Berlin und Wien gelten als erste Stationen der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf ihrem Weg nach Westeuropa. Die Hauptstadt hat die Bundesregierung dringend um Hilfe gebeten, um mit den vielen Menschen und den daraus folgenden Aufgaben nicht alleine gelassen zu werden. Die Berliner Morgenpost beantwortet die wichtigsten Fragen zur Flüchtlingskrise.
Wie viele Geflüchtete aus der Ukraine sind bisher in Berlin?
Im Durchschnitt der vergangenen Tage sind jeweils mehr als 10.000 Geflüchtete in Berlin angekommen. Die meisten sind aber nach kurzem Aufenthalt weitergereist. Berlin hat auch in der Nacht zu Donnerstag nach Angaben von Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) wieder 1200 Menschen untergebracht. Kipping las im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses eine Liste mit Notunterkünften vor. In den genannten Einrichtungen sind mehr als 5000 Menschen untergekommen. Der Präsident des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), Alexander Straßmeir, sprach von allein 3000 Hostelplätzen und 8000 Notunterkunftsplätzen insgesamt, die man „generiert“ habe. Zum Vergleich: Vor dem Ukraine-Krieg lebten in den Unterkünften des LAF rund 20.000 Geflüchtete.
Wie viele Geflüchtete sind privat untergekommen?
Das weiß niemand, es dürften aber Zehntausende sein. Einen Hinweis auf die Größenordnung lieferte Senatorin Kipping am Donnerstag. Beim LAF hätten sich 28.000 Menschen über das neue Online-Vergabesystem für einen Termin zur Registrierung gemeldet. 1700 Registrierungen seien auf diesem Wege bereits erfolgt. Dabei hätten 90 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer angegeben, sie hätten enge Bindungen in Berlin. Diese Menschen sollten hier bleiben dürfen, sagte Kipping. Man setze darauf, dass sie bei der angestrebten bundesweiten Verteilung der Geflüchteten auf das Berliner Kontingent angerechnet würden.
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Welche Menschen kommen derzeit nach Deutschland?
In den ersten Kriegstagen erreichten vor allem junge, fitte, mobile und gut vernetzte Menschen Berlin. Das hat sich geändert. Die Helfer sehen neben den immer noch vorherrschenden Frauen mit Kindern immer mehr Alte, Gebrechliche, Behinderte und Pflegebedürftige. Aus einem weiter entfernten Land wie Syrien hätten solche Personen den Weg nach Europa gescheut, das sei nun anders, hieß es. Die Sozialsenatorin rechnet 90 Prozent der Menschen den „vulnerablen Gruppen“ zu, die eines besonderen Schutzes bedürften.
Warum bilden sich lange Schlangen vor den Sozialämtern?
Die Sozialämter der zwölf Berliner Bezirke sind bisher die einzigen Anlaufstellen, wo die geflüchteten Menschen über ein Bett und Verpflegung in den Unterkünften hinaus Nothilfe erhalten können. Nun suchen auch viele Personen dort Unterstützung ,,die bisher privat untergekommen sind“, heißt es. Und so bilden sich vor den Ämtern – wie zum Beispiel in Pankow - lange Warteschlangen. Die Sozialämter werden nach Einschätzung vieler Experten der Flaschenhals bleiben. Denn auch mit einem gültigen Aufenthaltstitel sollen die Kommunen den Kriegsflüchtlingen Geld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auszahlen. Berlin und die anderen SPD-Länder drängen auf eine Gesetzesänderung, damit die vom Bund mitbetriebenen Jobcenter diese Aufgabe übernehmen.
Wie laufen die verschiedenen Registrierungen?
Was bisher erst in geringem Umfang erfolgt, soll spätestens mit der Eröffnung des Ankunftszentrums am Flughafen Tegel massenhaft geschehen. Zuerst sollen sich die Menschen im erweiterten Easy-System registrieren lassen. Diese Software besorgt die Verteilung der Geflüchteten nach dem Königsteiner Schlüssel. Er richtet sich zu zwei Dritteln nach der Wirtschaftskraft und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl der Bundesländer. Demnach muss Berlin fünf Prozent der Kriegsflüchtlinge aufnehmen. Das sind rund 22.000 Personen. Wenn die Menschen an ihren Bestimmungsort angekommen sind, folgt eine aufwendigere Registrierung der biometrischen Daten und anderer Merkmale mit dem sogenannten PIK-System (PIK steht für Personalisierungsinfrastrukturkomponente). Dieses Verfahren dauert eine halbe Stunde. In Berlin sollen nur die Mensachen dieses Prozedere durchlaufen, die in der Stadt bleiben sollen. Ein Problem: Derzeit sind PIK-Stationen in ganz Deutschland Mangelware. Berlin hat sich aber 40 solcher Stationen für Tegel gesichert.
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Wie werden die Menschen in Deutschland verteilt?
Der Bund hat inzwischen zugesagt, die Verteilung zu organisieren und auch Busse für den Transport angeboten. Für Kriegsflüchtlinge besteht aber anders als für Asylbewerber keine Residenzpflicht. Sie dürfen sich grundsätzlich frei im Land bewegen. Ein Druckmittel hat der Staat jedoch, um belastete Städte wie Berlin zu entlasten. Sozialleistungen dürfen die Menschen nur von dem Sozialamt der Kommune beziehen, der sie zugewiesen wurden.
Was ist mit jenen, die privat untergekommen sind oder Familie haben?
Für Ukrainer mit Familien- oder Freundesanschluss, die einen Mietvertrag oder eine Wohnungsbescheinigung vorlegen können und womöglich einen Job in Aussicht haben, bietet Berlin eine Abkürzung zum Aufenthaltstitel und den Zugang zum Arbeitsmarkt. Demnächst soll möglich sein, sich beim zuständigen Landeseinwohneramt online anzumelden. Wer die geforderten Belege hochlädt, bekommt eine „Genehmigungsfiktion“ erteilt. Mit dem Pass berechtigt der Bescheid, eine Arbeit aufzunehmen.
Kommen viele unbegleitete Minderjährige?
Bisher ist das aus Syrien, Afghanistan und afrikanischen Ländern bekannte Phänomen eher selten. Stattdessen kommen aber Kinder, die von ihren Eltern Verwandten oder Freunden auf die Flucht mitgegeben wurden. Das stellt die Behörden vor Probleme. Eigentlich müssten die Jugendämter diese Minderjährigen gesondert unterbringen. Gleichzeitig will man aber nicht die Bezugsgruppen zerreißen. Für dieses Problem habe man noch keine Lösung, sagte Sozialsenatorin Kipping.
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