Berlin. Der Senat beschließt einen Kündigungsschutz für Mieter in Landeswohnungen und appelliert an private Vermieter, dem Beispiel zu folgen.

In Berlin gilt ab Oktober ein Kündigungsmoratorium für die Mieterinnen und Mieter der landeseigenen Wohnungsgesellschaften. Der Schutz gilt auch für Gewerbetreibende. Das beschloss der Senat am Dienstag. „Wir sehen es als entscheidend an, dass die Mieter vor Kündigung geschützt werden“, sagte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung.

Der Kündigungsschutz wegen zu hoher finanzieller Belastungen der Mieter durch die Inflation und steigende Energiepreise gilt vorerst für sechs Monate. Auch bereits ausgesprochene Kündigungen sollen in diesem Zeitraum nicht vollstreckt werden, kündigte Wohnungssenator Andreas Geisel (SPD) an.

Gleichzeitig appellierte der Senat an private Vermieter, dem Beispiel zu folgen. „Private Vermieter sind aufgefordert, sich anzuschließen“, sagte Geisel. Er werde zeitnah mit den Mitgliedern des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Neubau sprechen und sie zu einem entsprechenden Schritt auffordern.

Privaten Vermietern sollen keine Nachteile entstehen

Privaten Vermietern würden dadurch keine Nachteile entstehen, so Geisel. Der Senat treffe die notwendigen Voraussetzungen, unverschuldet in not geratenen Mietern finanzielle Unterstützung zu gewährleisten. Dafür richtet der Senat einen Härtefallfonds ein.

„Das ist keine Aufforderung an Mieter, die Miete nicht mehr zu bezahlen“, sagte Geisel. Es reiche nicht aus, wenn Mieter sich selbst für zahlungsunfähig erklärten. Es müssten Nachweise darüber vorgelegt werden, dass die finanzielle Not durch die Steigerung der Energiepreise entstanden sei.

Dann werde das Land einspringen und nach Lösungen suchen. Dazu gehöre zum Beispiel, dass Mietzahlungen gestundet werden, Ratenzahlung vereinbart werde, oder sogar ein Mietverzicht ausgesprochen werde.

Geisel kündigt Treffen mit Vonovia an

Berlins Bausenator Andreas Geisel (SPD).
Berlins Bausenator Andreas Geisel (SPD). © dpa | Jörg Carstensen

Geisel kündigte an, sich umgehend mit dem größten privaten Vermieter Vonovia treffen zu wollen. Vonovia hatte am Dienstag nicht ausgeschlossen, Mieter wegen anhaltender Zahlungsrückstände die Wohnung kündigen zu wollen.

„Das mag bundesweit gelten“, sagte Geisel. „In Berlin werden wir darüber Gespräche führen.“ Auch die privaten Vermieter sollten sich des Themas annehmen. Den Berliner Mieterinnen und Mietern müssten angesichts der gegenwärtigen Krisen existenzielle Sorgen genommen werden.

Vonovia ist, wie zahlreiche andere Akteure der Wohnungswirtschaft, in Berlin Partner des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Neubau. Das Bündnis will sich über Schritte verständigen, die Stadt für alle Bevölkerungs- und Einkommensgruppen bezahlbar zu halten.

Bis zu 20 Millionen Energiehilfen Euro pro Monat

Der Senat rechnet damit, dass jeder zehnte Mieter der landeseigenen Wohnungsgesellschaften finanzielle Unterstützung wegen der steigenden Energiepreise benötigt.
Der Senat rechnet damit, dass jeder zehnte Mieter der landeseigenen Wohnungsgesellschaften finanzielle Unterstützung wegen der steigenden Energiepreise benötigt. © dpa | Monika Skolimowska

Wie viel Geld das Land für die Unterstützung in Not geratener Mieter in die Hand nehmen muss, ist nach Angaben Geisels noch unklar. Der Senat geht in einer Modellrechnung davon aus, dass etwa in zehn Prozent der Fälle Energiekostenzuschläge nötig werden, die vom Land mit bis zu 20 Millionen Euro pro Monat getragen werden müssen.

Der Senat hofft allerdings, dass es nicht zu derartigen hohen Energiezuschüssen kommt und setzt darauf, dass der Bund einen Energiepreisdeckel beschließt. Dann würden hohe Nachforderungen gar nicht erst entstehen. Die Ministerpräsidenten werden auf ihrer Sitzung am Mittwoch eine entsprechende Forderung an den Bund stellen.

Auch die genaue Umsetzung der finanziellen Unterstützung ist noch nicht klar. Geisel schloss am Dienstag aus, dass die Wohnungsgesellschaften einen Ausgleich für nicht gezahlte Mieten oder Nebenkosten ihrer Mieter erstattet bekommt. Stattdessen werden die Hilfen wohl an die Betroffenen ausgezahlt, die damit ihre Miet- und Energieschulden begleichen können.

Berlin fordert einen Energiepreisdeckel

„Wir setzen uns dafür ein, dass der Bund einen Energiepreisdeckel einführt“, sagte Giffey einen Tag vor der Konferenz. „Das bringt echte Verlässlichkeit und Planbarkeit.“ Gleichzeitig werde sich Berlin dafür einsetzen, dass die umstrittene Gasumlage abgeschafft werde.

Vor allem die Wirtschaft benötigt aus Sicht der Regierenden Bürgermeisterin verlässliche Rahmenbedingungen, um die Krise bewältigen zu können. „Die Wirtschaft muss vor einer Pleitewelle und Arbeitslosigkeit geschützt werden“, sagte Giffey. „Das muss Priorität haben, damit der in den vergangenen Jahren erreichte Wohlstand nicht verloren geht.“

Berlin ist das erste Bundesland, dass flankierend zu den vom Bund angekündigten Hilfspaketen ein eigenes Hilfsprogramm auf den Weg bringt. Als erste Maßnahme dafür hat der Senat die Einführung eines 29-Euro-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr beschlossen, das ab Oktober für drei Monate gilt.

Kündigungsschutz gilt ab Oktober

Das Kündigungsmoratorium für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ist der zweite konkrete Schritt. Der Kündigungsschutz für Mieter und Gewerbetreibende der landeseigenen Wohnungsgesellschaften gilt ebenfalls ab Oktober.

In den kommenden Wochen sollen sowohl Soforthilfen für kleine und mittlere Betriebe nach dem Vorbild der Coronahilfen auf den Weg gebracht werden. Außerdem richtet der Senat einen Härtefallfonds für diejenigen ein, die durch die steigenden Energiepreise in finanzielle Not geraten.

Insgesamt will Berlin die Hilfspakete des Bundes mit eigenen Mitteln in Höhe von 800 Millionen Euro bis 1,5 Milliarden Euro unterstützen. „Wir tragen unseren Beitrag in Abstimmung mit dem Bund“, sagte Giffey. „Aber es braucht noch weitere Schritte der Bundesregierung, um Planbarkeit zu erreichen.“