Berlin. Die Initiative will 60 Prozent der Sitze in der Expertenkommission und keine Vertreter der Wohnungs- und Finanzwirtschaft.
Die als Friedensangebot gedachte Einsetzung einer Expertenkommission zur Umsetzung des umstrittenen Volksentscheids zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen stellt die in Bildung befindliche rot-grün-rote Landesregierung auf eine harte Bewährungsprobe. Nachdem Anfang dieser Woche die angehenden Koalitionäre ihre Vereinbarung zum Umgang mit dem Volksentscheid vorgestellt haben, legte die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ am Freitag Forderungen vor, die unerfüllbar sein dürften. So sollen in der geplanten Expertenkommission keine Personen sitzen dürfen, die in „jeglicher Abhängigkeit zur Finanz- und Immobilienwirtschaft“ stehen. Zudem sollen 59,1 Prozent der Experten von der Initiative benannt werden.
Begründet wird die Forderung mit dem Anteil der Wähler, „die für den Volksentscheid gestimmt haben“, heißt es in einer am Freitag verbreiteten Mitteilung. Nur so werde der Willen der Stadtgesellschaft repräsentiert, heißt es weiter. Grundsätzlich sei die Initiative zu einer Mitarbeit in der Kommission bereit. Unabhängig davon werde die Initiative ihre zentrale Aufgabe weiterverfolgen, die Vergesellschaftung großer und profitorientierter Wohnungsunternehmen so schnell wie möglich umzusetzen.
Koalition setzt ausdrücklich auf „externe fachliche Expertise“
Erst nach stundenlangen Verhandlungen hatte die Dacharbeitsgruppe für die Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und Linken kurz nach Mitternacht am frühen Dienstagmorgen ihre „Einigung zum Umgang mit dem Volksentscheid“ veröffentlicht. Darin ist vereinbart, dass der künftige Senat eine Expertenkommission zur Prüfung der Umsetzung des Volksbegehrens einsetzt.
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Die Besetzung der Expertenkommission soll demnach „unter Beteiligung der Initiative“ erfolgen und innerhalb eines Jahres eine Empfehlung für das weitere Vorgehen an den Senat erarbeiten. Weiter heißt es in dem Papier, dass der Senat über die „Einberufung, Beauftragung und Besetzung der Expertenkommission“ entscheidet – nicht die Initiative. Und weiter: „Dabei setzt die Koalition auf externe fachliche Expertise.“ Wenn Vertreter der Finanz- und Immobilienbranche von vornherein ausgeschlossen werden sollen, wie von der Initiative gefordert, wäre die externe Expertise zumindest nur stark eingeschränkt möglich.
„SPD und Immobilienlobby wollen der starken Bewegung von uns Mieter:innen den Wind aus den Segeln nehmen“, heißt es in der Mitteilung der Initiative weiter. „Wir lassen uns nicht hinhalten und wir lassen uns auf keine faulen Kompromisse ein. Wir machen so lange Druck, bis es ein Vergesellschaftungsgesetz gibt.“
Berliner Mieterverein lehnt die Forderung ab
Beim Berliner Mieterverein (BMV), der den Volksentscheid sonst ausdrücklich unterstützt, sorgt die Forderung denn auch für Ablehnung. „Der BMV akzeptiert, dass die Verantwortung für die weitere Umsetzung des Volksentscheids nun beim Berliner Senat liegt“, teilte BMV-Geschäftsführer Reiner Wild auf Nachfrage der Berliner Morgenpost mit. „Richtig ist, dass die betroffenen Unternehmen nicht in die Expertenkommission gehören. Finanz- und Immobilienwirtschaft ist hingegen ein sehr weiter Begriff“, so Wild. Auch die gemeinwohlorientierte oder gemeinnützige Wohnungswirtschaft gehöre schließlich zur Immobilienwirtschaft. „Den Transformationsprozess zum Beispiel hin zu einer Anstalt öffentlichen Rechts ohne Experten der Gemeinnützigkeit besprechen zu wollen, kann ich mir nicht vorstellen“, sagte Berlins bekanntester Mietervertreter. Deshalb halte der BMV dieses Ansinnen nicht für zielführend.
Auch die Forderung nach 60 Prozent der Plätze hält der BMV nicht für sachgerecht. „Eine Expertenkommission ist kein Parlament, in der es um die Anzahl der Mandate geht. Die Expertenkommission wird eine Empfehlung abgeben, die ohnehin nicht einhellig sein wird“, sagte Wild weiter.
Soziale Wohnungswirtschaft will mit an den Tisch
Dass der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), in dem sowohl börsennotierte Konzerne wie die Vonovia, aber auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und die Genossenschaften die Forderungen der Initiative ablehnen, überrascht nicht: „Es ist Aufgabe einer Expertenkommission, sich aus verschiedensten Perspektiven mit allen Facetten eines Themas auseinanderzusetzen“, sagte BBU-Chefin Maren Kern. Dass die soziale Wohnungswirtschaft Teil der Kommission sein müsse, könne deshalb niemand ernsthaft in Frage stellen. „Nur so kann die Expertenkommission den Auftrag der Koalition angemessen erfüllen“, betonte Kern. Zwar habe eine Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner hat am 26. September 2021 für den Vorschlag der Initiative gestimmt: Das darf die Initiative aber nicht damit verwechseln, dass sie damit ein wie auch immer geartetes demokratisches Mandat bekommen hätte. Das zu behaupten, spricht für ein sehr befremdliches Verständnis von Demokratie und Partizipation“, so die BBU-Vorständin weiter.
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