Berlin. Großer Erfolg für die Berliner Strafverfolger: Knapp zwei Monate, nachdem das Landgericht eine auf Daten aus dem Messengerdienst Encrochat beruhende Anklage gegen einen mutmaßlichen Kokaindealer ablehnte, gab das Kammergericht einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft nun Recht und hob die Entscheidung der ersten Instanz auf.
Bereits am Montag habe das Kammergericht festgestellt, dass „die Verwertbarkeit der Encrochat-Erkenntnisse im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung in Deutschland“ stünden, wie die Staatsanwaltschaft am Dienstag mitteilte. Der verdächtige 31-Jährige sei heute verhaftet worden, heißt es weiter.
CDU begrüßt Entscheidung des Kammergerichts
Dass die Ermittler die Daten verwenden dürfen, sei eine gute Nachricht, sagte der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Sven Rissmann. Man sei „erleichtert“, dass „in dieser wichtigen Frage für Rechtssicherheit“ gesorgt worden sei.
Die Daten würden einen tiefen Einblick in kriminelle Strukturen geben und seien von „enormem Wert“. Sie nicht auswerten zu dürfen, „wäre für die Strafverfolgungsbehörden eine schwere Hypothek gewesen und hätte das Gerechtigkeitsempfinden vieler Berlinerinnen und Berliner auf eine harte Probe gestellt“. Rissmann forderte darüber hinaus personelle und technische Verbesserungen, so sie notwendig seien.
Laut Landgericht im Vorfeld keine Verdachtsmomente gegen Angeklagten
Das Landgericht hatte in seiner Entscheidung Anfang Juli argumentiert, dass sich die Anklage in dem Verfahren ausschließlich auf die Kommunikation des Angeklagten stütze. Gegen ihn hätten wie gegen viele Nutzer des Dienstes im Vorfeld keine Verdachtsmomente vorgelegen. Die Überwachung sei daher unrechtmäßig erfolgt.
Französische und niederländische Ermittler hatten 2020 einen Server in Frankreich gehackt, auf dem Daten des Anbieters Encrochat lagen, und diese über Monate abgefangen. Mitglieder der Organisierten Kriminalität sollen sich über die kryptierten Handys ausgetauscht und ihre Geschäfte abgewickelt haben. Insgesamt gelangten die Fahnder an Millionen Daten von mehr als 32.000 Kunden des Dienstes.
Polizei führt 550 Verfahren gegen 135 Tatverdächtige
Die wurden auch an das deutsche Bundeskriminalamt und von dort an die Landesbehörden weitergegeben. Immer wieder kommt es seitdem zu Razzien, Festnahmen und Anklagen – auch im Berliner Clanmilieu. Die Anklagen wurden von den Oberlandesgerichten anderer Bundesländer bislang zugelassen. In Berlin wurden mit Stand von Anfang Juli 550 Verfahren gegen 135 Tatverdächtige auf Grundlage von Encrochat-Daten geführt.
Bei den Straftaten handelt es sich überwiegend um Rauschgiftdelikte. So wurden bei Razzien und Durchsuchungen insgesamt 99,9 Kilogramm Betäubungsmittel sichergestellt – davon 8,2 Kilogramm Amphetamin, 50 Kilogramm Marihuana, acht Kilogram Haschisch, zehn Kilogram Kokain, ein Kilogramm Chrystal Meth, 12,7 Kilogramm der Partydroge MDMA , zehn Kilogramm Ecstasy sowie 250 Trips LSD. Daneben hat man 700.000 Euro Bargeld gefunden. Das Bundeskriminalamt sprach zuletzt von Hunderttausenden Verfahren mit fast ausschließlich strafrechtlich relevantem Inhalt.