Wissenschaftscampus

Am nächsten Biotech-Booster aus Buch wird gearbeitet

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Staatssekretär Michael Biel (SPD) und Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) am Mittwoch mit Unternehmerin Elisa Kieback (v.l.) in einem Labor auf dem Campus Berlin-Buch.

Staatssekretär Michael Biel (SPD) und Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) am Mittwoch mit Unternehmerin Elisa Kieback (v.l.) in einem Labor auf dem Campus Berlin-Buch.

Foto: Maurizio Gambarini / FUNKE Foto Services

Der Campus in Buch ist ein Zentrum der Biotech-Forschung. Künftig sollen deutlich mehr Erkenntnisse den Weg in die Wirtschaft finden.

Berlin.  Unter den forschenden Wissenschaftlern Deutschlands wird so etwas wie eine Biontech-Legende erzählt: Das Mainzer Impfstoff-Unternehmen, das durch das Covid-19-Vakzin weltweit groß rausgekommen ist, gilt besonders wissenschaftsintern als Vorbild. Eine auf inländischer Forschung basierende Entwicklung und eben keine aus dem traditionell starken Biotech-Standort USA hat es endlich einmal zu Weltruhm gebracht – Milliardengewinne inklusive.

Auch viele der jungen Wissenschaftler und Start-ups, die auf dem Campus Berlin-Buch an Innovationen arbeiten, streben danach, was Biontech in den vergangenen Pandemie-Jahren erreicht hat. Mehr als 3000 Beschäftigte aus 60 Nationen arbeiten auf dem 32 Hektar großen Areal an echten Zukunftsthemen, die Menschen künftig medizinisch helfen sollen. Campus-Chefin Christina Quensel bleibt am Mittwochvormittag im Eingangsbereich eines Hauses stehen, um Berlins Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) den Standort zu erklären.

Campus Berlin-Buch: Wo aus Wissenschaft Wirtschaft wird

Alles was blau markiert ist, sei die Grundlagenforschung, sagt Quensel dann. Grüne Farbe stehe für klinische Forschung und die blauen Flächen des Lageplans seien die Unternehmen, darunter auch international anerkannte Spezialisten wie der Radioisotope-Hersteller Eckert & Ziegler. Schwarz, dem der Campus, der zu den Berliner Zukunftsorten gehört, vertraut ist, sagt, er glaube an Orte, wo Menschen zusammen kommen. Das Profil des Campus müsse weiter entwickelt werden. Schwarz hofft also auf einen Biotech-Booster aus Buch.

Vieles spricht dafür, dass sich die Forscher hier mit ihren angehenden Ideen bald noch besser auch in das wirtschaftliche Geschehen der deutschen Hauptstadt einfinden können. Auf dem Campus entsteht gerade für gut 50 Millionen Euro der neue „BerlinBioCube“. „Das ist der Ort, an dem aus Wissenschaft Wirtschaft wird,“ erklärt Christina Quensel. In dem Gründerzentrum sollen bereits ab 2023 gute Ideen zu jungen Firmen werden. Zu zwei Drittel seien die Flächen bereits reserviert, so Quensel. Das Thema Ausgründungen – also der Übertrag wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Hochschulen oder Forschungseinrichtungen in die Wirtschaft – steht aber auch auf dem Campus Buch noch am Anfang.

T-knife aus Buch therapiert mit T-Zellen Krebspatienten

Das dortige Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) arbeite derzeit daran, sieben Ausgründungen auf den Weg zu bringen, zuvor hätten aus der seit gut 25 Jahren bestehenden Einrichtung lediglich zehn gute Ideen den Weg in ein Unternehmen gefunden, so MDC-Vorstand Thomas Sommer. Das sei allerdings nicht nur ein Problem aus Buch, sondern eines des gesamten Forschungsstandortes Deutschland. Trotz milliardenschweren Summen, die investiert würden, käme zum Beispiel in Sachen Medikamenten nur recht wenig beim Patienten an, unken Kritiker.

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Auf dem Campus in Buch arbeitet man nun daran, das zu ändern. Für einen erfolgreichen Weg aus dem Labor in die Wirtschaft steht Elisa Kieback (41). Sie gründete vor dreieinhalb Jahren das biopharmazeutisches Unternehmen T-knife mit. T-knife entwickelt eine Zelltherapie, mit der Tumor-Erkrankungen behandelt werden können. Dafür nutzt die junge Firma Patienten-eigene T-Zellen und programmiert diese um, verändert sie also genetisch. Mit einem speziellen Rezeptor, der Tumorzellen erkennt, ausgestattet, erhalten krebskranke Patienten diese T-Zellen dann wieder zurück. Im Körper sollen sie dann dafür sorgen, Krebszellen zu eliminieren.

