Berlin. Am 28. September diskutieren Experten mit Lesern und Leserinnen der Morgenpost über die Bau- und Mietenpolitik in Berlin.
„Wohnen ist ein Menschenrecht“, sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) kürzlich in Berlin. Und setzte hinzu, es sei „die soziale Frage unserer Zeit“. Eine Frage, die Hunderttausende Menschen in Berlin umtreibt – weil sie keine Wohnung haben oder dringend eine andere Bleibe suchen, aber keine finden. Oder weil sie Angst haben, sich ihre Wohnung angesichts steigender Mieten und Nebenkosten bald nicht mehr leisten zu können.
Die einen beklagen, es werde zu wenig gebaut, andere befürchten, dass Grünflächen für Wohnhäuser geopfert werden. Die Schere wird größer: Zwischen denen, die in einer Wohnung mit einer Nettokaltmiete unter sieben Euro pro Quadratmeter leben und denen, die bei ihrer Wohnungssuche nur Angebote jenseits von zwölf Euro bekommen. Zwischen denen, die sich solche Mieten noch irgendwie leisten können und denen, die es nicht können. Das Thema Wohnen hat viele Aspekte und ist mit den unterschiedlichsten politischen Positionen verknüpft. Eines aber ist sicher: Es zählt zu den heißesten Eisen der Stadt.
Leserforum zur Wohnungsnot: Informationen aus erster Hand
Den zentralen Fragen zum Thema Wohnen wollen wir in einem Leserforum nachgehen. Die Berliner Morgenpost hat nach langer Pandemie-Zwangspause ihre erfolgreiche Reihe „Morgenpost vor Ort“ wieder aufgenommen und bietet ihren Lesern und Leserinnen die Möglichkeit, sich aus erster Hand zu informieren und mit Experten und politisch Verantwortlichen zu diskutieren. „Wohnungsnot in Berlin – Wo ist der Ausweg?“ lautet der Titel der Veranstaltung.
Insbesondere soll es um die Bau-, Mieten- und Stadtentwicklungspolitik in Berlin gehen. Mit welchen Konzepten will die rot-grün-rote Landesregierung den großen Herausforderungen begegnen? Und was setzen Kritiker dem entgegen? Darüber wollen wir bei unserem Leserforum mit unseren Experten und mit Ihnen sprechen. Das Forum beginnt am Mittwoch, 28. September, um 19.30 Uhr im Maison de France am Kurfürstendamm/Uhlandstraße (Charlottenburg) und dauert etwa zwei Stunden.
Auf dem Podium diskutieren: Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (SPD); Maren Kern, Vorstand des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU); Stefan Evers, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus; Ulrike Hamann, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins und Isabell Jürgens, Redakteurin für Stadtentwicklung der Berliner Morgenpost. Moderator des Abends ist wieder Hajo Schumacher, Chefkolumnist der Funke-Mediengruppe, zu der auch die Berliner Morgenpost gehört. Nach der rund 60 Minuten langen Podiumsdiskussion können die Gäste im Publikum Fragen stellen und sich in die Diskussion einschalten. Die Teilnahme ist kostenlos, die Leser und Leserinnen müssen sich aber zuvor in unserer Redaktion anmelden. Die Kontaktdaten stehen unten am Ende dieses Textes.
Hilft der Staat, wenn die Heizkosten zu hoch werden?
Viele Berlinerinnen und Berliner sehen dem Winter sorgenvoll entgegen: Wie sehr werden die Kosten für Heizung und Warmwasser steigen? Werden wir uns unsere Wohnung noch leisten können? Und hilft uns der Staat, wenn wir es nicht schaffen? Der Bund hat ein Entlastungspaket im Umfang von 65 Milliarden Euro beschlossen, aber die Details sind noch unklar. Berlin hat als erstes Bundesland zusätzlich ein eigenes Hilfspaket geschnürt, das bis zu 1,5 Milliarden Euro umfassen soll.
Das Berliner Paket sieht unter anderem eine Energiekosten-Unterstützung für öffentliche Institutionen wie Kitas, Schulen und Bibliotheken sowie Soforthilfen für Unternehmen mit Liquiditätsengpässen vor. Und die Privathaushalte? Für sie wurden ein Kündigungsmoratorium bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und ein Härtefallfonds beschlossen. Über den Fonds will das Land Berlin Energieschulden übernehmen, um den Verlust der Wohnung zu vermeiden sowie Energiekostenzuschüsse für Geringverdiener ausreichen. Das Geld müssen die Betroffenen beantragen.
Energiekosten-Zuschüsse für Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins
Aber wer gilt als Geringverdiener? Analog zum Wohnberechtigungsschein „WBS 80+“ soll die Zuschuss-Grenze nach den Plänen der rot-grün-roten Koalition zum Beispiel für Zwei-Personen-Haushalte bei einem Bruttogehalt von 32.400 Euro pro Jahr liegen. Für jede weitere Person kommen 7300 Euro hinzu. Davon können sicherlich viele Arbeitnehmer profitieren. Aber etliche Familien, die die steigenden Energiekosten ebenfalls vor Probleme stellen, werden leer ausgehen. Wie hoch der Zuschuss ausfallen wird, ist noch offen,
Doch die Angst vor dem Energiepreisschock ist beileibe nicht die einzige Herausforderung am Wohnungsmarkt. Mietsteigerungen und das Problem, eine bezahlbare Wohnung zu finden, kommen hinzu. Bei Wiedervermietungen wurde 2021 laut Investitionsbank Berlin im Durchschnitt eine Nettokaltmiete von 10,55 Euro pro Quadratmeter verlangt. Bei Neubauten lag diese schon bei 16,62 Euro. Das können viele nicht mehr bezahlen – andere schon. Diese Schere birgt sozialen Konfliktstoff.
Berlin wächst um 100.000 Einwohner -- Das verschärft die Wohnungsnot
