Berlin. Eine neue Berechnung offenbart eine dramatische Entwicklung in Berlin. Die IHK schlägt vor, wie darauf reagiert werden müsste.

Der Fachkräfteengpass in der deutschen Hauptstadt dürfte einer neuen Prognose zufolge im nächsten Jahrzehnt auf dramatische Weise weiter anziehen. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Berechnung des Wirtschaftsforschungsinstitut WifOR und der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin hervor.

Demnach wird im Jahr 2035 der Fachkräfteengpass voraussichtlich auf 414.000 Personen gestiegen sein und wäre damit viermal höher als derzeit. 2022 fehlen den Berechnungen zufolge bereits rund 100.000 Fachkräfte, um die Nachfrage nach Personal über alle Branchen hinweg bedienen zu können.

„Der Fachkräftemangel macht sich in diesem Jahr so stark bemerkbar, wie nie zuvor. Für viele Betriebe hat sich die Personalsuche in den letzten Jahren zusätzlich erschwert. Und die Berechnungen unseres Fachkräftemonitors, in dem wir als einzige in Berlin Angebot und Nachfrage nach Fachkräften abbilden, belegen, dass es in den nächsten Jahren wohl noch schlimmer kommen wird“, sagte IHK-Präsident Sebastian Stietzel laut Mitteilung. Mit Blick auf die prognostizierte Vervierfachung des Fachkräfteengpasses bis 2035 erklärte er weiter, verantwortlich dafür seien der demografische Wandel und eine lange viel zu restriktive Einwanderungspolitik.

Bei akademischen Qualifikationen wird jede dritte Stelle in Berlin frei bleiben

Den Berechnungen zufolge werden dem Arbeitsmarkt im Jahr 2035 voraussichtlich 434.000 Fachkräfte weniger zur Verfügung stehen als heute. Die unternehmensseitige Nachfrage wird bis 2035 zwar ebenfalls sinken, jedoch nur um rund 122.000 Fachkräfte. Besonders ab Mitte der 2020er-Jahre wird sich der Engpass laut IHK noch mal deutlich verschärfen. Gründe hierfür sind der Renteneintritt der „Babyboomer“-Generation sowie eine sinkende Anzahl an jüngeren Beschäftigten.

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Bei den beruflich Qualifizierten wird sich der Engpass dem Szenario zufolge zwischen 2026 und 2030 auf 213.000 verdoppeln, ehe er im Jahr 2035 die Höchstmarke von 343.000 fehlenden Fachkräften erreichen wird. Hinzu kommen fehlende Akademiker: Bei den studierten Fachkräften wird der Engpass in Zukunft besonders hoch liegen. Jede dritte nachgefragte Stelle, für die eine akademische Qualifikation vorausgesetzt wird, wird 2035 nicht besetzt werden können, hieß es.

Ältere Beschäftigte und mehr Frauen auf dem Berliner Arbeitsmarkt im Jahr 2035

Laut IHK-Fachkräftemonitor werden die Beschäftigten in Berlin bis 2035 auch immer älter: Das Durchschnittsalter wird von aktuell 45,8 Jahre auf 48,9 Jahre steigen, bei Akademikerinnen und Akademikern sogar auf 51,3 Jahre. Und auch der Frauenanteil wächst laut den Berechnungen: Sind heute 50,5 Prozent aller Fachkräfte in Berlin Frauen, werden es 2035 voraussichtlich 53,3 Prozent sein. Ein Grund dafür sind die schon heute existierenden Nachwuchsprobleme: Vier von zehn Berliner Unternehmen konnten jüngst angebotene Ausbildungsplätze nicht besetzen.

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Als mögliche Linderungsvorschläge regte die IHK an, das Kompetenzniveau an Schulen dringend anzuheben. Zudem müsse die Quote an Schulabgängern ohne Abschluss sowie die Vernetzung mit Unternehmen durch Praktika verbessert werden. Gleichzeitig müssten bürokratische Prozesse zur Einwanderung von Fachkräften auf allen Ebenen beschleunigt und Orientierungs- und Beratungshilfen zur Weiterbildung in Unternehmen systematisch ausgebaut werden, so die Kammer.