Schuldneratlas

Wegen Corona: Weniger Berliner sind überschuldet

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In Berlin waren im vergangenen Jahr weniger Personen überschuldet. Steigende Preise und auslaufenden Coronahilfen könnten nun aber für eine Trendumkehr sorgen.

In Berlin waren im vergangenen Jahr weniger Personen überschuldet. Steigende Preise und auslaufenden Coronahilfen könnten nun aber für eine Trendumkehr sorgen.

Foto: Rolf Vennenbernd / dpa

Weil Gelegenheiten zum Geldausgeben fehlten, hat sich die Finanzlage vieler Haushalte entspannt. Nun droht ein Umschwung.

Berlin. Geschlossene Geschäfte, kaum Möglichkeiten zum Reisen und finanzielle Hilfen durch den Staat: In Berlin ist während der Corona-Krise die Überschuldung von Verbrauchern deutlich zurückgegangen. Eine Analyse des Creditreform Schuldneratlas 2021 zufolge, wiesen zum Stichtag 1. Oktober des vergangenen Jahres 331.379 erwachsene Einwohner der Bundeshauptstadt Überschuldungsmerkmale auf. Das waren 35.000 beziehungsweise 9,5 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Auch bundesweit war laut Creditreform ein Rückgang der Überschuldungsfälle zu spüren (- 10,1 Prozent).

Die Schuldnerquote, die die Zahl der überschuldeten Personen zur Anzahl der Bevölkerung (ab 18 Jahre) ins Verhältnis setzt, blieb in Berlin aber weiterhin hoch. Sie verringerte sich um 1,21 Prozentpunkte auf 10,81 Prozent. In der Hauptstadt gilt damit jeder Neunte als überschuldet. Die Überschuldungshäufigkeit der Berliner sei damit auch höher als im Bundesdurchschnitt. Lediglich in Sachsen-Anhalt und Bremen stehen Verbraucher im Verhältnis zu gesamten Bevölkerung noch öfter vor finanziellen Schwierigkeiten.

In Berlin sind besonders viele Menschen in Neukölln und Mitte verschuldet

Von Überschuldung sprechen Finanzexperten, wenn ein Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit über längere Zeit nicht begleichen kann und ihm zur Deckung seines Lebensunterhalts weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Unterschieden wird dabei zwischen weichen Überschuldungsmerkmalen wie Inkassofällen und nachhaltigen Zahlungsstörungen und harten Merkmalen wie zum Beispiel einem Antrag auf Privatinsolvenz. In Berlin wiesen Anfang Oktober des vergangenen Jahres 186.862 Menschen harte und 144.517 Menschen weiche Überschuldungsmerkmale auf.

Stadtweit verringerten sich in alle Bezirken die Überschuldungsquoten. Überdurchschnittlich stark war der Rückgang erneut in Neukölln (- 1,58 Prozent), gefolgt von Mitte (- 1,54 Prozent). In beiden Bezirken sind die Schuldnerquoten allerdings weiterhin höher als im Berliner Durchschnitt. Eine Erklärung dafür könnten steigende Mieten und die vielen Kaufgelegenheit in solch urbanen Gebieten sein. Nur in zwei Berliner Bezirken lag die Schuldnerquote unter dem Bundesdurchschnitt: Steglitz-Zehlendorf (6,94 Prozent) und Pankow (8,26 Prozent).

Kurzarbeitergeld bewahrt Verbraucher vor Schuldenfalle

Creditreform hatte zu Beginn der Pandemie eigentlich erwartet, dass die Überschuldung steigt. Doch das Gegenteil trat ein: Es gab weniger Gelegenheiten zum Geldausgaben, wie zum Beispiel Urlaub, Wellness, Gastronomie und Kulturausgaben“, erklärte Sprecher Christian Frey. Gleichzeitig hätten Verbraucher verfügbares Geld auch dazu genutzt, bereits aufgelaufene Schulden zu tilgen. Eine weitere Beobachtung sei gewesen, dass viele Haushalte im Angesicht der Krise vorsichtiger gewesen wären, beim Geldausgeben. Nach der Pandemie könne es nun aber zu sogenannten Nachholeffekten kommen, so Frey.

Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Kreditreform, sagte, ein maßgeblicher Überschuldungsauslöser sei während der Corona-Krise auch durch staatliche Hilfsmaßnahmen wie Kurzarbeitergeld ausgeschaltet worden. „Das Geld hat viele Verbraucher vor dem Absturz gerettet“, so Hantzsch. Sobald diese Hilfen ausliefen, werde man sehen, wie es den Menschen und Unternehmen wirklich gehe. Er erwarte deswegen Steigerungen bei den Überschuldungen. „Keine Insolvenzwelle, aber einen Anstieg“, konkretisierte er.

Inflation könnte Überschuldungsfälle wieder ansteigen lassen

Dazu beitragen dürfte auch die gesamtwirtschaftliche Lage: Angesichts der bereits angezogenen Inflation sei eine grundsätzliche Preissteigerung für die Verbraucher bereits vorhanden. „Wenn Dinge des täglichen Bedarfs teurer werden, wird es für Haushalte mit weniger Einkommen deutlich schwieriger“, sagte Christian Frey. Jede Teuerung könne deshalb zur Überschuldung führen.