Eine Vergrößerung des Angebots durch Neubauten soll die Nachfrage regulieren und preisdämpfend wirken. Außerdem wächst Berlin wieder, um 100.000 Menschen in den nächsten Jahren, auch deshalb werden weitere Wohnungen benötigt. Doch der Neubau bleibt hinter den Zielzahlen des Senats zurück.
200.000 Wohnungen sollen bis 2030 in Berlin gebaut werden, darauf hatten sich SPD, Grüne und Linke in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt. Das sind rechnerisch 20.000 pro Jahr. Ob das dauerhaft zu schaffen ist, bleibt fraglich. Trotz der steigenden Nachfrage nach Wohnungen, insbesondere im preisgünstigen Segment, werden in Berlin seit fünf Jahren immer weniger Baugenehmigungen erteilt.
Geisel: "Zeit- und Mengenproblem am Wohnungsmarkt"
„Wir haben ein Zeit- und Mengenproblem“, bilanzierte Bausenator Andreas Geisel kürzlich. Dem soll mit Dachgeschoss-Ausbau, Verdichtungen und Neubaugebieten begegnet werden. Geisel bekannte sich dazu, dass in Zukunft höher und dichter gebaut werden müsse. Sonst sei das Ziel, dringend benötigten preisgünstigen Wohnraum zu schaffen, aber bis 2030 rechnerisch keine weiteren Flächen zu versiegeln, nicht zu erreichen. Bauvorhaben verzögern sich auch oft, weil die vorgeschriebenen Grün-Ausgleichsflächen fehlen.
Geisel hält allerdings optimistisch an den Neubauzielen bis 2030 fest.Linear – 20.000 Wohnungen pro Jahr – lasse sich zwar das Ziel nicht erreichen, doch könne der Rückstand aufgeholt werden, „schon deshalb, weil Instrumente, die wir jetzt neu einführen, erst später ihre Wirkung entfalten“, so Geisel.
Beleg des Mangels: 3000 Bewerber für 111 Wohnungen
Eine Zahl verdeutlicht die Misere, wie schwierig es ist, in Berlin eine preisgünstige Wohnung zu bekommen: Für 111 Wohnungen, die die landeseigene Gesellschaft Gewobag am Charlottenburger Spreeufer baut, haben sich 3000 Bewerber angemeldet. Die Hälfte der Wohnungen wird mietpreisgebunden zwischen 6,50 und 6,70 Euro pro Quadratmeter nettokalt abgegeben.
Deshalb rät Ulrike Hamann vom Mieterverein, nicht nur auf die bloßen Fertigstellungszahlen zu schauen. „Der teure Neubau löst das Problem nicht“, warnt sie. Und CDU-Politiker Stefan Evers mahnt, bei allen Neubauerfordernissen nicht die Stadtentwicklungspolitik zu vernachlässigen. „Wir brauchen lebenswerte, lebendige Stadtquartiere“, sagt er.
Senatskommission schafft Baurecht für 10.000 neue Wohnungen
Für Verzögerungen in der Planungsphase sorgen auch Konflikte zwischen beteiligten Verwaltungen. Um diese schneller zu lösen, hat die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) die „Senatskommission Wohnungsbau“ ins Leben gerufen. Dort sei seit Jahresbeginn bereits für 10.000 neue Wohnungen Planungsrecht geschaffen worden, erklärte Geisel. Aber reicht das aus, oder braucht Berlin eine grundlegende Verwaltungsreform?
Weitere Reizthemen sind die Enteignungsinitiative, der Mietspiegel, und die Bauordnung. Ist eine Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände rechtlich haltbar? Ist sie wirtschaftlich sinnvoll? Der jetzige Mietspiegel läuft aus, eine Neuauflage steht wegen Rechtsstreitigkeiten auf der Kippe. Drohen nun starke Mietsteigerungen?
Die Bauordnung muss novelliert werden, etwa um Typenbauten zu beschleunigen. Andererseits fragen Kritiker, ob sie nicht das Ziel verfehlt, Energieeffizienz für den Klimaschutz zu schaffen sondern das Bauen nur verteuert. Es gibt also eine Menge zu besprechen beim Leserforum am 28. September. Kommen Sie ins Maison de France und reden Sie mit!
Leserforum: So können Sie sich anmelden
Das Leserforum „Morgenpost vor Ort“ zur Bau- und Mietenpolitik in Berlin beginnt am Mittwoch, 28. September, um 19.30 Uhr im Maison de France, Kurfürstendamm 211, Ecke Uhlandstraße (Saal Boris Vian, 4. Etage). Es dauert etwa zwei Stunden. Die Teilnahme ist für unsere Leser und Leserinnen kostenlos.
Voraussetzung zur Teilnahme ist eine Anmeldung in unserer Redaktion unter dem Kennwort „Morgenpost vor Ort“. Das geht ganz einfach per E-Mail an die Adresse aktionen@morgenpost.de, per Fax an die Nummer 030/8872 77967 oder per Postkarte/Brief an die Berliner Morgenpost, Redaktion Lokales, Kurfürstendamm 21, 10719 Berlin. Teilen Sie uns bitte mit, wie viele Plätze Sie benötigen. Abonnenten der Berliner Morgenpost können gern ihre Abonummer dazuschreiben, sie werden bei der Platzvergabe bevorzugt berücksichtigt.
Alle Anmeldungen werden nach Eingang bearbeitet und müssen spätestens bis Sonntag, 25. September, 19 Uhr, in der Redaktion vorliegen. Der Zugang zum Leserforum ist nur mit einer schriftlichen Bestätigung Ihrer Anmeldung durch die Redaktion möglich. Wir berücksichtigen die zum Zeitpunkt der Veranstaltung geltenden gesetzlichen Vorschriften zur Eindämmung des Coronavirus und Hygienemaßnahmen vor Ort.
Das Maison de France ist sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Der U-Bahnhof Uhlandstraße (U1) liegt vor der Tür, der U-Bahnhof Kurfürstendamm(U1, U9) ist nur wenige Gehminuten entfernt. Auf dem Kudamm fahren etliche BVG-Buslinien, etwa X 10, M19, M29, 109, 110 (Haltestelle Uhlandstraße). Kostenpflichtige Parkplätze gibt es in umliegenden Parkhäusern.
Diese sechs Experten sitzen auf dem Podium

