Berlin. Fast 20.000 Mietwohnungen wurden 2020 zu Eigentumswohnungen – viele in Milieuschutzgebieten, wie aus dem Jahresbericht zur Umwandlungsverordnung für Berlin hervorgeht, den die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in dieser Woche veröffentlicht hat und über den die Berliner Morgenpost am Donnerstag berichtet hat. Demnach stieg die Zahl der umgewandelten Wohnungen von rund 12.700 Wohnungen im Jahr 2019 auf rund 19.200 Wohnungen im vergangenen Jahr – und zwar gleichermaßen in- und außerhalb der Milieuschutzgebiete, in denen die Umwandlungsverordnung genau das eigentlich verhindern soll.
In den sozialen Erhaltungsgebieten – so die offizielle Bezeichnung der Milieuschutzgebiete im Baugesetzbuch (BauGB)– , von denen es in Berlin aktuell 72 gibt, dürfen Mietwohnungen seit 2015 nur noch mit behördlicher Genehmigung zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Dass die Verordnung nicht wirkt, liegt aus Sicht des Berliner Mietervereins (BMV) vielen Ausnahmen vom Umwandlungsverbot, die von den Eigentümern offenbar bevorzugt genutzt werden. Die Berliner Morgenpost nennt die Wichtigsten:
Genehmigung muss erteilt werden, wenn sieben Jahre nur an Mieter verkauft wird
Die von Eigentümern mit Abstand am häufigsten genutzte Ausnahmeregelung findet sich im Paragraf 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 6 des Baugesetzbuches. Die Regelung besagt, dass eine Genehmigung zu erteilen ist, wenn sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter zu verkaufen. Im Zeitraum 14. März 2015 bis 31. Dezember 2020 mussten aufgrund dieser Regelung die Umwandlung von 32.975 Wohnungen genehmigt werden. Das entspricht 98,6 Prozent aller in diesem Zeitraum genehmigten Umwandlungen in den sozialen Erhaltungsgebieten, wie aus der Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen auf eine parlamentarische Anfrage der Berliner Abgeordneten Gabriele Gottwald (Linke) vom August dieses Jahres hervorgeht.
Verzicht auf Umwandlung muss wirtschaftlich zumutbar sein
Doch es gibt weitere Möglichkeiten, das Umwandlungsverbot zu umgehen, wie der Berliner Mieterverein weiter ausführt. Nach Paragraf 172 Abs. 4 Satz 2 BauGB ist die Genehmigung zu erteilen, wenn dem Eigentümer ein Verzicht auf die Umwandlung auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Kosten der Bewirtschaftung des Gebäudes im bestehenden Zustand nicht durch seine Erträge oder den Nutzwert für den Eigentümer aufgewogen werden können.
Die Immobilie gehört zu einem Nachlass
In weiteren gesetzlich geregelten Ausnahmefällen, so der Mieterverein, muss der Bezirk eine Umwandlungsgenehmigung erteilen, wenn das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum oder Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll (§ 172 Abs. 4 Nr. 2 BauGB), oder das Wohnungseigentum/Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll (§ 172 Abs. 4 Nr. 3 BauGB)
Ansprüche Dritter können anders nicht erfüllt werden
Wenn ohne die Genehmigung die Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist (§ 172 Abs. 4 Nr. 4 BauGB), müssen die Bezirke dem Antrag auf Umwandlung zustimmen.
Das Haus wurde zuvor nicht zu Wohnzwecken genutzt
Wenn das Gebäude zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht zu Wohnzwecken genutzt wird (§ 172 Abs. 4 Nr. 5 BauGB), muss der Bezirk eine Umwandlungsgenehmigung erteilen.
Wie geht es weiter?
Dass Mietwohnungen künftig besser vor Umwandlung geschützt werden, soll das vom Deutsche Bundestag im Juni dieses Jahres beschlossene Baulandmobilisierungsgesetz ermöglichen. Der Paragraf 250 − Bildung von Wohnungseigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten − wurde dazu als neue Regelung in das Baugesetzbuch aufgenommen.
Die Rechtsverordnung ist zunächst bis zum 31. Dezember 2025 befristet. Sie erlaubt es den Ländern, Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt auszuweisen. Der Berliner Senat hat dazu im August eine Rechtsverordnung beschlossen. Darin wird die ganze Stadt als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt ausgewiesen – Umwandlungen in bestehenden Gebäuden in einer Größenordnung ab fünf Wohnungen bedürfen dann einer behördlichen Genehmigung.
Ein komplettes Umwandlungsverbot bedeutet das zwar nicht, weil wiederum Ausnahmen vorgesehen sind. So können Umwandlungen genehmigt werden, wenn mindestens zwei Drittel der Mieter ihre Wohnungen verbindlich kaufen wollen. Doch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat angekündigt, dass die Bezirke angehalten sind, die Regelung restriktiv anzuwenden. So soll es erforderlich sein, dass der Eigentümer notariell beurkundete Erklärungen einer entsprechenden Anzahl von kaufwilligen Mietern vorlegt.
„Nicht ausreichend ist die reine einseitige Absichtserklärung des Eigentümers, an zwei Drittel der Mieter veräußern zu wollen“, erklärte Wenke Christoph, Berlins Staatssekretärin für Wohnen. Im Paragraf 250 seien zudem weitere Sicherungen verankert, die Umgehungen des Gesetzeszwecks verhindern: „Unter anderem sind die betroffenen Mieter anzuhören und die Bezirke können in der Genehmigung zur Umwandlung bestimmen, dass auch der Verkauf der Wohnungen vom Bezirk genehmigt werden muss.“