Berlin. Lisa liest. Aber nicht nur das. Sie liefert eine wahre Leseshow ab. Im Tipi am Kanzleramt entschuldigte sich die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart bei der Deutschlandpremiere ihres Romans „Boum“ erst einmal bei ihrem Berliner Publikum. Und zwar dafür, dass sie „zu so unchristlicher Stunde“ auftrete – nämlich, „mein Gott!“, um 12 Uhr mittags. Sie selber hätte auch eine „kuschelige Nachmittagslesung“ bevorzugt. Abends stand sie dann nochmals mit ihrem Programm „Die Vorteile des Lasters – ungenierte Sonderausgabe“ auf der Bühne. Besorgt habe sie die Tipi-Mitarbeiter vor ihrem Mittags-Auftritt nach dem Befinden des Publikums gefragt, erzählt sie: „Wie geht es den Leuten denn?“ Man habe ihr daraufhin aber versichert: „Allen geht es gut. Die trinken Alkohol.“ So sind die Berliner eben.
In der Tat stehen einige Aperol Spritz, Hefeweizen und Weißweine auf den Zuschauertischen. Die Stimmung: entspannt. Aber auch gespannt. Lisa Eckhart (30) ist eine scharfzüngige, eloquente, geistreiche, ja, eben spannende Künstlerin. Eine, die mit Wortwitz und Pointen begeistert. Und die übrigens mit 17 ihr Abitur mit der Note 1,0 bestand und später ein Germanistikstudium an der Freien Universität Berlin absolvierte.
Und streitbar ist sie auch. Vor allem im Jahr 2020 gipfelten Vorwürfe gegen Eckhart in Anfeindungen und Drohungen aus der autonomen Szene und in der Ausladung von einem Literaturfestival in Hamburg. Da hatte sie gerade ihren ersten Roman „Omama“ veröffentlicht. Manche wollen in Eckharts Programm Antisemitismus-Klischees bedient sehen. Aber längst nicht alle.
Kritik an Lisa Eckhart: „Die Shitstorms gehen vorüber“
Damit kann sie umgehen und belastet scheint die Österreicherin, die mit ihrem Mann, dem gemeinsamen Kind und zwei weiteren Kindern in Leipzig lebt, davon nicht mehr. Lächelnd berichtet sie von dem „Skandälchen“ damals. Und von wütenden Protesten ihrer Gegner, die Besuchern den Weg zu ihren Auftritten versperrten. Davon ist jetzt in Berlin im Tipi nichts zu sehen. „Jetzt bin ich allen egal“, bilanziert Eckhart ironisch-achselzuckend. Und sie weiß: „Die Shitstorms ziehen vorüber.“ Allemal lohnt sich der Besuch einer Eckhart-Lesung – denn in rund 90 Minuten liest die Autorin nicht einfach Buchkapitel runter, sondern bietet ein Kabarett zum Buch.
„Boum“ ist eine Mischung aus Märchen, Horrorgeschichte, Erotikkrimi – eine abgründige, böse Satire, schräg, originell, chaotisch. Namensgebend für ihren Roman ist die Figur des Terrorexperten Monsieur Boum, außerdem geht es um einen Serienmörder, den die Zeitungen Le Maestro Massacreur nennen. Das Buch spielt in Paris. Die Hauptfigur ist die junge Österreicherin Aloisia, „die mit mir selbstverständlich gar nichts zu tun hat“, sagt Eckhart augenzwinkernd. Sie selbst hat einige Jahre in der französischen Hauptstadt gelebt – in einem winzigen „Studio“ mit wohl um die 5000 Kakerlaken. Klar, dass sie hier viel Frankreich-Fachwissen angesammelt hat. Zum Beispiel solches: „In Paris riecht selbst der Urin in der U-Bahn noch nach Croissants“, „Der Käse ist so göttlich, als hätte man ihn Gott persönlich von der Fußsohle gehobelt“, oder: „Jeder französische Obdachlose berät Sie besser in Wein-Fragen als ein deutscher Sommelier.“
Nächster Termin: Donnerstag, 17.11., 20 Uhr, Admiralspalast, „Lisa Eckhart: Die Vorteile des Lasters – ungenierte Sonderausgabe“.