Berlin. Die ersten Veränderungen im überlasteten Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr haben noch keine ausreichenden Verbesserungen gebracht. Weiterhin muss die Feuerwehr immer wieder den Ausnahmezustand ausrufen, weil zu viele Notrufe eingehen und es nicht genug besetzte Kranken- und Rettungswagen gibt. Das zeigen die aktuellen Entwicklungen und Zahlen ebenso wie die Einschätzungen der Feuerwehr selbst. Nun will sich das Abgeordnetenhaus am 5. September im Innenausschuss mit der problematischen Situation befassen, kündigte der FDP-Innenpolitiker Björn Jotzo an.
Jotzo sagte, obwohl die Feuerwehr seit Juli zu einigen bestimmten kleineren Verletzungen keine Rettungswagen mehr schicke, sondern an den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärzte oder an Hausärzte verweise, seien inzwischen wieder Höchstwerte bei der Zahl der Krankenfahrten erreicht. Auch Feuerwehr-Sprecher Thomas Kirstein räumte ein: „Die geänderten Codes sind nur ein Puzzleteil von vielen. Weitere Codes kommen noch dazu. Das reicht aber noch nicht.“
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Berliner Feuerwehr: Es wird geklärt, ob ein Notfalleinsatz erforderlich ist
Geht bei der Feuerwehr ein 112-Notruf zu einem verletzten Menschen ein, wird geklärt, ob ein Notfalleinsatz erforderlich ist. Zur Entlastung wurden 14 sogenannte Codes geändert, so dass zu Patienten mit kleineren allergischen Reaktionen, Verbrennungen, Blutungen oder Augenverletzungen kein Rettungswagen mehr fährt. Für diese 14 geänderten Codierungen gab es laut Feuerwehr im vergangenen Jahr 5000 Einsätze, knapp 14 pro Tag. Diese fallen nun weg. Bei mehr als 400.000 Notfalleinsätzen und Krankentransporten im Jahr oder 1150 pro Tag beträgt die Entlastung aber nur etwa ein Prozent.
Das Problem ist schon seit Jahren, dass viele Menschen mit alltäglichen Verletzungen oder Krankheiten die Notrufnummer 112 anrufen und so beim Rettungsdienst der Feuerwehr auch viele Bagatellfälle landen. Sind dann 80 Prozent der Krankenwagen unterwegs, wird der Ausnahmezustand ausgerufen. 2020 war das laut Jotzo 64 Mal der Fall, 2021 verdreifachte sich die Zahl auf 178. Im laufenden Jahr gab es noch einen weiteren Anstieg.
Die Feuerwehr leidet auch vor allem am Wochenende und nachts unter den überfüllten Rettungsstellen in den Krankenhäusern. Rettungswagen müssen dann mitunter weiter entfernte Krankenhäuser anfahren und verlieren so viel Zeit.
Berliner Feuerwehr: Partyleben ist ein „massives Problem“
Das Partyleben und vor allem der viele Alkohol und die Drogen seien ein „massives Problem“, heißt es von der Feuerwehr. In den Wochenend-Nächten gibt es zahlreiche Notrufe wegen Verletzungen durch Stürze und Schlägereien betrunkener Menschen oder nach Alkoholvergiftungen. Zwar rühmt sich der Senat immer mit dem beliebten Berliner Nachtleben - aber die durchgehend geöffneten „Spätis“ mit dem billigen Alkohol, vielfach leicht erhältliche Drogen und die vielen Party-Touristen sind ein Teil der großen Schwierigkeiten, die die Feuerwehr hat.
Feuerwehr-Sprecher Kirstein sagte: „Das große Problem ist das Personal, das fehlt, also die Notfallsanitäter. Und die Ausbildung von Nachwuchs dauert.“ Von den 140 Rettungswagen könnten dann in den Wochenend-Nächten deutlich weniger besetzt werden. „Die vergangene Samstagnacht sei schon herausfordernd gewesen.“ Es gebe auch kurze Phasen, in denen kein Rettungswagen zur Verfügung stehe. „Aber wenn es um Lebensgefahr geht, schicken wir immer sofort jemanden, zur Not auch ein Löschfahrzeug mit Besatzung.“
Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft hatte scharf kritisiert, dass der vergangene Samstag „von einer Dramatik geprägt, wie sie ihresgleichen sucht“. Weiter hieß es: „Teilweise konnten an diesem Abend dringlichste Einsätze nicht sofort beschickt werden. Bis zu sieben Minuten lang gab es keinen einzigen Rettungswagen mehr.“
Kirstein betonte, es gebe ständige Beratungen mit der Senatsinnenverwaltung über Veränderungen etwa durch flexiblere Dienstzeiten und man komme gut voran. „Aber das geht nicht von heute auf morgen.“