Andreas Geisel (56) ist seit Dezember 2021 Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Zuvor leitete der SPD-Politiker als Senator die Ressorts Inneres und Sport (2016 bis 2021) sowie Stadtentwicklung und Umwelt (2014 bis 2016). Zuvor war der Betriebswirt und Diplom-Ökonom Stadtrat (seit 1995) und Bezirksbürgermeister (seit 2011) in Lichtenberg.

Maren Kern (64) ist seit 1990 beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) tätig, seit 2009 ist sie Vorstand des Verbandes. Zuvor studierte sie Jura an der Universität Münster und parallel Architektur an einer Fachhochschule. Der BBU hat 350 Mitglieder, die in der Region insgesamt rund 1,1 Millionen Wohnungen bewirtschaften.

Stefan Evers (42) gehört seit 2011 dem Berliner Abgeordnetenhaus an und ist seitdem stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, seit September 2018 auch deren Parlamentarischer Geschäftsführer. Im Dezember 2016 wurde er zudem Generalsekretär der Berliner CDU. Evers hat an der Universität Potsdam Rechtswissenschaften studiert und lebt seit 1999 in Berlin.

Ulrike Hamann (47) ist seit Juni dieses Jahres Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins. Sie studierte Europäische Ethnologie, Sozial- und Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universität und promovierte in Frankfurt/Main in Politikwissenschaft. Von 2016 bis 2020 leitete sie an der HU mehrere Forschungsprojekte, anschließend war sie Vorständin der Wohnraumversorgung Berlin.

Isabell Jürgens (56) ist Redakteurin der Berliner Morgenpost und vor allem für die Berichterstattung über Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Mietenpolitik zuständig. Sie hat Germanistik und Geschichte in Hannover sowie in Berlin an der Freien und Humboldt-Universität studiert. Seit 1988 lebt sie in Berlin und gehört seit 1993 der Morgenpost-Redaktion an.

Hajo Schumacher (58), Chefkolumnist der Funke-Mediengruppe und Morgenpost-Autor, moderiert die Diskussionsrunde. Der aus Münster stammende Journalist und Politikwissenschaftler arbeitet auch für Magazine, Hörfunk, Online-Medien und TV. Hajo Schumacher ist zudem Verfasser etlicher Bücher, zum Beispiel „Männerspagat“ und „Kein Netz! – Wie wir unser wirkliches Leben zurückerobern“.