Berliner helfen

„Jedes Kind ist Gold“

| Lesedauer: 5 Minuten
Sofia Mareschow
Rayan (l.), Ahmed und Elham bemalen mit der Organisatorin Jutta Poppe (r.) Stühle für eine Ausstellung

Rayan (l.), Ahmed und Elham bemalen mit der Organisatorin Jutta Poppe (r.) Stühle für eine Ausstellung

Foto: Reto Klar / FUNKE Foto Services

Der Jugendclub „breakout“ unterstützt mit vielfältigen Angeboten Mädchen und Jungen aus Kreuzberg

Berlin. Ein allerletzter Pinselstrich, prüfende Blicke, der Griff nach der Farbdose. Hier noch ein leuchtender Klecks, dort ein bunter Farbspritzer. Zufrieden, glücklich lächelnd, auch ein bisschen stolz mustern die kleinen Künstler ihre phantasievollen Kreationen, die den Innenhof des Jugendclubs „breakout“ in der Kreuzberger Bergmannstraße 22 zum Leuchten bringen, als Kontrapunkt auf grauem Kiesboden. Sechzehn Holzstühle – bunt bemalt von sechs Mädchen und zwei Jungs, an zwei sonnigen Julitagen. „Erstmal habe ich angefangen mit den Farben Weiß, Grün und Rot. Dann habe ich den Rest-Stuhl nur Weiß angemalt. Und dann so Farben gespritzt.“, erklärt die zehnjährige Rayan, die auch zu Hause gern malt und bastelt. Wie auch die neunjährige Elham, die ihre Lieblingsfarben verrät: Weiß, Hell-Lila, Türkis und Minzfarbe. Auch der elfjährige Ahmed hat die Spritztechnik angewandt: Weißer Untergrund mit Sprenkeln – Rot, Grün, Gelb.

Abstrakte Bilder seien dabei entstanden, so Projektleiterin und Initiatorin Jutta Poppe. Interessant und bemerkenswert, denn: „Das ist echtes Ursprungsmalen, emotional und direkt. In diesen Bildern steckt Energie“, sagt die Künstlerin. Sie ist der Überzeugung, dass Kinder nicht gezwungen werden sollen, konkret vorbestimmt, ja sogar leistungsorientiert zu malen. „Wir haben sie einfach machen lassen. Das kommt gut rüber“, sagt Poppe. Das zeige sich am positiven Echo der Eltern, die ihre Kinder abholen kamen: „Sie haben sich Zeit genommen zum Betrachten, und man hat ihren Stolz gespürt.“ Die kreative Freiheit, zudem in der Gemeinschaft, wertet auch Mitorganisatorin Luise Beier vom „breakout“-Team positiv: „Sie haben einfach drauflos gemalt, die Motive sind vor allem bunt, die Stimmung war toll, es wurde viel gelacht, und nach der Aktion haben wir gemeinsam gegessen.“

„Goldener Regenbogenstuhl“ heißt das Projekt der Künstlerin und Wahlberlinerin Jutta Poppe. Seit acht Jahren arbeitet sie dabei mit Kindern und Jugendlichen wechselnder Zielgruppen, viermal davon in Berlin. Die diesjährige neunte Auflage ist Kindern mit Migrationshintergrund gewidmet. Und die integrative, diakonische Kinder-und Jugendeinrichtung „breakout“, die Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund mit Lern- und Freizeitangeboten sowie einem berufsvorbereitenden Projekt im Breakout-Café fördert, der ideale Veranstaltungsort dafür. Geschickt hat das „breakout“-Team die Malaktion in ihr inzwischen abgeschlossenes mehrwöchiges Ferienprogramm integriert. Pferdereiten auf einem Erlebnishof und einen Kinobesuch nennt Elham als ihre Favoriten – nach dem „Regenbogenstuhl“, versteht sich.

Rayan, Elham, Ahmed und ihre Mitstreiter – „lebhafte, lustige, temperamentvolle, aufgeschlossene Kinder“, so Luise Beier – haben libanesische Wurzeln. Ihre Namen verewigten sie in goldenen Lettern auf ihren Stühlen, denn: „Jedes Kind ist Gold“, so die Philosophie des Projektes. Die mit den ethischen Prinzipien, dem Leitbild und pädagogischen Ansatz des „breakout“-Projektes im Einklang ist. Respektvolles Miteinander, Wertschätzung, Dialog und Interaktion auf Augenhöhe. „Luise Beier und ihre Kollegen geben den Kids das Gefühl und die Sicherheit, gut aufgehoben zu sein.“ Dazu gehöre auch, eine herzliche, familiäre Atmosphäre der Geborgenheit zu schaffen. Deshalb freut sich Jutta Poppe, das „breakout“ für ihr Projekt „Goldener Regenbogenstuhl“ gewonnen zu haben. Sie kennt das Team um die studierte Sozialarbeiterin Luise Beier von früheren Projekten und schätzt die Zusammenarbeit mit den Akteuren, die „nicht nur reden, sondern auch handeln“ und überhaupt diesen Ort der interkulturellen Begegnung, wo „christliche Werte authentisch gelebt werden“.

Die positive Resonanz bei den Kindern hat Jutta Poppe in ihrem Konzept bestärkt. Anfangs skeptisch, gehemmt, ja scheu, seien sie schrittweise aufgetaut. „Ich finde es wichtig, Türen zu öffnen und zu signalisieren: Ihr seid willkommen.“ Dies sei vor allem dem „breakout“ zu verdanken, wo Gastfreundschaft gelebt wird. Einmal hervorgelockt aus der Zurückhaltung, seien die Kinder nicht mehr zu bremsen gewesen: freie Bahn für Phantasie, Inspiration, aber auch Fröhlichkeit, Begeisterung. „Ich finde hier alle toll!“, bringt es Elham auf den Punkt. Und den Abschieds-Wunsch: „Wir sehen uns wieder!“ wird Jutta Poppe als Lob ebenso in Erinnerung behalten wie bewegende oder lustige Momente. Das kleine Stühlchen etwa, das eines der Mädchen als ihr zweites Werk ihrem kleinen Bruder widmete.

Oder die übertriebene Vorsicht eines anderen Mädchens vor einer „Beschmutzung“ mit Farbklecksen, die umschlug in den begeisterten Ausruf: „Das ist jetzt meine Künstlerhose!“, als diese dennoch einige bunte Spritzer abbekommen hatte. Dass die Kunst-Aktion zum gelungenen Malerlebnis wurde, ist auch dem Zusammenspiel aller Akteure zu verdanken. So spendeten Geschäftsleute und Nachbarn aus Kreuzberg und Rudow die 16 Holzstühle, das Bauhaus Neukölln die Farben. Als Dankeschön-Geschenk kreierten die kleinen Künstler gemeinsam einen bunten Stuhl für das Bauhaus-Team. Das große Mal-Abenteuer, das Farb-Experiment – es hat „großen Spaß gemacht, und die Stühle sind schön geworden“, da sind sich Rayan, Ahmed und Elham einig. Sie freuen sich, später ihre Kunstwerke mit nach Hause nehmen zu dürfen. Zunächst aber auf ihre Ausstellung, die für Oktober geplant ist, wieder im Außenbereich der Einrichtung, nach Sanierungs-Abschluss des „breakout“-Cafés. Für das Wie hat Rayan keine eigene Idee, doch: „Wie ihr gesagt habt, an die Bäume hängen, das wäre cool.“