Berlin. Wegen Demonstrationen in Berlin ist es am Sonnabend zu zahlreichen Sperrungen und Verkehrsbehinderungen gekommen. Ein Aufzug gegen zu hohe Mieten setzte sich gegen 13 Uhr am Alexanderplatz in Richtung Großer Stern in Bewegung. Das Motto: „Wohnen für alle! Gemeinsam gegen hohe Mieten und Verdrängung“.
Ein Sprecher des Bündnisses sagte bei seiner Rede, dass bundesweit alle Mietkonzerne enteignet werden müssten. Wohnraum dürfe nicht an die Börse. „Wir von unserem Aktionsbündnis fordern einen bundesweiten Mietendeckel von der neuen Bundesregierung.“ Entsprechend war auf Transparenten bei der Kundgebung zu lesen: „Für eine Stadt mit bezahlbaren Mieten für alle“ und „Mieter, spürt eure Macht“.
Die Polizei schätzte die Zahl der Demonstranten auf etwas weniger als 4000 Teilnehmer. Die Organisatoren vom „Berliner Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“ sprachen hingegen von 20.000 Teilnehmern. Gegen 15.15 Uhr erreichte die Spitze des Protestzugs den Großen Stern. Dort fanden Abschlusskundgebungen und ein Konzert statt.
"Für mich ist es Gänsehaut. Wie viele verschiedene Gruppen hier mitgelaufen sind - Wahnsinn", sagte Franziska Schulte vom Berliner Mieterverein in einem ersten Resümee, kurz nach dem Ende der Demo-Route. Alles sei friedlich abgelaufen, und auch Masken seien eigentlich immer getragen und Abstände eingehalten worden, so Schulte. Jetzt hoffe sie, dass sie mit Ihrem Protest-Zeichen zum Erfolg des Volksentscheids in zwei Wochen beitragen können.
Gewerkschaftsbund fordert Sozialwohnungen gegen „Preisspirale“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verlangte einen bundesweiten sechsjährigen Mietenstopp, um die „Preisspirale“ zu durchbrechen. „Von der neuen Bundesregierung fordern wir eine neue Wohnungsbaupolitik, die auf mehr bezahlbaren und sozialen Wohnraums setzt“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell.
Viele Beschäftigte müssten weite Arbeitswege in Kauf nehmen, weil das Wohnen in Städten zu teuer sei. „Vielfach verpuffen die von uns erkämpften Lohnsteigerungen der letzten Jahre - sie werden von den steigenden Wohnkosten regelrecht aufgefressen.“ Von den Entwicklungen profitierten vor allem große Wohnungskonzerne. „Wir sagen daher: Wohnraum ist ein Menschenrecht und kein Spekulationsobjekt.“ Es müssten jährlich 400.000 Wohnungen - darunter 100.000 Sozialwohnungen - gebaut werden, um dem Bedarf gerecht zu werden.
Wohnen ein Menschenrecht und kein Spekulationsobjekt
Karlheinz Paskuda vom "Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn" erklärte, ein bundesweiter Mietendeckel, wie er zunächst von Berlin angestrebt, aber vom Bundesverfassungsgericht wegen fehlender Länderkompetenz kassiert worden war, sei machbar, wenn eine neue Bundesregierung das politisch wünsche. „Gentrifizierung und Verdrängung“ sei mittlerweile ein bundesweites Problem.
In Berlin finde die Verdrängung aus bezahlbaren Wohnungen dabei im Zeitraffer-Tempo statt. Nötig sei deshalb die Enteignung und Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne. Anstatt in den Erhalt der Wohnungssubstanz zu investieren, würden Konzerne vor allem ihre Aktionäre mit Gewinnen bedienen, kritisierte Paskuda. Am 26. September können Berlinerinnen und Berliner in einem Volksentscheid über die Enteignung großer Immobilienunternehmen abstimmen.
Aufgerufen zur der „#mietendemo21“ hatten unter anderem das „Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“, die Berliner Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ und die Kampagne „Mietenstopp! Denn dein Zuhause steht auf dem Spiel“. Sie werden bundesweit von Hunderten Initiativen und Organisationen getragen und unterstützt. Zum Kreis der Unterstützern zählen der Paritätische Gesamtverband, der Deutsche Mieterbund (DMB), die BAG Wohnungslosenhilfe (BAG W), der Berliner Mieterverein, ver.di, GEW (Berlin), IG Metall (Berlin), DMB Bayern und Hessen sowie zahlreiche weitere Landesverbände.
Hells Angels und Bandidos ziehen mit Motorradkorso durch Berlin
Zu einer weiteren Demonstration kam es am späteren Nachmittag. Mehr als 2000 Rocker und Motorradfahrer zogen mit einem Korso unter dem Motto „Freedom is our Religion“ (Freiheit ist unsere Religion) durch Berlin. Angemeldet waren 3500 Teilnehmer, darunter der Motorradclub Bandidos MC sowie die Hells Angels Nomads mit 1500 Motorrädern. Die Route führte von Alt-Biesdorf zum Brandenburger Tor, wo eine Kundgebung geplant war - und wieder zurück.
Die Fahrer waren auf lauten Maschinen unterwegs und trugen überwiegend Lederbekleidung oder T-Shirts - jedoch keine Kutten. Die Demonstration sollte ein Zeichen für Freiheit und Grundrechte der Motorradfahrer setzen, teilten die Veranstalter auf ihrer Internetseite mit.
Die Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet fühlen sich demnach durch mögliche Fahrverbote, Kuttenverbote, Internetzensur und Nummernschild-Scan eingeschränkt. Bevor es neue oder verschärfte Gesetze gebe, müssten die bestehenden erst ausgeschöpft sein, hieß es in einer Pressemitteilung.
Nach Polizeiangaben vom Samstagnachmittag verlief die Veranstaltung zunächst ohne besondere Vorkommnisse.
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