Berlin. Ein hartes halbes Jahr liegt hinter den Finanzpolitikern im Abgeordnetenhaus, doch nun ist es vollbracht. An diesem Donnerstag wird die Koalitionsmehrheit von SPD, Grünen und Linken den gegenüber dem Senatsentwurf noch einmal deutlich veränderten Haushaltsplan für 2022 und 2023 durchs Landesparlament bringen. Mit 38,7 Milliarden Euro im ersten Jahr und 37,9 Milliarden Euro im zweiten Jahr wird Berlin mehr Geld ausgeben als jemals zuvor.
Das hohe Volumen von insgesamt 76,6 Milliarden Euro für die Laufzeit des Etats erklärt sich zum großen Teil damit, dass verschiedene Bundes-Zuschüsse oder Kostenübernahmen wegen der Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges mit den Geflüchteten als Einnahmen und Ausgaben gleichermaßen verbucht werden. Zudem pumpt die starke Inflation den Haushalt auf, weil mit steigenden Preisen auch die Steuereinnahmen des Staates wachsen. Finanzexperten beziffern diesen Effekt in Berlin auf 1,4 Milliarden Euro.
Eine Besonderheit sind diverse Rückstellungen und Reserven, um die die Koalitionsabgeordneten den Senatsentwurf ergänzt haben. Grundsätzlich sei der Haushalt „verhalten optimistisch, aber auch sehr vorsichtig“ aufgestellt worden, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD, Torsten Schneider, der Berliner Morgenpost.
Größte Einzelposten sind Personal und Schulbau
Größter Einzelposten unter den Ausgaben ist neben den Personalkosten von jeweils mehr als elf Milliarden Euro pro Jahr der Schulbau. 2023 wird hier erstmals die Jahressumme von einer Milliarde Euro erreicht, wenn man die geplanten Kredite der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge für diesen Zweck und den baulichen Unterhalt hinzurechnet. Allen ist klar, dass das laufende Schulbauprogramm eher das Doppelte kosten wird als jene 5,5 Milliarden Euro, die ursprünglich mal vorgesehen waren.
Mit 750 Millionen Euro pro Jahr, also insgesamt 1,5 Milliarden, fördert der Senat den Wohnungsbau. Zuletzt wollten die Bauherren die Landessubventionen nicht haben, Geld wurde nicht abgerufen. Aber in der Koalition setzen sie darauf, das sich das ändert, private und landeseigene Unternehmen die Zuschüsse auch abholen, die zwischen zehn und 25 Prozent der Gesamtinvestition liegen können, je nachdem, wie viele billige Wohnungen entstehen.
Kosten für Ukraine-Flüchtlinge sind drittgrößter Posten
Drittgrößter Posten sind die Kosten für Ukraine-Flüchtlinge mit insgesamt 1,3 Milliarden Euro. Die Koalitionäre haben angesichts der ungewissen Lage darauf verzichtet, erwartete Ausgaben einzelnen Haushaltstiteln oder Verwaltungen zuzuordnen. Das Geld liegt in Reserve bei der Finanzverwaltung und wird nach Bedarf vom Hauptausschuss des Parlaments freigegeben. Das Geld stammt aber in der Mehrheit vom Bund, weshalb sich das Haushaltsrisiko für das Land in Grenzen hält.
Auch zur Bewältigung anderer Problemlagen hat die Koalition Geld zurückgelegt. Die schon mit dem letzten Haushalt gebildete Corona-Rücklage wurde weitgehend auf die einzelnen Ressorts und Bedarfe verteilt. Damit werden unter anderem erwartete oder schon eingetretene Ausfälle bei den Landesunternehmen wie Messe und Berliner Verkehrsbetriebe sowie Mehrkosten für die Krankenhäuser ausgeglichen sowie die weiter bestehende Infrastruktur für Tests und Impfungen bezahlt. Aber 750 Millionen Euro sind noch übrig und werden in einer weiteren Rücklage geparkt. Ob das Geld doch noch zur Bewältigung der Corona-Folgen benötigt wird, weiß man erst im nächsten Jahr. Falls nicht, soll es in den Schuldenabbau fließen.
Um die steigenden Strom- und Gasrechnungen der Behörden und öffentlichen Einrichtungen zu bezahlen, hat die Koalition nun zunächst 380 Millionen Euro zurückgelegt. Darin enthalten sind jene 50 Millionen, die die Linke als Notfallfonds für Privatpersonen durchgesetzt hat, die von den explodierenden Energiepreisen überfordert werden. In der Koalition gehen aber alle davon aus, dass die vom Land bereitgehaltenen Summen nicht ausreichen werden. „Da muss der Bund wach werden“, sagte Schneider.
Ein großes Darlehen wird erst einmal zurückgelegt
Und noch eine Reserve haben die Fraktionen angelegt. 450 Millionen Euro werden als Darlehen aufgenommen, aber erstmal bis 2024 gesperrt. Hintergrund für dieses maßgeblich vom Linken-Chefhaushälter Steffen Zillich betriebene Verfahren sind die Vorschriften der bundesweiten Schuldenbremse. 2022 darf Berlin aus konjunkturellen Gründen Schulden in ungefähr diesem Umfang machen, später ist das gegebenenfalls nicht mehr möglich. Nun handelt die Koalition unter dem Motto „Schulden machen, wenn man darf, nicht wenn man sie braucht“ und legt das Geld für die absehbar extrem steigenden Baukosten zurück.
Die Finanzpolitiker wissen, dass ein solches Vorgehen nicht ganz der reinen Lehre entspricht. „Aber entweder wir machen es so oder wie bauen weniger“, rechtfertigt Schneider das Vorgehen. Die SPD hat zudem durchgesetzt, dass weitere 70 Millionen Euro in den Sonder-Investitionstopf Siwana fließen und dort gezielt eingesetzt werden, um auch schon vor 2024 steigende Baukosten für die sozialdemokratischen Lieblingsthemen Bäder, Feuerwehr und Polizei abzudecken.
Die Krankenhäuser bekommen deutlich mehr Geld als zunächst befürchtet für Sanierungen, weil die Koalition auch den privaten Trägern zusagt, auf Landeskosten und -risiko Kredite in dreistelliger Millionenhöhe aufzunehmen.
Insgesamt hat bereits der Senat in seinem Haushaltsplan-Entwurf erhebliche Mittel von fast 64 Milliarden Milliarden Euro für die kommenden Jahre über sogenannte Verpflichtungsermächtigungen festgelegt, die etwa für neu angemietete Behördengebäude, den Kauf von neuen U-Bahnwagen oder den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs vorgesehen sind. Damit wären für die nächsten Haushaltsberatungen pro Jahr schon mehr als vier Milliarden Euro oder fast zehn Prozent des Etats gebunden.