Berlin. Autofahrer in Berlin müssen auch 2022 bei der Kfz-Haftpflicht mit einer besonders hohen Einstufung in den Regionalklassen der Versicherer rechnen. Denn in der neuen Regionalstatistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ergibt sich wie in vielen anderen Großstädten weiterhin die höchste Regionalklasse 12, wie der GDV am Donnerstag mitteilte.
„Die schlechteste Schadensbilanz hatte wie schon in den Vorjahren Berlin. Dort waren die Schäden mehr als ein Drittel höher als im Bundesdurchschnitt“, sagte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV laut Mitteilung. Der Statistik zufolge lagen die Kfz-Haftpflichtschäden rund 37 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Auch in der Vollkaskoversicherung sieht es laut GDV nicht besser aus: Hier liegt Berlin den Zahlen zufolge rund 38 Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt, nur im Ostallgäu und in Garmisch-Partenkirchen waren die Schadenbilanzen noch schlechter.
Polizei: In Berlin gab es 2020 113.000 Verkehrsunfälle mit Sachschaden
Ein wesentlicher Grund für die schlechte Schadensbilanz: In Großstädten passieren wegen der höheren Verkehrsdichte mehr Unfälle. Laut dem Bericht der Polizei zur Verkehrssicherheitslage 2020 in Berlin gab es in der deutschen Hauptstadt rund 127.000 Verkehrsunfälle, davon etwa 113.000 mit Sachschaden. Zu 74 Prozent waren der Polizei zufolge Pkw an den Unfällen beteiligt. Die Zahl der Unfälle insgesamt ging zwar um knapp 20.000 zurück. Experten sehen dafür allerdings vor allem in der Corona-Krise und in den staatlich angeordneten Mobilitätsbeschränkungen einen Grund.
Die Regionalklassen spiegeln die Schadensbilanz der einzelnen Zulassungsbezirke wider und werden einmal im Jahr vom GDV berechnet. Entscheidendes Kriterium ist nicht der Ort des Schadens, sondern der Wohnsitz des Fahrzeughalters. Grundsätzlich gilt: Je besser die Einstufung in der Regionalklasse, desto günstiger wirkt es sich auf den Versicherungsbeitrag aus. Allerdings lässt sich über eine Veränderung bei der Regionalklasse keine Aussage über die Entwicklung des gesamten Kfz-Versicherungsbeitrages treffen.
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In Brandenburg liegen drei der fünf Bezirke mit den bundesweit besten Schadensbilanzen
Unter den 413 bundesweit ausgewerteten Zulassungsbezirken liegen drei der fünf Bezirke mit den bundesweit besten Schadensbilanzen in Brandenburg. „Die bundesweit beste Schadensbilanz in der Kfz-Haftpflichtversicherung errechneten die Statistiker des GDV für die Prignitz in Brandenburg – hier waren die Schäden 30 Prozent niedriger als im bundesweiten Durchschnitt“, sagte GDV-Chef Asmussen.
Auffällig ist aber, dass die Nähe zu Berlin meist auch im Umland die Einstufungen in die Höhe treibt. So sind in den direkt an die deutsche Hauptstadt angrenzenden Landkreisen wie Dahme-Spreewald (Kfz-Haftpflicht-Klasse 3) oder Oberhavel (3) die Regionalklassen höher als beispielsweise in weiter von Berlin entfernt liegenden Kreisen wie Oberspreewald-Lausitz (1).
FDP sieht auch Fehler in der Verkehrspolitik als Grund für die hohe Regionalklasse der Berliner
Deutschlandweit ergeben sich dem Verband zufolge für 56 Bezirke und rund fünf Millionen Autofahrer im kommenden Jahr höhere Regionalklassen in der Kfz-Haftpflichtversicherung. 52 Bezirke und rund 4,2 Millionen Autofahrer profitieren aber auch von besseren Regionalklassen.
In Berlin sieht die FDP auch in der Verkehrspolitik des Senats einen Grund für die Einstufung in der höchsten Regionalklasse. „Die hohen Unfallzahlen in Berlin, die zur Einstufung der Berlinerinnen und Berliner in hohe Schadensklassen führen, sind auch Ergebnis einer unzureichenden Verkehrspolitik. Die Optimierung des Verkehrsflusses durch digitale Lösungen, ein geordnetes Baustellenmanagement und der schnellere Umbau gefährlicher Kreuzungen wären erste Ansätze, die Unfallzahlen zu reduzieren“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Henner Schmidt, am Donnerstag.
Verbraucherschützer sollten auch Rabattmerkmale kenntlich machen
Von Verbraucherschützern hieß es, Versicherte sollten bei ihren Kfz-Versicherungen auch sogenannte Rabattmerkmale angeben, um den Beitrag zu reduzieren. Das könnten etwa eine Garage für das Auto sein, weniger gefahrene Kilometer oder eine regelmäßig genutzte ÖPNV-Karte, sagte Elke Weidenbach, Referentin für Versicherungen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Berliner, die außerhalb der Stadt zum Beispiel ein Ferienhaus besitzen, empfiehlt sie zudem, ihr Auto dort anzumelden. „Dann ist es vielleicht billiger“, sagte Weidenbach. Es werde ja schließlich nur geschaut, wo der Fahrzeughalter wohnt, nicht wo das Auto unterwegs sei, erklärte sie.