Berlin. Die Energiekrise trifft Deutschland mit ganzer Härte. Eine ganze Reihe von Unternehmen leidet unter den stark gestiegenen Preisen für Strom und Gas. Kein Wunder, dass Alternativen wie Wasserstoff in den Fokus rücken. Bislang gibt es hierzulande aber weder größere Mengen zu wettbewerbsfähigen Preisen noch die erforderlichen Lager- und Verteilnetze. Auf dem Markt mischt nun auch das Berliner Unternehmen HH2E mit, das seinen Hauptsitz in der Urban Tech Republic auf dem Gelände des früheren Flughafens Tegel hat.
Doch die Geschichte von HH2E soll in Lubmin seinen Lauf nehmen. In der kleinen Küstengemeinde Mecklenburg-Vorpommerns haben die Berliner große Pläne – und sich dafür Unterstützung durch einen Partner aus der Schweiz geholt. Das Energieunternehmen MET-Group hilft mit ein wenig Know-how und mit noch mehr Geld.
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Berliner Start-up HH2E: 200 Millionen Gesamtinvestition
Dort, wo heute die beiden umstrittenen Nordstream-Pipelines aus Russland ankommen, will das Konsortium ein großes Wasserstoffkraftwerk bauen. Schon im nächsten Jahr soll begonnen werden. Die Inbetriebnahme ist für 2025 geplant. 200 Millionen Euro beträgt die Gesamtinvestition, wie HH2E-Mitgründer Alexander Voigt am Dienstag bei dem Unternehmertreffen des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) in Kooperation mit der Berliner Morgenpost sagte.
HH2E – das stehe für Hitze, Wasserstoff und Elektrizität, sagte Ina Hahndorf, Leiterin Projektkoordination bei dem Start-up. In Lubmin will das Unternehmen Wind- und Sonnenstrom aus der Umgebung einkaufen und in einem Hochtemperaturspeicher zwischenlagern. Anschließend soll die Energie als Prozessdampf, grüner Wasserstoff oder direkt als Strom an die lokale Industrie und später auch an Kommunen verkauft werden. Ein wichtiger Baustein ist die sogenannte Zink-Zwischenschritt-Elektrolyse, erklärte Ina Hahndorf. Diese sorge dafür, dass sich die schwankende Strommenge kontrolliert entlade und Wasserstoff auch dann produziert werden könne, wenn keine Energie mehr zugeführt werde.
Nachnutzung eines ehemaligen Kernkraftwerks
Vor allem der regionale Ansatz ist dem jungen Unternehmen wichtig. Lokalität habe sich auch international zu einem der fünf wichtigsten Standortfaktoren gewandelt. Lokal produzierter Wasserstoff sorge für Unabhängigkeit, er müsse zudem nicht über lange Pipelines erst nach Deutschland gebracht werden. Europa habe, so Mitgründer Voigt, großes Potenzial für Solarfelder und Windparks. Dafür müsste sich der Staat aber deutlicher zu dem Thema Erneuerbare Energien und auch Wasserstoff positionieren. Das stehe aus seiner Sicht noch aus, sagte Voigt. Generell sprach er sich aber für eine geringere staatliche Einmischung aus: „Ich glaube, was wahnsinnig wichtig ist, ist dass man die Ziele richtig setzt und es ein Stückweit der Wirtschaft überlässt, die Lösungen dafür zu finden.“
Neben Lubmin hat HH2E weitere Standorte für Wasserstoffkraftwerke in Planung. Dabei setze man auf bereits bestehende, aber möglicherweise vergessene frühere Orte, an denen einst Energie erzeugt wurde. In der Küstengemeinde in Mecklenburg-Vorpommern ist das zum Beispiel ein ehemaliges Kernkraftwerk. Der Vorteil solcher Nachnutzung sei, dass keine neuen Flächen versiegelt werden müssten und viele der relevanten Netzanschlüsse bereits vorhanden seien, so Hahndorf. Weiter sei die Genehmigungssituation eine leichtere, und benötigte Infrastruktur sei häufig schon vorhanden, erklärte die Projektkoordinatorin.
Ein „gesellschaftlicher Aufbruch“
Bei HH2E hat sich in illustres Gründerteam zusammengefunden. Darunter sind neben Alexander Voigt und Hahndorf auch der frühere Chef des Düsseldorfer Kraftwerkkonzerns Uniper, Andreas Schierenbeck. Mitgründer Voigt hatte einst die deutsche Solarindustrie mit aus der Taufe gehoben – und wenig später auch den Niedergang des deutschen Solarwunders miterlebt. Wegen deutlich geringerer Produktionskosten in China waren nach und nach deutsche Produzenten in Schieflage geraten. Voigt ist daran gelegen, diese Entwicklung mit dem Thema Wasserstoff nicht zu wiederholen. Das sei auch unwahrscheinlich, glaubt er. Die ihm vorschwebenden Netzwerklösungen könnten nicht so einfach kopiert werden. Darüber hinaus begreife er den Energieträger Wasserstoff auch als Teil eines „gesellschaftlichen Aufbruchs“. „Und den kann nicht so einfach irgendjemand platt machen“, sagte Voigt.
Auch in Berlin spricht die Politik über den Einsatz von Wasserstoff. Das Land hat dafür auch Mittel im Haushalt bereit gestellt. Langfristig könnte der Energieträger auch für die Berliner Verbraucher eine Rolle spielen: Wasserstoff könne unterstützen, so Ina Hahndorf. Die deutsche Hauptstadt habe den Vorteil, dass sie mit dem Fernwärmenetz schon über eine passende Infrastruktur verfüge.