Berlins Krankenhäuser fordern Inflationsausgleich

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Joachim Fahrun
Die Charité in Berlin.

Die Charité in Berlin.

Foto: Jörg Carstensen / dpa

Die Kosten für Energie explodieren, die Erlöse sind wegen Corona unter Druck. Wenn der Bund nicht hilft, droht vielen Kliniken die Pleite.

Berlin. Während die Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) spricht, läuten die Glocken der Krankenhauskapelle von St. Hedwig in Berlin-Mitte. Für die Kliniken in Berlin und ganz Deutschland sind Stoßgebete an höhere Instanzen derzeit absolut geboten. Denn mit ihren Forderungen an die Bundesregierung kommen die Krankenhäuser nicht weiter.

Daran ändert auch nichts, dass Gote versicherte, sie würde sich mit den protestierenden Klinik-Beschäftigten und -Managern im historischen Innenhof des frei-gemeinnützigen Hauses „unterhaken“ und ihre Position voll unterstützen. Bisher, so die Grünen-Politikerin, habe der Bund keine Bereitschaft gezeigt, auf die Alarmrufe der Krankenhäuser einzugehen, die die Deutsche Krankenhausgesellschaft seit Wochen in einer Kampagne verbreitet.

Brit Ismer, die Vorstandsvorsitzende der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) und Kaufmännische Direktorin des Jüdischen Krankenhauses, beschrieb die Notlage, in die die deutschen Krankenhäuser „unverschuldet“ geraten seien. „Wir haben gigantische Kostensteigerungen, die wir nicht ausgleichen können“, sagte Ismer.

Krankenhäuser fordern vom Bund einen „sofortigen Inflationsausgleich“

Deswegen forderten die Krankenhäuser einen „sofortigen Inflationsausgleich und weitere Corona-Hilfen“. Schon jetzt bewerteten 39 Prozent der deutschen Krankenhäuser ihre Liquiditätslage als kritisch, zitierte sie eine deutschlandweite Umfrage. „Die Versorgungssicherheit ist in Gefahr“, sagte Ismer.

Denn die Lage der Krankenhäuser unterscheidet sich stark von der anderer Unternehmen. Andere Branchen könnten Kostensteigerungen zumindest zum Teil durch höhere Preise an ihre Kunden weitergeben. Klinken könnten das nicht. „Unsere Preise sind gesetzlich gedeckelt“, sagte die Managerin des Jüdischen Krankenhauses. In diesem Jahr bedeute das ein Plus von zweieinhalb Prozent, während die Inflationsrate bei fast zehn Prozent liegt.

Erlöse wegen Corona-Folgen niedriger als vor der Pandemie

Zudem lägen die Erlöse wegen der Corona-Folgen immer noch niedriger als vor der Pandemie. „Es tut sich eine gewaltige Lücke auf zwischen Einnahmen und Ausgaben“, warnte Ismer. Die Sachkosten aller Berliner Krankenhäuser würden in diesem Jahr um 100 Millionen Euro steigen, im kommenden Jahr dann um 300 Millionen.

Kurzfristig etwa mit Energiesparmaßnahmen gegenzusteuern, sei nur sehr begrenzt möglich. Auch wegen der unterlassenen Krankenhausinvestitionen des Landes Berlin arbeite man „in alten Gebäuden“, so die BKG-Vorsitzende. Es sei auch nicht möglich, die OP-Lüftungen abzustellen, CTs nicht zu nutzen oder die Patientenzimmer nicht zu heizen.

Alexander Grafe, der Geschäftsführer der Alexianer St. Hedwig Kliniken Berlin schilderte, die Lage in seinen beiden Häusern, dem St. Hedwig in Mitte und Hedwigshöhe in Grünau mit zusammen 1000 Betten. Noch immer präge Corona den Klinikalltag „massiv“, so der Chef des katholischen Trägers. Die strengen Hygieneauflagen gelten weiter, obwohl die Bundesregierung ab dem kommenden Jahr überhaupt keine Ausgleichszahlungen mehr plane. Immer wieder müssten Betten, Zimmer oder ganze Stationen aus Gründen des Infektionsschutzes geschlossen werden.

Jeden Tag würden Patienten, die für planbare Operationen oder Behandlungen einbestellt seien, wegen Corona-Infektionen absagen. Zudem seien die Krankenstände in den Belegschaften auf einem „historischen Höchststand“, sagte Grafe. Sie lägen unter den Pflegekräften um 50 bis 100 Prozent höher als vor der Pandemie. In der Folge müsse auch St. Hedwig immer wieder Stationen wegen fehlendem Personal gesperrt bleiben.

Krankenhausmanager erwarten für 2023 gigantische Defizite

Der Krankenhausmanager rechnete vor, was das für seine Häuser bedeutet. 180 Millionen Euro setze sein Unternehmen pro Jahr um. 2022 gebe es ein „Erlösdefizit“ von 13 Millionen Euro. Davon würden in diesem Jahr elf Millionen durch den Bund ausgeglichen, es bleibe aber ein Minus von zwei Millionen Euro übrig. Die Sachkosten würden 2022 von 66 auf 70 Millionen Euro steigen. Insgesamt bleibe ein Delta von sechs Millionen bei den Alexianern hängen.

Im nächsten Jahr wird es schlimmer. Er erwarte ein Erlösdefizit von zehn Millionen und eine weitere Steigerung der Sachkosten um acht Millionen Euro. Macht 18 Millionen Euro. „Jeder kann sich denken, was das für ein Haus mit 180 Millionen Jahresumsatz bedeutet“, so Grafe. Da sei der Kampagnen-Slogan „Alarmstufe Rot“ „fast geschmeichelt“.

An die Gesundheitssenatorin hatte der Vertreter der frei-gemeinnützigen Krankenhausträger noch Kritik anzumelden. Er freue sich, dass der rot-grün-rote Senat einen „Schutzschirm“ über die landeseigenen Krankenhäuser spanne und dafür einen dreistelligen Millionenbetrag bereit stelle. „Aber auch die Mitarbeiter der anderen Häuser hätten die Solidarität des Landes Berlin verdient“, sagte Grafe.

Vivantes rechnet mit doppelt so hohen Energiekosten wie bisher

Sorgenfrei blickt aber auch Johannes Danckert nicht auf die Lage, auch wenn er als Chef des landeseigenen Vivantes-Konzerns mit einer Kapitalspritze des Senats rechnen darf. Ein Defizit werde es auch 2022 geben, sagte Danckert, auch wenn die Effekte der Energiepreissteigerungen erst im letzten Quartal spürbar wurden. Für 2023 rechnet er mit einer Verdoppelung der Energiekosten von 30 auf 60 Millionen Euro. Und auch Vivantes fehlten wegen der Corona-Lage weiterhin eingeplante Erlöse.