Mobilität

Fahrradverkehr hat 2021 in Berlin abgenommen

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In Berlin wurden 2021 weniger Radfahrer an den Dauerzählstellen erfasst als im ersten Pandemiejahr.

In Berlin wurden 2021 weniger Radfahrer an den Dauerzählstellen erfasst als im ersten Pandemiejahr.

Foto: Annette Riedl / dpa

Nach dem Rekord im ersten Pandemie-Jahr ging der Verkehr 2021 um zehn Prozent zurück. Der ADFC ist aber optimistisch.

Berlin. Der Boom aus dem ersten Pandemie-Jahr hat sich nicht fortgesetzt: Während die Zählstellen 2020 für den Radverkehr in Berlin ein deutliches Plus auswiesen, ging es im vergangenen Jahr wieder einen Schritt zurück. Rund 20,7 Millionen Radfahrerinnen und Radfahrer wurden von 16 Dauerzählstellen der Senatsmobilitätsverwaltung im Jahr 2020 erfasst, im Folgejahr waren es gut 19,3 Millionen an 18 Standorten. Zieht man die Daten vom 2021 neu hinzugekommenen Fahrradbarometer an der Straße des 17. Juni sowie von der im Dezember in Betrieb gegangenen Zählstelle an der Karl-Marx-Allee ab, kommt man sogar nur auf etwa 18,5 Millionen Radfahrer – das entspricht einem Rückgang von circa 10,5 Prozent.

Die Entwicklung betrifft dabei sämtliche Dauerzählstellen, in den Außenbezirken wie in der Innenstadt. An keinem Standort wurde der Wert aus 2020 erneut erreicht oder gar übertroffen. So gab es beispielsweise an der Jannowitzbrücke – der Ort mit den meisten erfassten Radfahrenden – einen Rückgang von knapp 3,2 Millionen auf knapp 2,7 Millionen. Auf Rang zwei folgte in beiden Jahren die Berliner Straße in Pankow, dort sank die Zahl der erfassten Radfahrer von rund 2,3 auf gut zwei Millionen. Der wenigste Radverkehr unter allen Zählstellen wurde, ebenfalls in beiden Jahren, an der Alberichstraße in Biesdorf registriert. Knapp 186.000 Radfahrende waren es im vergangenen Jahr, ein Minus von rund 31.000.

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Daten der Radfahrer decken sich mit Entwicklung der Mobilität

Blickt man allerdings auf die Jahre vor der Pandemie zurück, zeigt sich: Insgesamt deutet der Trend zum Radfahren weiter nach oben. Im Jahr 2018 kamen die Dauerzählstellen ohne den Standort Oberbaumbrücke, der zurzeit baustellenbedingt keine Daten liefert, auf knapp 17,9 Millionen Radfahrerinnen und Radfahrer, 2019 waren es etwa 16,9 Millionen. Diese Werte wurden also auch 2021 übertroffen.

Zugleich decken sich die Daten der Radfahrer für das vergangene Jahr in etwa mit der gesamten Entwicklung der Mobilität in dem Zeitraum. Die erste Jahreshälfte war vom Lockdown geprägt und das Frühjahr laut Deutschem Wetterdienst außerdem ungewöhnlich kalt. Hinzu kam die Homeoffice-Pflicht. Erhebliche Lockerungen kamen erst Ende Mai, als die Gastronomie wieder öffnen durfte, weitere Entschärfungen folgten im Verlauf des Sommers.

Mehr Fahrradfahrer in der zweiten Jahreshälfte

Das hatte Folgen für die Mobilität der Menschen, wie eine Auswertung anonymisierter Mobilfunkdaten durch das Statistische Bundesamt für Berlin erkennen lässt. Erst ab Ende Mai kam die Mobilität, von wenigen Spitzentagen abgesehen, wieder an das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 heran oder überstieg dieses sogar. Unterschiede zwischen den Halbjahren zeigen sich so auch beim Radverkehr: Bis Ende Juni erfassten die Dauerzählstellen 8,4 Millionen Radfahrer, in der zweiten Jahreshälfte waren es an denselben Standorten 10,1 Millionen.

Der Fahrradclub ADFC verweist ebenfalls auf die Corona-Einschränkungen und das vermehrte Arbeiten von zu Hause als Gründe für den Rückgang der Radverkehrszahlen gegenüber dem Jahr 2020. Vermutlich seien deutlich weniger Pendlerinnen und Pendler mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, sagt der ADFC-Landesvorsitzende Frank Masurat. „Hinzu kam ein starker Wintereinbruch in der zweiten Februarhälfte des Jahres 2021, der den Radverkehr gegenüber den Vorjahren reduzierte – auch weil der Räumung der Radverkehrsanlagen weiterhin keine hohe Priorität zukommt.“

ADFC sieht grundsätzliche Entwicklung positiv

Gleichzeitig betont er aber, dass man eine verstärkte Nutzung der Pop-up-Bikelanes bemerke, wo zuvor keinerlei Radwege existiert hätten, was allerdings statistisch nicht erfasst wird. „Mangels vorheriger Radverkehrsanlagen gibt es an diesen Abschnitten bisher auch keine Radverkehrszählstellen“, sagt Masurat. Und auch die grundsätzliche Entwicklung sieht der ADFC positiv. Masurat spricht im Mittel der vergangenen fünf Jahre von einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung des Radverkehrs um 4,6 Prozent. Und es gibt aus Sicht des Fahrradclubs – unter bestimmten Voraussetzungen – noch mehr Potenzial. „Wenn wir schnell genug breite und sichere Radverkehrsanlagen bauen, werden noch viel mehr Menschen vom Kfz auf das Fahrrad umsteigen“, so Masurat.

Ziel der Senatsverwaltung ist es, die Zahl der erfassten Radfahrer an den entsprechenden Stellen sichtbar zu machen – mithilfe von Fahrradbarometern, wie jenem an der Straße des 17. Juni. Dieses weist zum einen die Gesamtzahl an Radfahrern aus, zum anderen auch die Zahl des jeweiligen Tages; die Mobilitätsverwaltung verspricht sich davon eine motivierende Wirkung. Noch in dieser Woche soll der zweite Standort enthüllt werden: Bereits seit Dezember werden Radfahrende an der Karl-Marx-Allee in Mitte erfasst, bislang ist das Barometer allerdings noch von einer Folie bedeckt. Diese soll planmäßig am Mittwoch entfernt werden, hieß es auf Anfrage von der Firma Infravelo, sodass dann auch alle Vorbeifahrenden die Zahl der Radfahrer sehen können. Im Januar dieses Jahres waren es bereits etwa 50.000.