Berlin. Vattenfall stellt Pläne vor, wie Berlin im Winter mit Wärme versorgt werden soll. Chef ruft zum Sparen auf.

Berlins 1,3 Millionen Haushaltskunden der Vattenfall Fernwärme müssen sich in diesem Jahr auf 50 Prozent höhere Preise einstellen als 2021. Das sagte der neue Wärme-Chef Christian Feuerherd am Freitag bei einem Besuch der Leitwarte in der Nähe der Storkower Straße in Pankow.

Für die Heizung einer 70 Quadratmeter großen Wohnung müssen die Bewohner statt zuletzt 700 dann 1050 bis 1100 Euro aufbringen, rechnete Feuerherd vor. Für 2023 sei „nicht auszuschließen“, dass die Kosten weiter nach oben gehen werden. Eine Prognose, um wie viel die Heizung teurer werden könnte, wollte der Manager wegen der vielen unterschiedlichen Einflussfaktoren zur Bestimmung des Fernwärmepreises aber nicht abgeben.

Anfang des Jahres hatte Vattenfall mit einem Preisanstieg von 30 Prozent kalkuliert und seine Kunden aufgefordert, ihre Abschlagszahlungen anzupassen, um zu hohe Nachzahlungen zu vermeiden.

Vattenfall hat für den Winter 220.000 Tonnen Steinkohle in Berlin gelagert

Noch gehen sie bei dem mit weitem Abstand größten Stadtwärmenetz-Betreiber der Stadt nicht davon aus, dass es tatsächlich im Winter zu einer Gasmangellage kommen könnte, obwohl sich das Unternehmen auf alle Szenarien vorbereitet. Als wichtigste Maßnahme gegen einen Gas-Lieferstopp hat Vattenfall 220.000 Tonnen Steinkohle in Berlin gelagert.

Der Brennstoff kommt aus Südafrika, weil der Bezug der bis dahin eingesetzten Kohle aus Russland nach dem Angriff auf die Ukraine gestoppt worden war. Weitere 40.000 Tonnen hat Vattenfall in Wilhelmshaven an der Nordseeküste gelagert.

Kohlezüge versorgen Berlin im Winter

Mit der Deutschen Bahn sei vereinbart worden, dass im Notfall Kohlezüge nach Berlin bevorzugt durchgeleitet würden, sagte Feuerherd. Mit den Reserven könnten die Kohleanlagen bis zu zweieinhalb Monaten unter Volllast arbeiten.

Die Steinkohle aus Südafrika, die zwar teurer sei als die russische, aber deutlich billigere Energie liefere als das aktuell mit Erdgas möglich sei, werde in jedem Fall in Berlin eingesetzt, auch wenn das den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid erhöhe, sagte Uwe Scharnweber, der Leiter des Fernwärmesystems und Chef des Krisenstabes.

Noch stammt Berlins Fernwärme zu 77 Prozent aus Gas

Für die Kohleverbrennung stehen die Kraftwerke Reuter-West in Spandau und Moabit zur Verfügung. Den Ostteil der Stadt mit Fernwärme aus Kohle zu versorgen, sei mangels entsprechender Anlagen schwieriger. Darum werde im Falle einer Mangellage das verfügbare Gas eher in den Kraftwerken im Osten eingesetzt.

Bisher erhitzt Vattenfall sein 2022 Kilometer langes Wärmenetz zu 77 Prozent mit Gas und zu 15 Prozent mit Steinkohle. Sechs Prozent stammen aus Abwärme vor allem von der Berliner Stadtreinigung. Zwei Prozent stammen aus Biomasse oder Biogas. Das eingesetzte Erdgas stammt aus Norwegen, aber auch aus Importen von Flüssiggas.

Rauch steigt auf aus dem Kraftwerk Klingenberg: Insgesamt wird der Ausstoß von Kohlendioxid durch die verstärkte Kohleverbrennung steigen.
Rauch steigt auf aus dem Kraftwerk Klingenberg: Insgesamt wird der Ausstoß von Kohlendioxid durch die verstärkte Kohleverbrennung steigen. © dpa | Jens Kalaene

Selbst im Falle einer Gasmangellage, die sich nach Einschätzung der Vattenfall-Manager aber nicht abzeichnet, würde der Fernwärmeanbieter weiter mit den dann noch verfügbaren Mengen beliefert, wie das auch für direkte private Gaskunden vorgesehen ist. Seit Kriegsbeginn habe man begonnen, Szenarien einer reduzierten Gasbereitstellung im Sinne der Notfallversorgungsszenarien des Bundeswirtschaftsministeriums durchzuspielen, sagte Feuerherd.

