Bildung in Berlin

Rund 2500 Lehrkräfte streiken für kleinere Klassen

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Nicole Dolif
Berliner Lehrer streiken für kleinere Klassen.

Berliner Lehrer streiken für kleinere Klassen.

Foto: Nicole Dolif

Die Gewerkschaft GEW rief Lehrer am Donnerstag zum Warnstreik auf. An zahlreichen Berliner Schulen fiel der Unterricht aus.

Berlin. An zahlreichen Berliner Schulen – vor allem an den Grundschulen – ist am Donnerstag Unterricht ausgefallen. Grund: Rund 2500 Lehrkräfte waren dem Streikaufruf der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gefolgt. Sie fordert den Abschluss eines Tarifvertrages zum Gesundheitsschutz, in dem die Klassengröße an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen verbindlich festgeschrieben wird.

Bereits im Juni 2021 hatte die Gewerkschaft den damaligen Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) erstmals zu Verhandlungen aufgefordert, im Januar 2022 dann den neuen Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne). Mit dem Streik will die GEW ihren Forderungen nun Nachdruck verleihen. „Durch eine Verkleinerung der Klassen reduziert sich die Arbeitsbelastung und trägt so zum Gesundheitsschutz der Lehrkräfte bei“, sagt Tom Erdmann, Vorsitzender der GEW Berlin. Und auch die Schülerinnen und Schüler würden von kleineren Klassen enorm profitieren.

Davon sind auch die drei Lehrerinnen einer Reinickendorfer Grundschule überzeugt, die sich entschieden haben, am Streik teilzunehmen. „Wenn die Klassen kleiner sind, sinkt die Arbeitsbelastung für uns und wir können uns intensiver um die einzelnen Kinder kümmern“, sagen sie. Eine Lehrerin berichtet, sie habe zur Zeit 22 Kinder in ihrer Klasse, es sei an ihrer Schule aber bereits angekündigt worden, dass zum neuen Schuljahr aufgestockt werden müsse.

GEW fordert, die Klassengröße zu begrenzen

Aktuell liegt in Berlin die Richtlinie für Grundschulen zwischen 23 und 26 Kindern pro Klasse. Nach aktuellen Zahlen der Senatsbildungsverwaltung für das Schuljahr 2021/22 wird diese Maximalzahl allerdings gerade mal in 21 von 377 öffentlichen Grundschulen erreicht. Rund 300 der Grundschulen liegen unter 24 Schülern pro Klasse.

Die GEW fordert, die Klassengröße in den Grundschulen auf 19 zu begrenzen. Für die Jahrgangsstufe 7 nennt die Gewerkschaft eine Obergrenze von 21 Schülerinnen und Schülern und für die Jahrgangsstufe 8-13 sollte 24 nicht überschritten werden. Auch wenn Politiker aller Parteien die Forderung nach kleineren Klassen grundsätzlich begrüßenswert finden, hagelte es im Vorfeld des Streiks deutliche Kritik. „Es hapert einfach an der Umsetzung“, sagt Marcel Hopp, bildungspolitischer Sprecher der SPD. Um die Klassen derart zu verkleinern, bräuchte Berlin deutlich mehr Schulen und zusätzlich auch noch Tausende Lehrer – beides ist jedoch rar.

Derzeit könne es nicht um kleinere Klassen gehen, sagte auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Es gebe immer noch einen deutlichen Lehrermangel. Außerdem habe Berlin bereits fast 2000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine an den Schulen aufgenommen.

Prüfungen zur Sicherheit einen Tag vorgezogen

Ein weiterer Kritikpunkt war der Zeitpunkt des Streiks: Denn am Donnerstag begannen an einigen Berliner Schulen die Präsentationsprüfungen für das Abitur. „Der Streik kommt zur Unzeit“, sagte Alexander Slotty, Staatssekretär für Bildung. „Nach zwei Jahren Pandemie haben Abiturienten einen Anspruch darauf, ihre Präsentationsprüfungen ohne unnötige Störungen ablegen zu können.“

Gunilla Neukirchen, Schulleiterin des Lankwitzer Beethoven-Gymnasiums ärgerte sich sogar so sehr über den Termin, dass sie ihr Amt als Vorsitzende der Schulleitervereinigung der GEW niederlegte und dann sogar ganz austrat. „Das sind einfach nicht mehr meine Werte“, sagte sie. Um ganz sicher zu gehen, dass alle Schüler an ihrer Schule ungestört ihre Prüfungen machen können, hat sie den Termin sogar einen Tag vorgezogen. „Obwohl ich mir eigentlich sicher bin, dass die Lehrkräfte ihre Schüler auch am Streiktag nicht im Stich gelassen hätten“, sagte sie. Auch am Lichtenberger Immanuel-Kant-Gymnasium konnten alle Prüfungen reibungslos stattfinden. „Alle eingesetzten Lehrer waren da“, sagte Schulleiter Arnd Niedermöller. Er verstehe allerdings trotzdem nicht, warum die GEW die Lehrkräfte in solche „Gewissensnot“ gebracht habe.

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