Wahlen

Wahl-Chaos: SPD fordert hauptamtliche Wahlleitung

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Jens Anker
Nach dem Wahlchaos am vergangenen Sonntag in Berlin fordern immer mehr Politiker Konsequenzen (Symbolbild).

Nach dem Wahlchaos am vergangenen Sonntag in Berlin fordern immer mehr Politiker Konsequenzen (Symbolbild).

Foto: Sebastian Gollnow / dpa

Innen-Experte Tom Schreiber: „Eine Wahl sitzt man nicht nebenbei ab“. Parteien fordern nach dem Wahl-Chaos in Berlin Konsequenzen.

Nach dem Bekanntwerden von immer mehr Unregelmäßigkeiten rund um die Wahlen am vergangenen Sonntag wächst der politische Druck, das Chaos zügig aufzuarbeiten und Konsequenzen zu ziehen. Zudem werden Stimmen laut, das Amt der Wahlleitung künftig zu stärken. „Ich glaube, dass das nicht mehr ehrenamtlich zu machen ist“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Tom Schreiber, am Sonnabend.

Landeswahlleiterin Petra Michaelis ist hauptamtlich beim Rechnungshof beschäftigt und organisiert die Wahlen bislang im Ehrenamt. Möglicherweise liege hier eine der Ursachen für die zahlreichen Wahlpannen am vergangenen Sonntag, vermutet Schreiber.

Unabhängig von der Fehleranalyse müsse das künftige Parlament überlegen, wie das Amt gestärkt und aufgewertet werden könne. „Klar hat die Person zwischen den Wahlen viel Luft, etwas anderes zu machen, aber es zeichnet sich ab, dass das künftig hauptamtlich organisiert werden muss“, sagte Schreiber. „So eine Wahl sitzt man nicht nebenbei ab.“ Zuerst gelte es allerdings zu analysieren, ob es sich bei den Fehlern um strukturelle Probleme handele.

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Wahl-Chaos in Berlin: Erste Berichte in der kommenden Woche

Auch die Grünen fordern eine gründliche Aufklärung aller Versäumnisse. „Wir benötigen eine umfassende Aufarbeitung der Mängel“, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, am Sonnabend. Dazu gehöre die Auswertung aller Fehler, nicht nur derjenigen, die bislang bekannt geworden sind. „Es muss sichergestellt sein, dass jeder seine Stimme abgeben kann.“

In der kommenden Woche sollen die ersten Berichte der Bezirkswahlausschüsse vorliegen. Über weitere Konsequenzen müsse dann danach entschieden werden, so Lux weiter.

Auch die FDP fordert eine umfassende Aufklärung. „Im Nachgang muss jetzt geklärt werden, was wann und in wessen Verantwortung schiefgegangen ist“, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Paul Fresdorf. „Diejenigen, die Verantwortung tragen, müssen dann auch Verantwortung übernehmen.“ Vor allem müsse sichergestellt werden, dass kommende Wahlen fehlerfrei durchgeführt werden.

Die CDU fordert ein Ende des Weiter-so

Die CDU sieht sich in ihrer Forderung bestätigt, an einer künftigen Landesregierung beteiligt zu sein. „Das unfassbare Organisationsversagen des Senats bei dieser Wahl hat einmal mehr gezeigt, dass es kein Weiter-so in Berlin geben darf“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Stefan Evers. „Wir wollen die Stadt für die Herausforderungen der Zukunft wappnen.“

Die AfD fordert eine Sondersitzung des Abgeordnetenhauses in der kommenden Woche, um die Fehler aufzuarbeiten. „Berlin hat sich international der Lächerlichkeit preisgegeben“, sagte der scheidende Fraktionschef Georg Pazderski. „Die Botschaft, Deutschlands Hauptstadt kann keine Demokratie, muss schnellstmöglich mit Nachdruck ausgeräumt werden.“

Doch dazu wird es wohl nicht kommen. Keine der anderen Fraktionen im Abgeordnetenhaus unterstützt die Forderung nach einer Sondersitzung. „Wir müssen zunächst ein klares Lagebild erhalten, eine Skandalisierung bringt jetzt nichts“, sagte FDP-Politiker Fresdorf.

Zahlreiche Wahlpannen aus den Bezirken gemeldet

Rund um die Wahlen zum Bundestag, Abgeordnetenhaus, den Bezirken und dem Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienkonzerne am vergangenen Sonntag waren zahlreiche Versäumnisse bekannt geworden. Wähler klagten über fehlende Wahlbenachrichtigungen und Briefwahlunterlagen, falsche, vertauschte oder fehlende Wahlzettel.

Auch zahlreiche Ergebnisse warfen Fragen auf. In Charlottenburg-Wilmersdorf wurden sie sogar teilweise geschätzt, in anderen Wahllokalen tauchten mehr Stimmen auf als Wahlberechtigte registriert sind. Über die Ursachen der Pannen hüllt sich das Landeswahlamt derzeit noch in Schweigen.

Auch über die Vorbereitung der Wahlen mehren sich die Beschwerden. So seien viele neue Wahlhelfer vollkommen unvorbereitet am Wahltag in den Wahllokalen erschienen, zudem standen zu wenig Wahlkabinen zur Verfügung und es fehlten Wahlunterlagen.

Landeswahlleiterin Michaelis hat bereits Rücktritt erklärt

Nach Angaben des „Spiegel“ hatte der Bundeswahlleiter bereits im August vor möglichen Pannen in Berlin gewarnt. Demnach wies er auf eine Sicherheitslücke hin. Es sei schwer nachzuvollziehen, ob EU-Ausländer, die an den Bezirkswahlen teilnehmen durften, nicht auch unberechtigt die anderen Wahlzettel ausfüllten und abgaben.

Das amtliche Endergebnis und ein umfassender Bericht zu den Versäumnissen soll bis zum 14. Oktober vorliegen. Ob in Berlin so schwerwiegende Mängel festgestellt werden, dass die Wahl wiederholt werden muss, ist derzeit noch offen. Landeswahlleiterin Petra Michaelis hatte in der Folge bereits ihren Rücktritt angekündigt.