Flüchtlinge

Neues Verfahren zur Aufnahme Geflüchteter in Berlin

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Joachim Fahrun
Im Willkommenszelt der Berliner Stadtmission am Hauptbahnhof werden kostenlose Lebensmittel ausgegeben.

Im Willkommenszelt der Berliner Stadtmission am Hauptbahnhof werden kostenlose Lebensmittel ausgegeben.

Foto: Christian Ditsch / epd

Die Masse der Kriegsflüchtlinge setzt Berlin unter Druck. Der Senat muss beim Registrierungsverfahren umsteuern.

Berlin. Bei der Aufnahme von geflüchteten Menschen aus der Ukraine muss der Senat das Verfahren noch einmal korrigieren. Viele Schutzsuchende und Helfer waren erstaunt, als das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) Tausende Termine für die Registrierung der Menschen storniert hat. Denn Personen, die in Berlin privat untergekommen sind und die Chance auf einen Arbeitsplatz haben, sollen sich nicht beim Flüchtlingsamt, sondern beim Landesamt für Einwanderung (LEA) anmelden. Das LEA hat ebenfalls ein Verfahren zur Online-Registrierung entwickelt. Es soll Menschen als Abkürzung zum Aufenthaltstitel und auf den Arbeitsmarkt dienen.

Landesamt für Einwanderung fordert Zwei-Jahres-Garantie

Allerdings haben die Beamten des LEA hohe Anforderungen gestellt. Sie erwarten, dass die Geflüchteten von ihrem Gastgeber eine Garantie liefern, dass sie zwei Jahre in dieser Wohnung bleiben können. Mit dieser Vorgabe ist es aber kaum möglich, sich schnell die vorläufigen Erlaubnisse zu besorgen. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) kündigte nach der Senatssitzung am Dienstag Korrekturen an. „So wie das jetzt ist, wird es nicht bleiben können“, sagte Giffey: „Wir müssen realistisch bleiben, zwei Jahre zu lang.“ Noch in dieser Woche sollen sich die beteiligten Senatsressorts Inneres und Integration an einen Tisch setzen. „Es soll kurzfristige eine Klärung geben“, sagte die Giffey. Überhaupt solle die Kommunikation in Richtung der Geflüchteten „deutlich klarer“ werden.

Das Landeseinwanderungsamt könnte nach Meinung von Experten der nächste Flaschenhals bei der Flüchtlingsaufnahme werden. Die Behörde muss die Aufenthaltstitel für die Kriegsflüchtlinge vergeben. Und auch die vorläufigen Bescheide müssen in den nächsten Monaten formalisiert werden. Dabei ächzt das Amt immer noch unter den Folgen der Corona-Pandemie, als viele Termine ausgefallen waren. Im neuen Doppelhaushalt für 2022/23 sind deshalb 50 zusätzliche befristete Stellen vorgesehen, um den Antragsstau abzuarbeiten. Zudem hat LEA-Chef Engelhard Mazanke um weitere Verstärkung gebeten.



260 Landesbedienstete haben sich für Tegel gemeldet

Auch für das neue Ankunfts- und Verteilzentrum am Flughafen Tegel sucht das Land Personal, um dort bis zu 10.000 Menschen registrieren zu können. Bei voller Kapazität kalkulieren die Organisatoren mit 420 benötigten Kräften, um die 100 Schalter sieben Tage die Woche 24 Stunden lang besetzen zu können. Auf den Aufruf der Regierenden Bürgermeisterin an die Landesbediensteten, sich freiwillig für drei Wochen für diesen Einsatz zu melden, haben sich 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeldet, davon elf aus den Bezirksämtern. Einige Kommunalpolitiker hatten es abgelehnt, dem Senat Dienstkräfte für diesen Noteinsatz zu überlassen. Giffey sagte, es sei nie beabsichtigt gewesen, Leute abzuziehen, die dringend anderswo benötigt würden.

Obwohl die Soll-Stärke für das Ankunftszentrum noch nicht erreicht ist, komme man aktuell noch klar, versicherte die Senatschefin. Der Betrieb in Tegel fahre schrittweise hoch. Am ersten vollen Tag nach der Eröffnung am Sonntag seien 1000 Menschen registriert worden, die meisten seien mit den vom Bund organisierten Bussen in andere Bundesländer weiter gereist. Wenn die Zahlen der durch Tegel zu schleusenden Menschen steigen, will Giffey auch auf Polizisten für die erkennungsdienstliche Behandlung und wie bei der Besetzung der Impfzentren auf die Hilfe von Zeitarbeitskräften zurückgreifen. Sie rechnet damit, dass das unabhängig von den aktuellen Ankunftszahlen demnächst geschehen werde, wenn sich all jene Ukrainerinnen und Ukrainer melden, die bisher privat wohnen.

Giffey kündigt weitere Maßnahmen an, sollte sich die Lage zuspitzen

„Die Leute registrieren sich erst, wenn sie Leistungen wollen“, sagte Giffey. Über kurz oder lang werde das passieren. Bisher kämen etwa ein Drittel der in Berlin ankommenden Menschen „ins System“, zwei Drittel reisten nach wie vor auf eigene Faust weiter. Berlin sei trotz aller Probleme noch weit davon entfernt, eine „Großschadenslage“ oder den „Katastrophenfall“ auszurufen und damit den Krisenstäben zusätzliche Kompetenzen zuzuweisen. Beide Szenarien blieben aber „im Instrumentenkasten“, so Giffey, sollte sich dei Lage zuspitzen.

Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) berichtete von Fortschritten bei der Beschulung. Inzwischen gebe es durchschnittlich pro Bezirk schon etwa 50 geflüchtete Kinder und Jugendliche in Regelklassen. Die Solidarität der Schulen sei „unendlich groß“, so die Senatorin. Ihr Haus habe inzwischen Räume und Lehrkräfte für 2000 Schüler in Willkommensklassen organisiert, darunter seien auch 100 Lehrerinnen aus der Ukraine. 500 Kinder würden bereits in diesen besonderen Gruppen unterrichtet. Forderungen, die Kinder in Deutschland nach ukrainischen Lehrplänen zu unterweisen, wiesen Busse und Giffey zurück. „Wir gehen nach unserem bewährten Konzept vor, sagte Busse. Die Kinder sollten schnell Deutsch lernen.

Geisel kündigt Schaffung von Wohnraum an

Der Senat ist zudem bestrebt, den Bau von Wohnraum für die Geflüchteten zu beschleunigen. Auch wenn die Verteilung in andere Bundesländer besser laufe, würden viele Tausend Menschen in Berlin bleiben. Diese müssten irgendwann aus den Notunterkünften raus oder von privaten Sofas runter, hieß es. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) sagte, man werde schnell über die bereits identifizierten restlichen Standorte für Modulare Unterkünfte reden müssen, wenn der Bund wie erwartet wieder ein beschleunigtes Baurecht schafft. Von 60 Grundstücken sind seit der Flüchtlingskrise 2015/16 erst 27 bebaut, 10.000 Menschen lebten dort. „Wir greifen auf die 33 anderen Standorte zurück“, sagte Geisel: „Wir müssen innerhalb eines Jahres im Wohnungsbau etwas schaffen“.