Auch Fernwärmeproduzenten würden im Falle einer Gasmangellage bevorzugt beliefert

Entscheidungen über eine Kontingentierung von Erdgas oder Abschaltreihenfolgen lägen letztlich bei der Politik – sollten aber in enger Abstimmung mit der Berliner Stadtwärme getroffen werden. „Dabei muss aber klar sein, dass Fernwärme-Kundinnen und -Kunden geschützt sind und unsere Versorgung mit Gas sichergestellt wird.”

Klar ist den Managern aber auch, dass sie in einem echten Notfall die Versorgung mit Gas und damit auch mit Fernwärme nicht überall garantieren könnten, räumt der Fernwärme-Netzchef Scharnweber ein. Man könne mit dem Netz eine Zeit lang gegensteuern, wenn das Wasser in den Rohren nicht mehr aufgeheizt werden könne.

Im Osten sei es nur noch im inzwischen von Kohle auf Gas umgerüsteten Kraftwerk Klingenberg in Lichtenberg möglich, etwa sechs Stunden weiter zu heizen. Bei anderen Anlagen lasse sich nicht so einfach von Gas auf Kohle oder Biomasse umsteigen.

Wegen zahlreicher Unsicherheiten geben die Manager keine Preisprognose für 2023 ab

Sollte sich ein Gasmangel abzeichnen, entstünde der nicht auf einen Schlag. Man hätte also Zeit, das Wasser auf 120 Grad zu bringen, damit die benötigte Wärme länger zur Verfügung stehe. Aber wenn es kein Gas mehr gäbe, hätten alle Menschen in Berlin ein Problem, nicht nur die Fernwärmekunden, hieß es.

Wegen all dieser Unsicherheiten ist es auch schwierig, heute schon eine belastbare Vorhersage zu treffen, was auf die fast zwei Millionen Bewohner der mit Vattenfalls Fernwärme beheizten Berliner Wohnungen im kommenden Jahr zukommt. Die Mehrwertsteuer-Senkung werde jedenfalls helfen, hieß es.

Der Preis für Fernwärme bestehe aus zwei Teilen, erläuterte Feuerherd. 60 Prozent entfielen auf den Grundpreis, also die Bereitstellung des Anschlusses. Dieser entwickele sich im Einklang mit der Inflationsrate.

40 Prozent macht der Arbeitspreis aus, also der Verbrauch der Kundinnen und Kunden. Dort wiederum schlage sich das „Marktelement“, also die stark gestiegenen Einkaufspreise, auf die Hälfte nieder. Es gebe also auch preisdämpfende Elemente, sagte Feuerherd. Ein solcher sei der Strompreis. Denn weil Vattenfall in den meisten seiner Kraftwerke parallel Wärme und Strom erzeugt, wirke der gestiegene Strompreis dämpfend auf die Gesamtkalkulation.

Vattenfall-Wärme-Chef ruft zum Sparen auf. 20 Prozent seien machbar

Wärme-Chef Feuerherd appellierte an die Kunden, so weit wie möglich Energie einzusparen. Mieter hätten vor allem die Möglichkeit, Raumtemperaturen zu reduzieren und klug zu lüften. Hauseigentümer sollten ihre Isolation verbessern und kurzfristig einen hydraulischen Abgleich vornehmen, der die Wärme gleichmäßig im Gebäude verteilt. 20 Prozent Einsparungen seien vergleichsweise einfach zu erzielen, sind sie bei Vattenfall überzeugt.

Diese Marke kommt offenbar auch deswegen zustande, weil der von der Bundesregierung angekündigte Gaspreisdeckel nach allem, was man weiß, eben diesen Teil des Verbrauchs heruntersubventionieren soll, während für alle Mengen darüber die hohen Marktpreise fällig werden sollen. Genaue Informationen, wie der Gaspreisdeckel wirken solle, hat man aber auch bei Vattenfall noch nicht.

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