Ukraine-Krieg

Kriminelle Angebote: Große Sorge um geflüchtete Kinder

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Nicole Dolif
Hauptbahnhof in Berlin: Geflüchtete Kinder und Frauen müssen geschützt werden.

Hauptbahnhof in Berlin: Geflüchtete Kinder und Frauen müssen geschützt werden.

Foto: Maurizio Gambarini

Die Bildungsverwaltung startet Teams, um Kinder und Frauen aus der Ukraine vor kriminellen Hilfsangeboten zu schützen.

Berlin. Die Polizei warnt weiter vor unseriösen Hilfsangeboten an Flüchtlinge. In den vergangenen Tagen habe es einzelne Fälle gegeben, bei denen Männer geflüchteten Frauen dubiose Angebote gemacht hätten, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei.

Die zumeist älteren Männer hielten wie die echten Helfer Schilder mit Wohn- und Übernachtungsangeboten für Frauen hoch. Die Bundespolizei kontrolliere die Verdächtigen, es gehe um den Verdacht des Menschenhandels und der Ausbeutung, für Festnahmen fehlten aber oft entsprechende Beweise. Die Bildungsverwaltung reagiert jetzt auf diese Gefahr und setzt am Hauptbahnhof ab sofort ein mobiles Team Kinderschutz/Jugendhilfe ein.



Flüchtlinge in Berlin: Mobiles Team mit roten Westen

Das mobile Team, gut erkennbar durch rote Westen, soll nahezu rund um die Uhr vor Ort und im Ankunftszelt Ansprechpartner für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, für ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sowie für die Bundespolizei und weitere professionelle Unterstützerinnen und Unterstützer sein, hieß es aus der Senatsverwaltung.

Es koordiniert die Versorgung und Unterbringung von in Berlin ankommenden unbegleiteten Flüchtlingen und berät auch zu Fragen des Kinderschutzes in Berlin. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Teams werden in Kooperation mit freien Trägern der Jugendhilfe, beispielsweise mit Wildwasser e.V., ausgewählt. Sie sind sozialpädagogisch geschult, und es werden auch Muttersprachlerinnen und Muttersprachler darunter sein.

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Unlautere Menschen sofort stoppen

„Das Wohl der geflüchteten Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine ist für mich von zentraler Bedeutung“, sagt Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD). „Unlauteren Menschen, die die Situation der Geflüchteten ausnutzen wollen, halten wir auf diese Weise ein Stopp-Signal entgegen. Gleichzeitig bieten wir eine Soforthilfe für die Kinder und Jugendlichen nach den höchstverstörenden Erfahrungen in ihrer Heimat und den Strapazen der Flucht.“

Auch würden auf diesem Wege wichtige Flyer auf Englisch, Russisch und Ukrainisch mit Informationen zu Jugendhilfe und zur Berliner Bildungslandschaft verteilt. Denn da die Geflüchtete keinen Asylantrag stellen müssten und auch sonst nirgendwo zentral erfasst würden, sei es besonders wichtig, sie schnell mit wichtigen Angeboten zu erreichen.

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50 Willkommensklassen für Jugendliche ab 16

Zunächst plant die Bildungsverwaltung 50 Willkommensklassen für ukrainische Jugendliche ab 16 Jahren, die vor dem Krieg in ihrem Heimatland geflohen sind. „Die beruflichen Schulen haben gesagt, sie können das sofort einrichten. Das finde ich großartig“, sagte Busse.

Auch das Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik will Räume für zwei Klassen zur Verfügung stellen. „Wir sind mittlerweile erfahren im Einrichten von Willkommensklassen und können diese Aufgabe schnell bewerkstelligen“, so Schulleiter Ronald Rahmig. „Die Räume sind vorhanden, sobald es Lehrkräfte gibt, kann es losgehen.“

Es werde nach Angaben der Bildungsverwaltung bereits intensiv um Lehrkräfte für Willkommensklassen geworben. Allerdings sei es „angesichts des bundesweiten Pädagogenmangels nicht ganz einfach“, räumte Senatorin Busse ein. „Aber wir suchen auf allen Kanälen – von Anzeigen bis Social Media. Wenn sich ehemalige Kolleginnen und Kollegen bewerben, die früher Russisch unterrichtet haben, ist das natürlich auch eine Option.“

Unklar, wie viele Tausend Kinder kommen werden

Außerdem setze die Bildungsverwaltung auch auf die Menschen aus der Ukraine selbst: „Wir gucken uns um und sind sicher, dass es auch Pädagogen unter den Geflüchteten gibt, so dass man sicherlich Gruppen bilden kann, in denen muttersprachlich unterrichtet wird“, sagte Busse. Die Organisation des Unterrichts ist aus Busses Sicht eine Langstreckenaufgabe. „Wir wissen auch noch nicht ganz genau, wie viele Tausend Kinder schließlich zu uns kommen werden. Valide Zahlen liegen uns noch nicht vor.“

Es sei außerdem ein finanzieller Kraftakt, sagte sie. „Und da brauchen wir unbedingt Mittel vom Bund zur Unterstützung, Berlin kann das allein nicht leisten“, sagte Busse. „Es geht ja nicht nur ums Personal. Wenn Sie für ein paar Tausend Kinder Tische und Stühle brauchen, das Mittagessen, Material für die Willkommensklassen, es muss Starterpakete geben für die Kinder – da kommt schon etwas zusammen.“

Schule aber nicht sofort im Fokus

Zurzeit gibt es nach Angaben der Bildungsverwaltung unabhängig von den ukrainischen Flüchtlingen bereits 540 Willkommensklassen in Berlin für aktuell 6000 Schülerinnen und Schüler. „Wenn in diesen Klassen noch Plätze frei sind, kann man dort eventuell auch ukrainische Kinder unterbringen“, sagte Busse. „Zusätzlich sind wir gerade in der Abstimmung mit den bezirklichen Schulämtern, um weitere Willkommensklassen einzurichten.“ So sollen in den nächsten Wochen noch mindestens weitere 50 Willkommensklassen – dann auch für jüngere Kinder – entstehen, hieß es aus der Bildungsverwaltung.

Noch sind die Unterrichtsmöglichkeiten für geflüchtete ukrainische Kinder in der Vorbereitungsphase – was sich aus Sicht der Bildungsverwaltung verschmerzen lässt. „Stellen Sie sich vor, Sie sind tagelang unterwegs durch mehrere Länder. Dann ist Schule nicht sofort im Fokus“, sagte Busse. „Die Menschen müssen erstmal einen Moment zur Ruhe kommen.“

( mit dpa )