Berlin. Nach knapp 20 Jahren führt Berlin die Verbeamtung von Lehrkräften wieder ein – vor allem um mehr Menschen in den Beruf zu locken.
Für Antonia Lamb ist es ein großes Stück Sicherheit, die nun in den Lehrerberuf zurückkehrt. Nach fast zwei Jahrzehnten führt Berlin als letztes deutsches Bundesland die Verbeamtung seiner Lehrkräfte wieder ein. Die 30-jährige Lamb ist eine von 220 Lehrerinnen und Lehrern, die am Donnerstag in der Station Berlin in Kreuzberg offiziell vereidigt wurden und von Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) und Bildungsstaatssekretär Alexander Slotty ihre Ernennungsurkunden überreicht bekamen. In den nächsten Wochen sollen viele weitere folgen.
Für Lamb, die nach ihrem nun abgeschlossenen Referendariat an einer Weddinger Schule an das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Neukölln wechselt, geht es aber weniger um ihre persönlichen Vorteile wie die im Vergleich zur Rente deutlich höhere Pension im Alter. Die Gymnasiallehrerin für Bildende Kunst und Geografie erhofft sich davon einen signifikanten Zuwachs bei den Berliner Lehrern und somit auch die Chance, besseren Unterricht zu machen. „Mit dem jetzigen System können wir die Schülerinnen und Schüler nicht auf die Gesellschaft vorbereiten“, sagte Lamb am Donnerstag.
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Berlin schaffte Verbeamtung von Lehrkräften 2004 ab
Lehrkräfte in der Stadt zu halten und mehr Menschen in den Lehrerberuf zu locken, ist auch Ziel der rot-grün-roten Landesregierung. Sie verankerte die Wiedereinführung der Verbeamtung im Koalitionsvertrag – und das, obwohl eine große Mehrheit der SPD die Verbeamtung lange ablehnte. Die 2004 abgeschaffte Verbeamtung erwies sich für Berlin jedoch als klaren Standort-Nachteil, denn Fachkräfte blieben weg oder gingen in andere Bundesländer, in denen die Verbeamtung schon länger wieder üblich ist. Auch die in Berlin höheren Einstiegsgehälter für neue Lehrer konnten diesen Trend nicht aufhalten.
Davon konnte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) beim Festakt am Donnerstag aus ihrer fünfjährigen Erfahrung als Neuköllner Bildungsstadträtin berichten. Dort habe sie viele Lehrerinnen und Lehrer weggehen sehen, die nur wenige Kilometer weiter in Brandenburg den Lehrerjob antraten. „Einfach, weil die Bedingungen dort besser waren“, sagte Giffey. Aus diesem Grund sei dies auch für Berlins Landesregierung ein „wichtiger Tag“. Dennoch könne die Verbeamtung nicht der einzige Schritt hin zu einem guten Schulsystem sein.
Senatorin Busse (SPD): Länder sind wieder auf Augenhöhe
Auch Bildungssenatorin Busse sieht nun eine wichtige Angleichung vollzogen: „Nun herrscht zwischen den Ländern endlich wieder Augenhöhe auf dem Arbeitsmarkt.“ Sie versuchte, den angehenden Lehrerinnen und Lehrern vor Ort Mut zu machen. „Schüler verstellen sich nicht. Wenn die Sie anstrahlen und danke sagen, dann ist das ernst gemeint. Und das ist mehr wert als alles andere.“ Busse war selbst viele Jahre Lehrerin und Schulleiterin in Berlin.
Mit der Verbeamtung wurde nun auch festgelegt, die Altersgrenze von 45 auf 52 Jahre anzuheben, um mehr Lehrkräften die Verbeamtung zu ermöglichen. Denn auch die sich derzeit im Angestelltenverhältnis befindenden Lehrkräfte können in den Beamtenstatus wechseln. Laut Senatsbildungsverwaltung werden zwischen 15.000 und 16.000 Lehrkräfte in den Beamtenstatus wechseln. Insgesamt arbeiten an Berlins allgemeinbildenden Schulen 30.000 Lehrerinnen und Lehrer, 20.000 davon sind derzeit angestellt. Ob sich auch Quereinsteiger in Zukunft verbeamten lassen können, werde noch geprüft.
Berliner Senat will bis 2023 Artikel-Gesetz verabschieden
Für die Umsetzung der Verbeamtung müssen verschiedene rechtliche Vorgaben geändert werden. Zum Beispiel im Lehrkräftebildungsgesetz, der Laufbahn-Verordnung oder in der Bildungslaufbahn-Verordnung. Bis zum Jahresende und spätestens zu Beginn des Jahres 2023 soll ein umfangreiches Artikel-Gesetz verabschiedet sein.
Einige Änderungen konnten jedoch bereits auf den Weg gebracht werden. So wurde im Februar dieses Jahres die Wartefrist für verbeamtete Lehrkräfte aus anderen Bundesländern gestrichen. Damit will man dem Phänomen der sogenannten „Drehtür-Verbeamtung“ die Grundlage entziehen. Da Berlin in der Vergangenheit nicht verbeamtete, gingen Lehrkräfte dafür in andere Bundesländer. Bevor sie sich wieder in Berlin anstellen lassen konnten, musste eine Frist von fünf Jahren verstrichen sein. Diese Frist gibt es nun nicht mehr.
FDP: Beamtentum mit eigenverantwortlichen Schulen nicht vereinbar
Kritik an der Rückkehr zur Verbeamtung kam am Donnerstag von FDP. Sie hält dies für einen falschen Schritt. „Berlin steht vor dem Scherbenhaufen von 26 Jahren sozialdemokratischer Bildungspolitik – da hilft auch keine Verbeamtung“, kritisierte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Paul Fresdorf. „Eine Verbeamtung von Lehrkräften lehnen wir ab, denn das Berufsbeamtentum ist mit unserer Vorstellung von eigenverantwortlichen und flexiblen Schulen nicht vereinbar.“ Oberstes Ziel müsse sein, die Schulvielfalt zu erhalten, den Lehrermangel zu beenden und die Schule wieder zu einem Ort des Lernens und Lehrens zu machen, sagte Fresdorf.
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Berlin (GEW) sieht in der Wiedereinführung der Verbeamtung nicht die Lösung der Probleme in Berlin. Sie könne den Lehrkräftemangel nicht mildern, stattdessen würden Ungerechtigkeiten unter den Kolleginnen und Kollegen geschaffen. Laut GEW müsse eine wirksame Ausbildungsoffensive aufgesetzt und die Arbeitsbedingungen an den Schulen verbessert werden.