Berlin. Laut einer Studie der Freien Universität können Städte das Insektensterben erheblich verringer, wenn sie Grünflächen wachsen lassen.

Das Gras steht hoch auf den Mittelstreifen der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain und der Otto-Suhr-Allee in Charlottenburg Wilmersdorf. Wildblumen wuchern an der Lucy-Lameck-Straße in Neukölln und im Nelly-Sachs-Park in Schöneberg-Tempelhof. Auch wenn es vielleicht nicht so aussieht: Genauso soll es sein.

Die Flächen gehören zu dem Projekt „Berlin blüht auf“, das es seit 2018 in Berlin gibt. Finanziert wurde es von der Senatsumweltverwaltung und der Deutschen Wildtier Stiftung. Mittlerweile beteiligen sich alle Bezirke. Es gibt 70 Projektflächen berlinweit.

Meta-Analyse der Freien Universität

Auch die BVG setzt auf grüne Gleisbettung: Dem damaligen Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese zufolge waren 2020 von insgesamt 194 Kilometern Schienen 58 Kilometer mit Rasen bestückt und weitere vier Kilometer mit „Fetter Henne“ (Sedum) bepflanzt. Knapp ein Drittel aller Strecken in Berlin ist somit ökologisch aufgewertet.

Ein Kooperationsprojekt von „Berlin blüht auf“ ist der „Blühende Campus“ der Freien Universität Berlin. Ein Forschungsteam um den Biologie-Professor Jens Rolff hat nun bei einer sogenannten Meta-Analyse, Daten von west- und nordeuropäischen Ländern sowie Nordamerika, mit den Daten des „Blühenden Campus“ der Freien Universität verglichen.

Hohes Gras: Mehr Bienen und Schmetterlinge, weniger Schädlinge

Ergebnis war, dass wuchernde Wiesen die Anzahl an fliegenden Insekten und deren Diversität erheblich steigern. Kurzgemähte Flächen hingegen bieten kaum Lebensraum für flugfähige Insekten. Vor allem Bienen, Wildbienen, Schmetterlingen und Wanzen freuen sich, wenn der Rasen nur zweimal jährlich gemäht wird.

Auch für Forschende überraschend: In wildwachsenden Wiesen gibt es weniger Schadinsekten, wie Wurzelschädlinge oder stechende Insekten, als in kurzgemähten Rasenflächen. Ein weiterer guter Grund, Gras wachsen zu lassen.

Geringer Pflegeaufwand

Nicht nur in ländlichen Gebieten, sondern auch Städte können viel erwirken, so Rolff. „In Berlin machen öffentliche Grünflächen rund 30 Prozent der Fläche aus und bieten damit ein großes Potenzial für den Schutz der biologischen Vielfalt“, sagt der Zoologe.

Öffentliche Grünflächen bienen- und schmetterlingsfreundlich zu gestalten, sei einfach und kostengünstig. Zusätzlich seien die ungemähten Flächen gut für das Mikroklima und der Pflegeaufwand wäre gering, da sie im Gegensatz zu Rasenflächen nicht besprängt werden müssten, so Rolff.

Wildwachsend Wiesen gegen Insektensterben

Und es ist notwendig. „Das weltweite Insektensterben hat ein bedrohliches Ausmaß erreicht“, warnt Sophie Lokatis, Ko-Autorin der Studie und Teil der Initiative „Blühender Campus“.

Rolff ermutigt, auch im eigenen Garten auf häufiges Mähen zu verzichten. Oft käme das Argument, dass es unordentlich aussähe oder unästhetisch sei, so der Wissenschaftler. Doch der Initiative „Blühender Campus“ zufolge kommen viele Spaziergänger bewusst zu der Projektfläche, um die wildwachsende Wiese zu bewundern.