Berlin. Mehr als 20.000 mietbare E-Scooter gibt es inzwischen in Berlin, im Jahr 2021 sind noch einmal zwei neue Anbieter hinzugekommen. Mit der wachsenden Zahl zeigt sich aber auch, dass die Unfälle, in die E-Scooter involviert sind, zunehmen. Wie aus der der Antwort auf eine aktuelle Anfrage des CDU-Abgeordneten Oliver Friederici hervorgeht, wurden zwischen Januar und Ende November 2021 insgesamt 775 Unfälle registriert. Im gesamten Vorjahr waren es nur 325, die Zahl hat sich also mehr als verdoppelt.
Und auch die Zahl an Personen, die bei Unfällen mit E-Scootern verletzt wurden, hat sich erheblich erhöht. Von 235 im Jahr 2020 stieg sie auf 572 in den ersten elf Monaten 2021. Die Zahlen zeigen zudem, dass es bei E-Scooter-Unfällen verhältnismäßig viele Verletzte gibt. Dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg zufolge wurden insgesamt bei Verkehrsunfällen in Berlin von Januar bis November 13.625 Personen verletzt. Die Geschädigten im Zusammenhang mit E-Scooter-Unfällen machen daran gut vier Prozent aus. Dagegen ist der Anteil von E-Scooter-Unfällen an allen Verkehrsunfällen deutlich geringer, er liegt bei weit unter einem Prozent. Das Statistikamt registrierte in dem Zeitraum insgesamt 116.111 Zusammenstöße.
E-Scooter-Unfälle: Anbieter verweisen auf mehr Fahrten
Von der Anbieter-Seite wird betont, dass man E-Scooter grundsätzlich für sichere Verkehrsmittel halte. Die gestiegene Zahl an Unfällen wird unter anderem darauf zurückgeführt, dass Menschen 2021 wieder deutlich mehr unterwegs waren als im ersten Pandemiejahr. „Dies führte zu mehr Fahrten mit E-Scootern ebenso wie mit anderen Fortbewegungsmitteln“, sagt Sebastian Schlebusch, Sprecher der Arbeitsgruppe Mikromobilität im Branchenverband „Plattform Shared Mobilty“. „Gemessen an den tatsächlich gefahrenen Kilometern ist die Anzahl der Unfälle sogar rückläufig, wie uns auch die Rückmeldungen der Versicherer zeigen.“ Schwere Verletzungen bei Unfällen seien zudem selten, sofern kein Pkw oder Lkw beteiligt sei.
Konkrete Zahlen für die zunehmende Nutzung der E-Scooter liefert das Unternehmen Voi: Demnach hat sich die Anzahl an Fahrten mit Voi-Tretrollern in Berlin von 2020 auf 2021 mehr als verfünffacht. Im Schnitt seien die E-Scooter im vergangenen Jahr für über 10.000 Fahrten am Tag genutzt worden, sagt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. Auch er betont daher, dass der Anstieg an Fahrten deutlich höher sei als bei den Unfällen. Zudem handele es sich häufig um Alleinunfälle, zum Beispiel weil Nutzer die Fahrzeuge bei der ersten Fahrt unterschätzen.
Als vorbeugende Maßnahme gegen Unfälle sollen aus Sicht der Anbieter unter anderem regelmäßig organisierte Fahrsicherheitstrainings helfen – Voi kündigt an, dass es diese auch wieder in Berlin geben werde. Als weitere Beispiele verweist der Unternehmenssprecher auf eine digitale Fahrschule, die bereits 200.000 Teilnehmer in Deutschland absolviert hätten, oder einen Anfängermodus, bei dem die Geschwindigkeit des E-Scooters gedrosselt wird.
272 umgesetzte E-Scooter in Neukölln
Unabhängig von Unfällen bleiben Roller, die mitten auf Geh- oder Radwegen, aber auch in Grünanlagen abgestellt werden, für viele ein Ärgernis. Die Bezirke gehen damit unterschiedlich um, wie deren Antworten auf die parlamentarische Anfrage zeigen. Friedrichshain-Kreuzberg teilte beispielsweise mit, dass im Dezember, nach einem Schreiben des Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenvereins Berlin zu den Problemen, Schwerpunktaktionen stattgefunden hätten. Dabei seien an „vier Tagen insgesamt 100 einschlägige Anzeigen gefertigt“ worden.
Neukölln berichtet von drei Umsetzungen von E-Scootern im Jahr 2020 und bereits 272 in 2021, verweist dabei aber auch darauf, dass die Roller in Neukölln „ein verhältnismäßig neues Phänomen“ seien. Das könnte den enormen Anstieg erklären. In Steglitz-Zehlendorf haben der Antwort zufolge Parkläufer vor allem im Sommer E-Scooter aus Grünanlagen entfernt, schätzungsweise seien es pro Jahr 200 Fahrzeuge gewesen. Und aus Tempelhof-Schöneberg heißt es für die Jahre 2020 und 2021: „Der Außendienst wurde im angefragten Zeitraum mit Anzeigen tätig in 694 Fällen.“
Anforderungskonzept für Sharing-Angebote soll im April vorliegen
Mehr Möglichkeiten zur Regulierung der Mietfahrzeuge soll das neue Straßengesetz bieten, das im vergangenen Jahr im Abgeordnetenhaus beschlossen wurde und im September in Kraft tritt. Notwendig werden dann Sondernutzungserlaubnisse für das gewerbliche Anbieten von E-Tretrollern im Straßenland, und damit auch Gebühren für die Anbieter. Zudem kann das Land künftig die Zahl der Anbieter oder Fahrzeuge bei Auswahlverfahren begrenzen und Flächen benennen, wo keine E-Scooter abgestellt werden dürfen. Die genauen Regularien wurden allerdings noch nicht benannt, sondern werden noch festgelegt.
Dazu wird bereits seit März 2021 an einem Anforderungskonzept für sogenannte Freefloater Sharing-Angebote, die also überall und nicht nur an festen Parkzonen abgestellt werden können, gearbeitet. Im April soll das fertige Konzept vorliegen. Auch eine Verordnung für die Sondernutzungsgebühren wird derzeit erarbeitet. „Dabei werden mehrere Kriterien für die Festlegung der Bepreisung geprüft, etwa die Fahrzeugart, der Standort – Innenstadt/ Außenbezirke – oder die Antriebsart“, erklärt Matthias Borowski, Sprecher der Senatsmobilitätsverwaltung. Wie hoch die Gebühren ausfallen, könne noch nicht gesagt werden.
Striktere Regulierungen erst ab 2023 möglich
Wie aus der E-Scooter-Branche zu hören war, gibt es die Überlegung, dass die zu zahlenden Sondernutzungsgebühren in der Innenstadt höher sind, während sie in den äußeren Teilen geringer werden. Die Anbieter der Roller zeigen sich Gebühren gegenüber insgesamt offen, sofern die Einnahmen in die Infrastruktur, wie etwa weitere Parkflächen, investiert werden.
Bei dem Gesetz ist aber auch eine einjährige Übergangsphase angedacht, was heißt: Noch nicht alles wird ab kommenden September durchsetzbar sein. „Die Sondernutzungserlaubnispflicht tritt im September 2022 in Kraft, eine erste Stufe von Regulierungen ist ab diesem Zeitpunkt bereits möglich“, sagt Borowski. „Striktere Regulierungen sollen plangemäß ein Jahr später wirksam werden.“