Viel Geld für die Forscher stammt aus den USA

Die T-knife-Technologie basiert auf jahrelanger Forschung am Max-Delbrück-Centrum. Unter anderem mit Versuchen an Mäusen bewiesen die Wissenschaftler, das ihre Entwicklung funktioniert. Inzwischen sind auch internationale Investoren auf die Berliner aufmerksam geworden. Rund 177 Millionen Dollar Kapital konnte T-knife schon einsammeln. Das Geld stammt vor allem aus den USA. Nach San Francisco hat T-knife inzwischen auch seinen Hauptsitz verlegt, die Forschung findet aber weiter in Buch statt.

Mit einem Teil der 80 Mitarbeiter will die junge Firma auch in den „BerlinBioCube“ ziehen, sobald das Gebäude fertig ist. Dass ein großer Teil der Investorengelder aus anderen Ländern stamme, sei aber ein Problem, sagt MDC-Vorstand Sommer. Man müsse viel mehr Werbung bei den deutschen Pharma-Riesen machen, um die ausgegründeten Firmen auch hier zu halten. „Der Sog in die USA ist enorm“, stellt er fest. Von Bayer & Co. erhofft er sich deshalb künftig mehr Engagement.

Senator Schwarz muss sich viele Probleme anhören

Während Schwarz am Mittwoch weiter über den Campus streift, erfährt er auch von anderen Unternehmen auf dem Areal von Problemen und Herausforderungen. Reagenzien-Hersteller emp Biotech berichtet angesichts der weltweit anziehenden Nachfrage etwa über Platzprobleme. Man suche ein Interimsgebäude, bis man 2025 einen neuen Standort im Cleantech Park Marzahn beziehen könne, sagt Firmenchef Uwe Möller.

Die Forscherinnen und Unternehmerinnen Uta Elisabeth Höpken und Verena Schöwel-Wolf berichten auch von langen Wartezeiten bei der Zulassung von neuen biologischen Verfahren oder mit Blick auf die Arbeitssicherheit in den Laboren. Das dafür Berlin zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) nutze zur Verfügung stehende Spielräume nicht immer aus. Das ziehe Zulassungsprozesse in die Länge, heißt es aus dem MDC. Wirtschaftssenator Schwarz verspricht Besserung.

Besser wäre, wenn alles schneller ginge. Doch nicht nur Ämter, sonder auch die Entwicklung neuer Therapien selbst braucht eben Zeit. Uta Elisabeth Höpken arbeitet an einer neuen Therapie zur Behandlung von Blutkrebs. Patienten bekommen dabei modifizierte, eigene Zellen wieder in ihren Körper eingesetzt. Das komme gut an, sagt die Wissenschaftlerin. „Patienten empfinden unsere Methode als nicht so fremd wie etwa eine herkömmliche Chemo-Therapie“, so Höpken.

Verena Schöwel-Wolf widmet sich der Behandlung seltener Muskelerkrankungen, die zum Beispiel zu einer angeborenen Inkontinenz führen können. Für die Therapie entnimmt die Medizinerin Muskelgewebe, modifiziert es und setzt es wieder ein, sodass es im Körper wieder zu einem Aufbau von Muskeln kommen kann. „In fünf Jahren wollen wir ein bis zwei zugelassene Produkte haben“, formuliert sie als Ziel.

Schwarz: Eckert & Ziegler sei der „Fixstern“ auf dem Campus Berlin-Buch

Viel, viel weiter ist der Strahlentherapie-Spezialist Eckert & Ziegler. Die Expansion im Ausland ist in vollem Gange. In China entsteht ein neues Werk, gebaut wird aber auch in Prag, Boston und Bueno Aires. Allein im letzten halben Jahr habe man 19 Millionen Euro investiert, sagt Firmenchef Andreas Eckert. Eckert & Ziegler ist in dem wachsenden Markt für Radioisotope tätig. Die von den Berlinern aufbereiteten radioaktiven Komponenten setzen zum Beispiel Pharma-Riesen wie Bayer oder Novartis für ihre Therapien ein. Weil mit den Radioisotopen gezielter gegen Tumorzellen vorgegangen werden kann, nimmt die Anzahl der damit durchgeführten Behandlungen seit Jahren zu. „Wir bauen im Grunde alles außer Bomben und Kernkraft“, sagt Eckert mit Blick auf das strahlende Umfeld seiner Firma.

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957 Mitarbeiter sind mittlerweile für die Berliner weltweit tätig, davon gut 230 am Hauptsitz in Berlin-Buch. Auch hier hat Eckert & Ziegler große Pläne. Ein altes Wäschereigebäude in der Umgebung lässt der Konzern gerade umbauen. Dort soll schon im kommenden Jahr Platz für Eckert & Ziegler selbst, aber auch für potenzielle Kunden der Firma sein. „Wir wollen Flächen an Firmen vermieten und wenn diese selbst groß werden, verkaufen wir ihnen unsere Radioisotope“, sagt Eckert. Für die Pläne und die Entwicklung selbst gibt es auch Lob vom Wirtschaftssenator. Eckert & Ziegler sei so etwas wie der „Fix-Stern“ auf dem Campus Berlin-Buch. „Viele Firmen schauen hin und sagen, da wollen wir auch mal landen“, glaubt Schwarz.