telefon als Polizist ausgegeben und fast 1,5 Millionen Euro erbeutet haben.

David M. soll sich gegenüber seinen meist älteren Opfern am Telefon als Polizist ausgegeben und fast 1,5 Millionen Euro erbeutet haben.

Foto: Olaf Wagner

David M. soll sich als Polizist ausgegeben und als „Kommissar Dietrich“ ältere Menschen um fast 1,5 Millionen Euro betrogen haben.

Berlin.  Sie nannten sich Staatsanwalt Günther, Kommissar Schubert, Welke oder Krüger. Aus einem Callcenter in der Türkei soll der heute 21-Jährige als Teil einer Bande falscher Polizisten Menschen in Deutschland angerufen haben, um diese um ihr Erspartes zu erleichtern. David M. trat zumeist als Kommissar Dietrich vom Raubdezernat auf. Seit Dienstag steht M. dafür vor dem Berliner Landgericht.

Der Berliner, der weder über einen Schulabschluss noch eine Berufsausbildung verfügt, muss sich wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in Tateinheit mit Amtsanmaßung verantworten. Angeklagt sind 93 Fälle, wobei es in 66 nur beim Versuch blieb. Dabei sollen M. und seine teils gesondert verfolgten, teils den Ermittlern noch unbekannten Komplizen ihre meist älteren Opfer um insgesamt fast 1,5 Millionen Euro betrogen haben.

Die Bande war laut Anklage zwischen August 2020 und Oktober 2021 aktiv und ging meist nach dem gleichem Modus Operandi vor. Der Angeklagte soll zumeist als sogenannter „Keiler“ agiert, also die Opfer angerufen und sich in einer „professionell vorgetragenen Choreographie“ als Polizist ausgegeben haben. Dabei soll das Verfahren namens „Call-ID-Spoofing angewendet worden sein, sodass bei den Angerufenen auf dem Display die Nummer „110“ erschien – eine Nummer, mit der die Polizei in Wirklichkeit nie anruft.

Falsche Polizisten warnten vor Räubern oder korrupten Bankangestellten

Zunächst sollen die Täter ihre Opfer nach ihrem Vermögen ausgefragt haben. Wurden Wertgegenstände oder größere Mengen Bargeld zu Hause aufbewahrt, soll David M. die Gefahr mutmaßlicher „Räuberbanden“ heraufbeschworen haben. Lag das Geld auf der Bank, sei vor korrupten Bankangestellten gewarnt worden. Das sollen sie in einigen Fällen durch das Vorspielen eigens angefertigte Audiodateien vermeintlicher Täter untermauert haben.

Im Glauben, ihr Vermögen zu schützen, sollen einige der Geschädigten der Aufforderung nachgekommen sein, Geld und Wertgegenstände an die Bande zu übergeben. Dabei soll es sich zumeist um fünf-, teilweise auch um sechsstellige Summen gehandelt haben, die etwa in Parks deponiert, von einem Abholer eingesammelt und in die Türkei gebracht wurden.

Die Opfer, zum Teil älter als 80 oder 90 Jahre, sind laut Anklage vorher zum Teil „über mehrere Tage“ durch mehrstündige Telefonate unter Druck gesetzt worden. Für den Fall, dass sie nicht kooperieren oder kein Stillschweigen bewahren, sollen die Täter mit Anzeigen gedroht haben. Die Senioren seien dadurch zum Teil „völlig verängstigt und verunsichert“ gewesen.

Angeklagter soll maximal fünf Jahre Jugendstrafe erhalten

Nicht in jedem Fall gingen die Angerufenen darauf ein. Zum Teil schaltete sich auch die echte Polizei ein, nachdem sich die Opfer dort rückversichern wollten. Dass mehr als zwei Drittel der Betrugsversuche scheiterten, ist auch aufmerksamen Bankangestellten zu verdanken.

In einigen Fällen waren Bargeldauszahlungen in dieser Höhe nicht oder nicht sofort möglich, in anderen hegten die Angestellten Verdacht und alarmierten die echte Polizei. Mitunter wurden dann die Abholer festgenommen. Da auch sie laut Anklage unter falschem Namen angeworben wurden, kamen die Ermittler über sie nicht an die Hintermänner heran.

David M., während des Tatzeitraums zwischen 19 und 20 Jahre alt und nach eigenen Angaben drogenabhängig, steht vor einer Jugendkammer des Landgerichts, dass zu Prozessbeginn einen Deal anbot. Die 66 Fälle, in denen es beim Versuch blieb, sollen fallengelassen werden und M. eine Jugendstrafe von vier bis fünf Jahren erhalten.

Deal nur gegen Geständnis und Angaben zu Komplizen

Im Gegenzug muss er jedoch ein vollumfängliches Geständnis ablegen und dabei Angaben zur Struktur und zur Rollenverteilung innerhalb der Bande machen. Außerdem werden bei Vermögenswerte in Höhe von 1,5 Millionen Euro eingezogen. Sein Verteidiger kündigte an, darüber nachzudenken. Der Prozess wird am 27. Oktober fortgesetzt und soll, sofern der Deal zustande kommt, am 7. November enden.

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