Berlin. In Weißensee wird an der Straßenbahn-Strecke gebaut. Ersatzbusse werden dort in einem Pilotprojekt durch E-Scooter und E-Bikes ergänzt.
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und der Sharing-Anbieter Tier haben in dieser Woche ein Pilotprojekt gestartet, bei dem eine andere Form des Schienenersatzverkehrs getestet werden soll: Während die BVG an der Straßenbahnstrecke in Weißensee baut, stehen dort als Alternative zu den wie üblich eingesetzten Ersatzbussen vermehrt E-Scooter und E-Bikes bereit. Insgesamt ist von 120 Fahrzeugen die Rede, die entlang der Strecke zur Verfügung gestellt werden.
Konkret geht es bei dem Bauprojekt um die Gleis- und Weichenerneuerungen auf der Berliner Allee. Seit dieser Woche und bis einschließlich 8. Mai laufen die Arbeiten zwischen Lindenallee und Indira-Gandhi-Straße, weshalb in dieser Zeit als Ersatz für die Tram-Linien M4, M13 und 12 zwischen Sulzfelder Straße und Antonplatz Busse unterwegs sind. Die BVG wolle ergänzend zu den Bussen aber ein zusätzliches Angebot erproben, erklärt Unternehmenssprecher Markus Falkner. „Die Idee ist, damit trotz Bauarbeiten noch mehr Fahrgäste an die BVG zu binden, so dass weniger aufs Auto ausweichen.“
Tier will Nutzungsdaten aus Weißensee dem Land Berlin zur Verfügung stellen
Die BVG und Anbieter Tier arbeiten bereits seit Längerem für die Mobilitätsplattform „Jelbi“ zusammen. Über die App können Sharing-Fahrzeuge verschiedener Anbieter gemietet und auch Tickets für Busse und Bahnen gekauft werden. Zusätzlich gibt es inzwischen berlinweit 14 Jelbi-Stationen und kleinere Jelbi-Punkte, an denen die unterschiedlichen Fahrzeuge zu finden sind und wieder abgegeben werden können.
Der Test zum Einsatz der E-Scooter und E-Bikes als Schienenersatzverkehr sei ergebnisoffen, so Falkner. „Tier wird überprüfen, ob zusätzliche Nachfrage im Kiez generiert wurde. Anhand dessen entscheiden wir anschließend, ob wir das Thema weiterverfolgen.“ Der Sharing-Anbieter erklärt, die Nutzungsdaten zu erfassen und nach Abschluss des Projekts mit dem Land Berlin zu teilen. So könnten auch Schlussfolgerungen zur Verbesserung der Infrastruktur in Weißensee gezogen werden, heißt es. „Perspektivisch wird Tier zudem sein Geschäftsgebiet in Weißensee entsprechend der Nachfrage erweitern.“ Bislang wird Weißensee von E-Scooter- und E-Bike-Anbietern nicht oder nur zum Teil abgedeckt.
Mitarbeiter soll bei blockierten Geh- und Radwegen eingreifen
Mit einer normalen Fahrkarte für den Nahverkehr ist die Nutzung der Sharing-Fahrzeuge im Ersatzverkehr aber nicht abgedeckt: E-Scooter und E-Bikes kosten bei Tier einen Euro Aktivierungsgebühr und weitere 19 Cent pro Minute. Zudem wird auf der Website von „Jelbi“ auf das Parken verwiesen – bekanntermaßen gibt es gerade in Gebieten, wo viele Roller oder Leihräder zu finden sind, immer wieder Probleme mit zugestellten Geh- und Radwegen.
Online heißt es, es solle nicht an Haltestellen, Ausfahrten oder Fußgängerquerungen abgestellt werden; der Gehweg solle immer mindestens auf 2,30 Metern Breite frei sein. Über die Jelbi-Plattform können Falschparker aber auch gemeldet werden. Ein Sprecher von Tier sagte, es gebe entlang der Strecke des Schienenersatzverkehrs extra einen Mitarbeiter, der den ganzen Tag über die Abstellflächen betreue, Akkus wechsle und reagiere, wenn Fahrzeuge Geh- oder Radwege blockieren.
Sharing-Markt in Berlin: 2000 neue E-Bikes angekündigt
Die Zahl der Sharing-Fahrzeuge in Berlin steigt derweil weiter: Tier hat im Zusammenhang mit dem BVG-Pilotprojekt auch angekündigt, seine E-Bike-Flotte in Berlin aufzustocken. Erst seit Mitte Februar umfasst das Angebot von Tier, neben E-Scootern und E-Mopeds, auch Elektro-Fahrräder. Derzeit sind es 1600 Bikes, schrittweise sollen nun weitere 2000 Räder hinzukommen, so der Anbieter. Damit reagiere man auf die hohe Auslastung der E-Bike-Flotte in Berlin. Verglichen mit den E-Scootern sei die Zahl der Nutzer pro E-Bike im vergangenen Monat etwa 54 Prozent höher gewesen, sagte der Unternehmenssprecher. „Wir gehen davon aus, dass die Zahl noch weiter steigen wird, wenn die Dichte an E-Bikes höher ist.“
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Um den Sharing-Markt schärfer zu regulieren, hat die Koalition aus SPD, Linken und Grünen im vergangenen Jahr das neue Straßengesetz beschlossen, das in diesem September in einer ersten Stufe in Kraft tritt. Ab dann benötigen die Anbieter für ihre Fahrzeuge eine Sondernutzungserlaubnis und müssen eine entsprechende Gebühr bezahlen.
Zudem kann das Land künftig die Zahl der Anbieter oder Fahrzeuge bei Auswahlverfahren begrenzen und Flächen benennen, wo keine E-Scooter abgestellt werden dürfen. Ein Konzept für die sogenannten Freefloating-Fahrzeuge, die prinzipiell überall geparkt werden können, soll in diesem Monat fertig werden. Striktere Regulierungen für die Unternehmen sind allerdings erst möglich, wenn das Gesetz in die zweite Stufe übergeht. Dies soll im September 2023 der Fall sein.