Berlin. Dass Berlins Wirtschaft insgesamt besser durch die Corona-Krise gekommen ist als befürchtet liegt vor allem an den vielen Firmen in der Digital- und Kreativbranche. Software-Unternehmen, Inhalte-Produzenten, Spiele-Entwickler und andere Firmen der Digital- und Kreativbranche haben von Corona sogar profitiert und unter den speziellen Bedingungen der Pandemie neue Geschäftsmodelle entwickelt. Das geht aus dem Medienbarometer von medianet berlinbrandenburg hervor, das der von den Landes-Förderbanken unterstützte Netzwerkverein jährlich aus Umfragen unter seinen 400 Mitgliedsunternehmen erstellt.
Stimmung in der Kreativ- und IT-Branche hat sich „deutlich aufgehellt“
„Wir sehen eine deutlich aufgehellte Stimmung“, fasste medianet-Chefin Jeannine Koch die Ergebnisse für das zweite Pandemiejahr 2021/22 zusammen. Die Mehrheit der Firmen glaube, dass ihre Umsätze „stark steigen“ würden, weil Trends aus der Pandemie auch danach bleibenm würden. Zu ihnen gehört auch Karsten Kossatz. Mit seiner neuen App Independesk vermittelt er unter anderem freie Schreibtische in C-Working-Spaces oder anderen Büros. „Die komplette Infrastruktur für flexibles Arbeiten“ mache Zusammenarbeit überall möglich, so der Gründer, der den Rückenwind für Start-Ups in Berlin lobte.
Der Geschäftsklimaindex in der Berliner Digital- und Kreativbranche liegt insgesamt wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Im Vorjahr wurde die Kennzahl noch mit 102,9 angegeben, jetzt ist sie auf 141,9 Punkte gestiegen. 57 Prozent der Unternehmen zeigten sich sehr zufrieden oder zufrieden, im letzten Barometer waren es nur 40 Prozent. Fast ebenso viele erwarten künftig steigende Umsätze, im Vorjahr waren nur 35 Prozent der Befragten so optimistisch. Zwei Drittel der Firmen wollen Personal aufstocken, nur ein gutes Fünftel hatte im vergangenen Krisenjahr Mitarbeiter abbauen müssen. Insgesamt bleibe aber Mangel an Fachkräften für die Branche das wichtigste Problem, das für viele Betriebe die Expansion behindert.
Nur drei Prozent der Firmen mussten wegen Corona vorübergehend schließen
Nur drei Prozent der Firmen habe während der Pandemie vorübergehend ihr Geschäft einstellen müssen, hieß es. Darunter seien besonders Unternehmen aus der von Versammlungs- und Veranstaltungsverboten besonders betroffenen Musik- und Event-Branche gewesen. Aber fast zwei von drei Firmen habe seine Geschäfte ohne Einschränkungen weiter betreiben können, der Rest konnte mit Einschränkungen weiter machen.
Helge Jürgens vom vor allem in der Filmförderung aktiven Medienboard Berlin-Brandenburg berichtete, dass besonders Unternehmen aus den Bereichen Games, Software und Virtual Reality von den in der Pandemie geänderten Konsumentenwünschen profitiert hätten. Auch Filmproduzenten hätten unter schwierigen Corona-Bedingungen „gedreht wie die Weltmeister“, sagte Jürgens, denn es gebe eine große Nachfrage nach Inhalten. „Serien sind das neue Gold“, so der Filmförderer. Insgesamt hat es laut Medienboard 2021 einen Rekord von 6000 Drehtagen in der Region gegeben, 300 mehr als im Vorjahr. Dennoch habe das Kino in der Pandemie gelitten und niemand könne derzeit sagen, ob sich dieser Abspielkanal „wieder erholen kann“. Auch bei den Herstellern bewegter Bilder habe die Pandemie für einen Innovationsschub gesorgt, berichtete der Branchenkenner. Digitale Produktionstechnologien, die zum Teil aus der Computerspiel-Branche kommen, seien stärker genutzt worden.
Firmen haben neue Geschäfte entwickelt in Kooperation mit „Old Economy“ entwickelt
Viele Unternehmen haben sich in der Pandemie weiter vernetzt, auch mit Unternehmen der so genannten „Old Economy“. Immerhin ein Viertel der Befragten hat neue Kooperationen aufgebaut, die meist innerhalb der IKT/Medien/Kreativwirtschaft blieben, aber zur Hälfte auch andere Sektoren erreichten, darunter vor allem Akteure aus den Sektoren Mobilität, Gesundheit und Energietechnik. Zwei Drittel der Kreativfirmen schuf während der Pandemie neue Produkte und Dienstleistungen, die Hälfte erschloss neue Märkte oder erweiterte seine Vermarktungsmöglichkeiten. Knapp jedes zehnte Unternehmen hat auch ein neues Geschäftsmodell aufgebaut. Jan-Michel Saaksmeier von NeXR Technologies begleitet Unternehmen mit neuer Technik bei der Digitalisierung und in virtuelle Welten, etwa beim digitalen Anprobieren von Kleidung vor dem Kauf im Internet. Für sein Unternehmen habe die Pandemie bei potenziellen Kunden viele Türen geöffnet. „Covid 19 war Wasser auf unsere Mühlen“, sagte Saaksmeier. Aber auch er berichtet von der Knappheit von Fachleuten. „Für unsere Technologie gibt es in Deutschland noch nicht genug Nachwuchs und Expertise.“
Von Berliner Senat und der Brandenburger Landesregierung erwarten die Unternehmen vor allem Fördermittel, eine Unterstützung bei der Vernetzung, Hilfe bei der Weiterbildung sowie einen Abbau der Bürokratie, die nach Ansicht der Branche immer noch etwa die kurzfristige Verpflichtung von Talenten aus dem Ausland bremst. Ihre Wünsche wird die Kreativ- und IT-Branche am heutigen Mittwoch im Medienausschuss des Abgeordnetenhauses in einer Anhörung vortragen.