Berlin (dpa/bb). Das Südkreuz ist für Bund und Bahn eine Art Labor für Sicherheitskonzepte. Nun wurden neue Pilotprojekte vorgestellt.
Angesichts steigender Passagier-Zahlen wollen Deutsche Bahn und Bundespolizei die Sicherheit auf Bahnhöfen erhöhen. Dazu werden am Berliner Bahnhof Südkreuz in den kommenden Jahren neue Techniken getestet, die bei Erfolg auch an anderen Stationen eingeführt werden könnten. Dazu gehören die App „SafeNow“ über die in Not-Situationen Hilfe gerufen werden kann, leuchtende Bahnsteigkanten und Künstliche Intelligenz (KI) zur Analyse von Videoaufnahmen. Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender der Bahn, sprach am Donnerstag im Bahnhof Südkreuz von einem „Innovationsort“. „Hier testen wir heute, was morgen im Bereich Sicherheit Standard an unseren Bahnhöfen werden kann.“
Das Vorhaben „Sicherheitsbahnhof Südkreuz“ war von Bundesregierung und Deutscher Bahn bereits Ende 2020 angekündigt worden, als Reaktion auf zwei tödliche Vorfälle im Jahr zuvor an den Bahnhöfen Frankfurt (Main) und Voerde. Dort waren ein Kind und eine Frau gestorben, nachdem zwei psychisch kranke Männer sie vor fahrende Züge gestoßen hatten. In dem Zusammenhang wurde auch angekündigt, dass die Videotechnik an Bahnhöfen modernisiert und erweitert werden soll. Dies bekräftigte Bahnchef Lutz am Donnerstag. Aktuell gibt es der Bahn zufolge rund 9000 Kameras an circa 800 Bahnhöfen. „Bis 2024 stocken wir auf 11.000 Kameras auf“, sagte Lutz.
"Sicherheitslabor" am Bahnhof Südkreuz
Am Bahnhof Südkreuz arbeiten Deutsche Bahn und Bundespolizei nun in einem „Sicherheitslabor“ zusammen. Das Labor ist dauerhaft besetzt, die Mitarbeitenden haben einen Blick auf die Kameras im Bahnhof und kümmern sich zu Beginn vor allem um die App „SafeNow“. Wird über die App im Südkreuz ein Alarm gesendet – indem ein Button zunächst gehalten und dann losgelassen wird –, kommt das Signal im Sicherheitslabor an. Die Sicherheitskräfte erhalten mithilfe von GPS und Bluetooth die Information, wo sich der Hilfesuchende im oder um den Bahnhof befindet, und können sich direkt auf den Weg dorthin machen. Der App-Test ist zunächst für drei Monate angesetzt. Ein Institut für Gewaltprävention übernimmt die Auswertung.
„Wir konzentrieren uns auf drei Fokusgruppen: die Bahnhofsnutzenden, die Mitarbeitenden und die Mieteinheiten. Das Institut wird jede Gruppe einzeln bewerten, sodass wir sehen, welche Gruppe am meisten Bedarf hat“, sagte der zuständige Projektleiter bei der Bahn, Dominik Schäfer. Zeige das Projekt, dass die App angenommen wird, könnte es beispielsweise auf Hauptbahnhöfe ausgeweitet werden. Längerfristig soll das Sicherheitslabor auch prüfen, ob eine KI-unterstützten Software oder andere Sensoren helfen können, Videobilder zu analysieren und potenzielle Gefahren zu erkennen, etwa einen herrenlosen Koffer.
Lichtstreifen am Bahnsteig soll Auslastung und Zugposition anzeigen
Mit Sensoren wird auch bei der leuchtenden Bahnsteigkante gearbeitet, die auf Gleis 1 im Südkreuz installiert wurde. Im Laufe des einjährigen Tests signalisieren wechselnde Farben Reisenden dort, ob ein Zug einfährt, wo er hält und wie die Auslastung in den verschiedenen Wagen ist. „Das Ziel, die Zahl der Reisenden bis 2030 zu verdoppeln, stellt gerade uns von Station&Service als Betreiber der Bahnhöfe vor große Herausforderungen – was die Aufmerksamkeit und Orientierung unserer Kunden betrifft, auf der anderen Seite aber auch mit Blick auf die Kapazität unserer Bahnsteige“, sagte der zuständige Projektleiter Christopher Schubert. Daher soll mit den Lichtstreifen eine Lösung getestet werden, um die Reisendenströme besser zu lenken.
Zum Start leuchten die LED-Elemente, die in Betonplatten einbaut wurden, nur in Rot. Das Licht beginnt zu blinken, wenn der Zug ein- oder ausfährt. Erste Rückmeldungen dazu seien positiv, so Schubert. „Die Triebfahrzeugführer der S-Bahn haben uns gemeldet, dass weniger Menschen in den Sicherheitsbereich treten.“ In der zweiten Phase, nach rund zwei Monaten, wird ein weißes Lauflicht ergänzt, dass zur Halteposition des Zuges weist, insbesondere, wenn nur ein Kurzzug fährt. Weitere zwei bis drei Monate später soll es um die Auslastung der S-Bahnen gehen, die für die einzelnen Wagen mit rot, gelb und grün angezeigt wird.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) verwies auf aktuelle Rekordzahlen im Fern- und durch das 9-Euro-Ticket auch im Regionalverkehr. Die Bahn befinde sich auf einer „Erfolgsspur“, es sei aber wichtig, dass diese innovativ bleibe. „Nicht nur im Schienenbetrieb, sondern auch in unseren Bahnhöfen“, so Wissing. Es gehe um den Schutz der Menschen, aber auch darum, durch technische Neuerungen betriebliche Abläufe zu optimieren. „Was im Bahnhof Südkreuz getestet wird, sind weitere Puzzlesteine für mehr Qualität und Attraktivität des Bahnfahrens“, so Wissing. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, sie erhoffe sich von dem Projekt, „dass wir es demnächst ausrollen können auf hoffentlich vielen weiteren Bahnhöfen“. Über die technischen Neuerungen hinaus haben auch Bahn, Bundespolizei und Bahnhofsmission angekündigt, ihre Zusammenarbeit mit Bezug auf die Sicherheit an den Stationen verstärken zu wollen.