Berlin. Neun Monate – so lange soll der Feldversuch dauern, den der Logistikkonzern Deutsche Post DHL am Donnerstagvormittag im Berliner Westhafen startete. In den Binnenhafen nach Mitte bringt das Unternehmen ab jetzt täglich Päckchen und Pakete mit dem Solarschiff. Beladen wird das Boot im Spandauer Südhafen, nimmt von dort aus den Wasserweg über die Spree.
Für die Deutsche Post DHL ist das Projekt in der deutschen Hauptstadt der erste Ausflug auf das Wasser im Inland. Ähnliche Transportwege nutzte das Unternehmen bislang aber bereits in Venedig, London und Amsterdam.
Postschiff in Berlin: Mit diesen Partnern arbeitet Deutsche Post DHL zusammen
Bereits im Mai hatte die Berliner Morgenpost exklusiv verkündet, dass darüber nachgedacht wird, auch in Berlin ähnliche Wege zu gehen. Damals fanden schon vertrauliche Gespräche mit möglichen Partnern statt. Diese hat der Logistiker nun in dem landeseigenen Hafenbetreiber Behala und dem Solarschiffunternehmen Solarwaterworld AG gefunden.
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Solarwaterworld stellt auch das Schiff, dass am Donnerstag erstmals den Westhafen anfuhr – mit gut 340 Päckchen und Paketen an Bord. Behala kümmert sich um das Be- und Entladen des Paketboots. Zum Start des Projekts habe man die Ladung von vier Paketwagen an Bord, man könne auf fünf bis sechs erweitern, sagte Sven Goerke, Leiter der Niederlassung Berlin Paket bei Deutsche Post DHL.
Postschiff: In gut 100 Minuten geht es für die Pakete übers Wasser von Spandau nach Mitte
Der Transportweg für die Sendungen beginnt dem Unternehmen zufolge im Paketzentrum Börnicke bei Nauen. Von dort aus bringe ein Lkw die vier bis fünf Paketwagen in den Südhafen Spandau. Nach der Verladung würden diese innerhalb von gut 100 Minuten in den Westhafen verschifft.
Von dort geht es weiter mit dem elektrischen Lastenrad. Berlinerinnen und Berliner können allerdings nicht auswählen, ob ihre Sendungen auf dem Wasserweg nach Berlin rein transportiert werden sollen. Die Auslieferung vom Westhafen beschränke sich derzeit lediglich auf die umliegenden Viertel, so Goerke.
Für das Logistikunternehmen geht es in den kommenden Monaten darum, zu testen, was auf dem Wasser möglich ist. Ein Regelbetrieb sei das Ziel, so Postmitarbeiter Goerke. Denkbar sei auch ein Weitertransport über den Westhafen nach Neukölln und Mariendorf. „Der Traum ist, dass wir am Wasser 50 Packstationen haben, die wir sehr regelmäßig mit einer eigenen Flotte bedienen“, sagte Goerke im Gespräch mit der Morgenpost. Von dort aus könnten Kundinnen und Kunden dann auch selbst ihre Sendungen abholen.
Postschiff in Berlin: Über den Wasserweg werden nur ein Bruchteil der täglichen Sendungen transportiert
Die Deutsche Post DHL sieht in dem Testversuch auch einen ersten Schritt darin, Logistikverkehr weg von der Straße zu bringen. In Berlin kämpfen sich die Fahrer täglich durch den dichten Verkehr. Nicht selten sorge ein stehendes Fahrzeug für Ärger bei Autofahrern, denn noch immer gibt es in den Bezirken viel zu wenig Ladezonen für Paketdienste und andere Gewerbefahrzeuge.
Angesichts eines Päckchen- und Paketeaufkommens von gut 250.000 Stück täglich in Berlin wird der Wasserweg zunächst jedoch nur eine kleine Entlastung bringen. Deutsche Post DHL sieht sich dennoch bestärkt in dem eingeschlagenen Weg, bis 2050 eine gänzlich emissionsfreie Logistikdienstleistung anbieten zu wollen.
Bereits heute würde in knapp der Hälfte der Berliner Zustellbezirke CO2-neutral ausgeliefert. Man sei der klimafreundlichste Paketdienstleister in der Hauptstadt mit einer Elektro-Zustellflotte von rund 1000 E-Fahrzeugen und mehr als 1700 elektrischen Lastenrädern.
Keine Sonderanfertigung: Postschiff wurde lediglich umgewidmet
Das für den Pilotversuch genutzte Schiff stammt aus der Flotte der Solarwaterworld AG. Das Unternehmen hatte vor gut zwei Jahren zusammen mit Berlins größtem Personenschiffer Stern und Kreis begonnen, die Fahrgastschifffahrt zu dekarbonisieren. Beide Unternehmen betreiben seitdem gemeinsam ein Solarschiff im Linienbetrieb.
Das von Deutsche Post DHL genutzt Solarschiff war in den vergangenen Wochen gelb lackiert und mit entsprechenden Logos des Unternehmens ausgestattet worden. Ein Solarwaterworld-Kapitän wird das Schiff über die Spree steuern. Der Einstieg in die Güterbeförderung sei der nächste logische Schritt, so Unternehmenschef Tim-Derek Schultze.
10,50 Meter lang und 2,50 Meter breit ist das Wassergefährt. Das Schiff mit einer Antriebsstärke von fünf Kilowatt kommt auf eine Geschwindigkeit von zwölf Kilometer pro Stunde. Wenn mal eine Sonne scheint, wird die zuvor über Solarpanele gewonnene Energie in Batterien gespeichert. Wie gut sich das Schiff für die Paketausbringung eignet, wird sich zeigen. Eine Hürde könnte sein, dass die Berliner Kaimauern gut zwei Meter hoch sind. Möglicherweise würde sich ein Boot mit einer höheren Oberfläche besser eignen, so Goerke.
FDP: Postschiff Beitrag für klimafreundliche Logistik
Am Donnerstag gelang die Entladung mit dem Gabelstapler durch die Behala aber reibungslos. Behala-Chefin Petra Kardinal sah aber dennoch Verbesserungspotenziale: Es fehle zum Beispiel noch ein Regenschutz, auch über spezielle Vorrichtungen, mit denen Be- und Entladen noch schneller gingen, könne man nachdenken. In dem Paketdienst auf dem Wasser sehe sie eine sinnvolle Lösung. „Wer die Verkehrswende ernst nimmt, muss solch innovative Projekte umsetzen“, sagte sie. Die Behala stünde dafür bereit.
Auch aus der Politik gab es Lob für das Projekt: „Das Elektro-Postschiff ist ein Beitrag für eine stadtverträgliche und klimafreundliche Logistik. Elektroschiffe, Lastenräder, Mikrodepots, Cargo-Trams und Drohnen werden die Logistik in Berlin in den nächsten Jahren grundlegend verändern“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Felix Reifschneider. Das müsse auch der Berliner Senat endlich verstehen und dafür unverzüglich die regulatorischen und baulichen Voraussetzungen schaffen.