Brandschutz

Berlins Wohnungsunternehmen verzichten auf Styropordämmung

| Lesedauer: 4 Minuten
Isabell Jürgens
Die Feuerwehr macht sich ein Bild von den Schäden an dem Wohnkomplex. Der bei einem Brand am Montag zerstörte Wohnkomplex in Essen war ein Neubau von 2015.

Die Feuerwehr macht sich ein Bild von den Schäden an dem Wohnkomplex. Der bei einem Brand am Montag zerstörte Wohnkomplex in Essen war ein Neubau von 2015.

Foto: David Young / dpa

Entflammbare Dämmstoffe: Nach dem Großfeuer in Essen fragen sich Mieter auch in Berlin, ob ihre Häuser sicher sind.

Berlin.  Nachdem Brandschutz-Experten nach dem verheerenden Brand, bei dem am Montag ein Wohngebäude in Essen zerstört wurde, vor dem „enormen Gefahrenpotenzial“ durch moderne Außenfassaden warnen, fragen sich auch in Berlin viele Mieter besorgt, ob ihre Häuser eigentlich sicher sind. Wie berichtet, war das erst sieben Jahre alte Mehrfamilienhaus durch das Feuer komplett zerstört worden.

Eine Abfrage der Berliner Morgenpost bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin hat ergeben, dass diese überwiegend schon seit längerem in Neubauten auf entflammbare Polystyroldämmung verzichten. Bei älteren Gebäuden sieht das jedoch anders aus.

Brandschutzregeln wurden 2016 verschärft

Welcher Dämmstoff bei dem Brand in Essen eingesetzt wurde, ist noch nicht bekannt. Allerdings kommen in Neubauten zumeist – und den Vorschriften entsprechend – Wärmedämmverbundsyteme zur Anwendung. Bei diesen werden die Außenwänden aus massiven Baustoffen wie Stein oder Beton mit einer Schicht aus Styropor oder Polystyrol gedämmt, die von nicht brennbaren Mineralwollbahnen unterbrochen werden.

Dadurch soll verhindert werden, dass sich Brände über die Fassade großflächig ausbreiten können. Hauswände mit geringem Abstand zum Nachbargebäude, dürfen seit einer Verschärfung der Brandschutzregeln 2016 gar nicht mehr mit entflammbarem Material gedämmt werden.

„Wir verwenden seit mindestens fünf Jahren ausschließlich Mineralwolle, schon aus ökologischen Gründen“, berichtet Ulrich Schiller, Chef der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge. Allerdings könne es sein, dass bei angekauften Neubauobjekten noch Styropor oder Polystyrol zum Einsatz gekommen sei. „Und natürlich hat dieser Dämmstoff bei der Plattensanierung in den frühen 2000er-Jahren Anwendung gefunden“, sagte Schiller. „Natürlich ist es ein Schock, was da in Essen passiert ist, zumal ich davon ausgehe, dass dort alle Vorschriften eingehalten werden“, sagte Schiller weiter.

„100-prozentigen Brandschutz gibt es nicht“

Die Menschen müssten nun aber nicht in Angst leben: Auch die Kunststoffe gelten, wenn richtig verbaut, als sicher, betonte Schiller. „Einen hundertprozentigen Brandschutz gibt es jedoch nicht, wichtig ist, dass den Menschen genügend Zeit bleibt, sich in Sicherheit zu bringen.“ Dies sei ja in Essen offensichtlich der Fall gewesen, die Bewohner konnten sich in Sicherheit bringen. Trotzdem müsse nach dem Vorfall in Essen nun geschaut werden, welche Lehren aus dem Brand zu ziehen seien.

Ähnlich wie die Howoge hat auch die kommunale Degewo 2018 „im Rahmen der nachhaltigen Bestandsbewirtschaftung und -erweiterung entschieden, zukünftig auf Polystyroldämmung für die Ausführung des Wärmedämmverbundsystems zu verzichten und stattdessen Mineralwolle zu verwenden“, teilt die Sprecherin auf Nachfrage mit.

Essen: 35 Wohnungen brannten aus

Bei dem Feuer in Essen hatte der viereinhalbstöckige Wohnkomplex in sehr kurzer Zeit komplett in Flammen gestanden, 35 Wohnungen brannten völlig aus, inzwischen geht die Eigentümerin davon aus, dass das gesamte Gebäude abgerissen werden muss. Auf Videos ist zu sehen, wie sich der Brand über die Fassade ausgebreitet hat. Beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) sieht man in dem Essener Vorfall dennoch keinen Grund, die bisher übliche Bauweise in Frage zu stellen.

„Feuer breitet sich bei einem Fassadenbrand durch hochschlagende Flammen in aller Regel von unten nach oben und damit vertikal aus. Deshalb bieten die horizontal in Fassaden verbauten Brandschutzriegel in aller Regel einen guten und ausreichenden Schutz vor Fassadenbränden“, sagte Jörg Lippert, Leiter der technischen Abteilung des BBU. Hiervon sei der BBU auch weiterhin überzeugt.

„Beim Brandereignis in Essen ist ein Unfall mit einem außerordentlichen Wetterereignis zusammen gefallen“, so Lippert. Angefacht von starken seitlichen Winden, konnte sich das Feuer horizontal und damit an den Brandschutzriegeln vorbei ausbreiten. „Natürlich wird jetzt aber zusammen mit den Herstellern von Wärmedämmverbundsystemen geprüft werden, welche Schlüsse für die Weiterentwicklung dieser Systeme aus Essen gezogen werden“.