Berlin. Der Berliner Senat erwägt, in diesem Winter Weihnachtsmärkte weniger stark zu beleuchten und die Lichter in Weihnachtsdekorationen dunkel zu lassen. Entsprechende Vorschläge lägen auf dem Tisch, sagte Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung. Dazu zähle auch, das Licht in Schaufenstern und Leuchtreklamen abzuschalten oder auf das Festival of Lights im Herbst zu verzichten.
Allerdings müsse man abwägen, ob man in der Stadt „alle Lichter ausmachen“ und den von der Corona-Pandemie gebeutelten Einzelhändlern das Weihnachtsgeschäft vermiesen wolle. Auch für Gastronomie und Tourismus könne die Energiekrise existenzbedrohend sein. „Das muss auch sozial- und wirtschaftspolitisch entschieden werden“, sagte der Wirtschaftssenator. Am 16. August will der Senat den konkreten Maßnahmenkatalog beschließen. Bis dahin wolle man sich aber nicht an einem Wettbewerb prozentualer Einsparziele beteiligen.
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Berliner verbrauchen statistisch nur ein Drittel so viel Energie wie Menschen im Saarland
Schwarz verwies in der Debatte um die bundesweite Verteilung der Gas-Einsparungen auf die Berliner Ausgangslage. Es könne nicht darum gehen, dass jedes Bundesland etwa seinen Verbrauch um 20 Prozent reduzieren müsse, wie es Baden-Württemberg jüngst als Ziel formulierte, während die Europäische Kommission 15 Prozent für jedes Mitgliedsland vorgegeben habe. In Berlin sei der Energieverbrauch pro Kopf der niedrigste in Deutschland, sagte Schwarz. Die Hauptstädter brauchen pro Kopf nur ein Drittel so viel Energie wie die Saarländer und liegen auch um mehr als 30 Prozent unter dem Durchschnitt der 16 Bundesländer.
„Ich sehe auch Berlin in der Pflicht und appelliere an alle, sich der Pflicht zu stellen“, versicherte Stephan Schwarz: „Wir werden alles tun, um unseren Beitrag zur Einsparung zu leisten.“, versprach er. „Aber das Einsparpotenzial ist bei einem, der in der Liste der größten Energieverbraucher oben stehe und „vielleicht auch ein bisschen verschwenderisch mit Energie umgegangen“ sei, höher als bei einem, der schon ein paar Hausarbeiten gemacht hat“.Schwarz verwies auf die in den 1990er-Jahren erfolgte Sanierung großer Wohnungsbestände vor allem in den Ostbezirken.
Lederer verweist auf soziale Lage: „Wer weniger Geld hat, verbraucht auch weniger“
Kultursenator Klaus Lederer (Linke) führte den Vorsprung Berlins beim Energieverbrauch auch auf die soziale Situation in der vergleichsweise armen Hauptstadt zurück. „Wer weniger Geld hat, verbraucht auch weniger“, sagte der Stellvertreter der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).
Bundesweit könnte es nach diesen Aussagen nun eine Debatte geben in der gefragt wird, ob sich Bewohner einer Zwei-Zimmer-Hochhauswohnung ebenso einschränken müssen wie Eigentümer eines großen Hauses auf dem Land oder in der Vorstadt. Der niedrige Energieverbrauch in Berlin liegt aber auch in einer Wirtschaftsstruktur begründet, in der große Produktionsunternehmen rar sind.
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Noch ist unklar, ob Berlins Schlüsselbranchen IT und Pharma noch Gas bekämen
Gleichwohl müssten auch die Berliner Schlüsselbranchen Digitalwirtschaft mit ihren Rechenzentren und Pharma als energieintensiv gelten. Ob etwa auch den Berliner IT-Firmen das Gas abgedreht wird, falls es zu einer Gasmangellage kommt, kann der Senator nicht beantworten. Die Einsparvorgaben zu verteilen, obliege allein der Bundesnetzagentur. „Ich weiß nicht, wo die Digitalbranche auf der Schließungsliste steht“, sagte Schwarz: „Ich hätte die Antwort auch gerne, aber wir kriegen sie nicht.“ Sicher sei, dass private Haushalte ebenso wie Krankenhäuser, Pflegeheime und andere soziale Infrastruktur geschützt seien. Dazu gehören laut Schwarz „aus Berliner Sicht auch Schulen“, das müsse aber mit dem Bund noch geklärt werden.
Senat hält an Vorbildfunktion fest und will mindestens zehn Prozent sparen
Lederer und Schwarz hoben aber die Vorbildfunktion des öffentlichen Sektors beim Einsparen von Energie hervor. Man bleibe dabei, dass in Behörden und öffentlichen Betrieben mindestens zehn Prozent von Strom und Gas gespart werden sollten. Die Senatoren betonten, die vom Senat eingesetzte Taskforce mit rund 40 Mitgliedern suche überall im öffentlichen Sektor nach Einsparmöglichkeiten.
Man müsse sich die Lage jeweils individuell anschauen, so Kultursenator Lederer. So sei es sicherlich nicht klug, in Museumsdepots die Temperatur zu verändern, weil das Kunstschätze zerstören könnte. Aber In Theatern oder Konzerthäusern sei ein Grad weniger Raumtemperatur sicher möglich, es müsse auch nicht „jede Lampe im Foyer brennen“. Gleichzeitig betonte der Linken-Politiker aber die Funktion öffentlicher Orte gerade für den Fall, dass sich eben viele Menschen keine warme Wohnung mehr leisten könnten. Er sprach von den Bibliotheken als den „Wohnzimmern der Stadt“, wo Leute in der Not zusammenrücken könnten. Hier sei es sicherlich nicht sinnvoll, die Temperatur herunter zu dimmen.