Berlin. In der rot-grün-roten Koalition gibt es neuen Ärger beim Thema Wohnungen: Bei einer Koalitionsrunde am Montag hatte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) Linken und Grünen den Vorschlag unterbreitet, dass landeseigene Wohnungsbaugesellschaften künftig auch Teilbestände an ihre Mieter zur Selbstnutzung verkaufen dürfen. Während die drei Oppositionsparteien CDU, FDP und AfD den Vorstoß begrüßen, sind die Koalitionspartner von Linken und Grünen verärgert und sehen damit sogar den Koalitionsfrieden in Gefahr.
Linke: „Geisel gefährdet den Koalitionsfrieden“
„Bei Privatisierungen ist für die Linke eine rote Linie überschritten“, sagte der wohnungspolitische Sprecher der Linken, Niklas Schenker. Das gelte sowohl für Verkäufe öffentlicher Wohnungsbestände als auch den Bau von Eigentumswohnungen durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen.
„Seit dem fatalen Verkauf der GSW wissen wir, dass Privatisierungen der falsche Weg sind“, so der Linken-Politiker. Im Koalitionsvertrag sei daher sogar vereinbart, ein Privatisierungsverbot von öffentlichen Wohnungen in der Landesverfassung zu verankern. „Ich bin einigermaßen fassungslos, dass Senator Geisel mit seinem Vorschlag nun in eine völlig andere Richtung will und damit den Koalitionsfrieden gefährdet“, so Schenker weiter.
Grüne: „Privatisierungen sind der falsche Weg“
Auch bei den Grünen stößt der Vorschlag des Stadtentwicklungssenators auf Ablehnung. „Unser Ziel ist und bleibt es – wie im Koalitionsvertrag festgelegt - möglichst viele Wohnungen in Berlin in gemeinwohlorientierte Hand zu bekommen“, sagt Grünen-Fraktionsvorsitzender Werner Graf. Dies sei entscheidend, um Einfluss auf den Mietenspiegel und damit die Miethöhen zu nehmen. „Privatisierungen von Mietwohnungen sind hier der falsche Weg“, so der Fraktionschef.
„Es geht nicht darum, flächendeckend Wohnungen zu privatisieren“, stellte Geisels Sprecher Martin Pallgen am Mittwoch klar. „Es geht darum, wenn Mieter den Wunsch haben, ihre Wohnung zu erwerben, dieses zu ermöglichen.“ Das sei sozial gerecht und durchaus im Sinne der Sozialdemokratie.
Der Vorschlag sei im Übrigen zunächst aus den Reihen der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gekommen, denen die Einnahmen auch dabei helfen würden, ihr Eigenkapital zu erhöhen. „Als Fachverwaltung schauen wir uns natürlich an, ob das ein gangbarer Weg ist“, so Pallgen weiter. Dass der Vorschlag nun skandalisiert werde, sei bedauerlich. „Die reflexhafte Ablehnung von Grünen und Linken ist überflüssig“, sagt Geisels Sprecher. Und fügt hinzu: „Wir prüfen weiter.“
Zustimmung bei den Wohnungsbaugesellschaften
Bei den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften freut man sich über die Initiative des Senators – „sowohl aus ökonomischer, aber auch aus sozialpolitischer Sicht“, sagt Ingo Malter, Chef der Stadt + Land. Er betont, dass es in erster Linie darum gehe, einen Teil der Neubauwohnungen als Eigentumswohnungen zu errichten. „Wir sind überzeugt, dass Neubau auch in schwierigen Zeiten stattfinden muss. Aber wenn sich Baukosten innerhalb von sechs Jahren verdoppelt haben und jetzt auch noch die Zinsen steigen, muss man überlegen, wie das finanziert werden soll“, sagt Malter.
Beim angedachten Verkauf von Bestandswohnungen an Mieter gehe es ohnehin nur um den kleinen Teil bereits in Wohneigentum aufgeteilter Häuser, deren Verkauf vor rund zehn Jahren gestoppt wurde. Bei Stadt + Land seien das lediglich 1600 Wohnungen. „Aus diesem Pool würden wir gerne verkaufen.“
CDU, FDP und AfD begrüßen den Vorschlag
Anders als die Koalitionspartner halten die Oppositionsparteien CDU, FDP und AfD Geisels Vorschlag für den richtigen Weg. „Raus aus der Miete, rein in die eigenen vier Wände – diese verlockende Perspektive muss es auch für Mieter landeseigener Wohnungen geben“, sagt Dirk Stettner, Sprecher für Bauen und Wohnen der CDU-Fraktion.
„Die FDP-Fraktion fordert den Senat seit Jahren auf, die Eigentumsquote in Berlin zu erhöhen. Da liegt es nahe, auch Bestandsmietern zu ermöglichen ihre eigene Wohnung zu erwerben. Für die Menschen ist der Erwerb ihrer bestehenden Wohnung nicht nur ein guter Baustein in ihrer Altersvorsorge“, meint Sibylle Meister von der FDP. Und Harald Laatsch von der AfD hofft, „dass Geisel nicht im Sturm seiner Kritiker einknickt.“