Mit Blockaden und einem Fahrradkorso demonstrierten Hunderte gegen den A100-Ausbau. Sie fordern eine Umnutzung der Fläche.
Der Protest war erneut groß: Auf unterschiedliche Weisen haben am Sonnabend Hunderte Menschen gegen den Ausbau der A100 in Berlin demonstriert. Los ging es bereits am frühen Morgen – gegen fünf Uhr besetzten Aktivistinnen und Aktivisten bei einer angekündigten „Massenaktion des zivilen Ungehorsams“ eine Autobahnbaustelle nahe der Grenzallee in Neukölln. Aufgerufen hatte dazu das Bündnis „Sand im Getriebe“, das den sofortigen Stopp aller Autobahn-Projekte in Deutschland und eine gerechte Mobilitätswende fordert.

Wie die Polizei mitteilte, hatten 60 bis 80 Demonstrierende das Baustellen-Gelände gestürmt und versucht, in einen im Bau befindlichen Tunnel zu gelangen. „Das konnten unsere Kräfte verhindern“, sagte ein Sprecher. Die Protestierenden wurden demnach vorläufig festgenommen und deren Identitäten erfasst, später aber wieder entlassen. Zudem seien Strafermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs eingeleitet worden – auch gegen 13 anwesende Journalistinnen und Journalisten, sagte ein Polizeisprecher.
Wenige Stunden später blockierten die Umwelt- und Klimaschützer einen weiteren Abschnitt der Baustelle, an der Kiefholzstraße in Treptow. Dort waren mehrere Hundert Menschen auf das Gelände gelangt – und nutzten die Fläche, um Frisbee zu spielen, in der Sonne zu liegen oder zu tanzen. „Das erste Planschbecken steht, das erste Volleyballfeld auch“, sagte Lou Winters, Sprecherin von „Sand im Getriebe“. Auch mehrere Transparente wurden auf dem Sand der Baustelle ausgerollt. „A100 stoppen – Verkehrswende jetzt“, forderten die Klimaschützer darauf. An der Aktion waren auch weitere Bündnisse beteiligt, darunter „Ende Gelände“ und „Robin Wood“.
Statt A100-Verlängerung lieber günstigen Wohnraum bauen
Aus Sicht von Sprecherin Lou Winters ist die A100-Verlängerung „in Beton gegossene Klimazerstörung“. Zudem ziehe sie eine „Schneise der Zerstörung durch Berlin“, zahlreiche Wohnungen und auch Traditionsclubs wie die „Wilde Renate“ müssten dafür abgerissen werden. „Dabei ist klar: Wir müssen die Zahl der Autos in der Stadt drastisch reduzieren, damit endlich Platz ist für Radwege und ÖPNV, für Menschen“, so Winters. Auf der Fläche für den A100-Abschnitt zwischen Neukölln und Treptow könne günstiger Wohnraum, ein Freibad oder Fahrradinfrastruktur entstehen, sagte sie. Die Blockade an diesem Sonnabend habe eine Vorstellung davon geboten, wie der Raum genutzt werden könnte.
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Der Polizei zufolge begannen die Personen am Nachmittag, das Gelände zu verlassen. Sie seien dem Vorschlag der Polizei gefolgt und ließen sich einzeln und unmaskiert videografieren, so ein Sprecher. Es sei das „mildeste Mittel der Identifizierung“. Zuvor hatte die für die A100 zuständige Autobahn GmbH angeboten, auf Anzeigen zu verzichten, wenn die Demonstrierenden ruhig das Baugelände verlassen. Weil die Polizei dennoch die Identitäten aufnehmen wollte, sei der Vorschlag abgelehnt worden, hieß es. Einzelne Personen wurden laut dem Polizeisprecher auch vom Gelände getragen.
Ein Sprecher der Autobahngesellschaft sagte, man respektiere grundsätzlich gewaltfreien Protest gegen den Weiterbau der A100. Zerstört worden sei bei dem Protest – nach jetzigem Kenntnisstand – nichts. Insgesamt sei die Stimmung friedlich geblieben, betonte der Sprecher, auch die Polizei sei sehr deeskalierend gewesen.
A100: Fahrraddemonstration führt auch über die Autobahn

Die nächste Aktion folgte ab dem Mittag: Am Platz der Luftbrücke startete eine Fahrraddemonstration gegen den A100-Ausbau, die unter lautem Geklingel auch ein Stück über die Autobahn führte. Nach Polizeiangaben beteiligte sich in der Spitze eine niedrige vierstellige Zahl an Menschen an dem Korso.
„Die Fläche, die heute für die A100 reserviert ist, verdient eine viel nachhaltigere Nutzung“, sagte eine Vertreterin vom Bündnis „A100 stoppen“ und dem Verein „Changing Cities“. Der 17. Bauabschnitt dürfe nicht starten, sondern müsse aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen werden. Auch andere Initiativen unterstützten den Protest, darunter der „Volksentscheid Berlin autofrei“. Dessen Sprecher Manuel Wiemann sagte, es sei bereits die x-te Demonstration gegen den Weiterbau der A100. Der Druck solle in diesem „Frühsommer des Protests“ weiter hochgehalten werden.
Unter den Demonstrierenden waren auch zwei junge Steglitzerinnen. In Berlin sei dies ihre erste Teilnahme an einem solchen Protest, erzählten sie, von den Forderungen waren sie aber überzeugt. „Je mehr Autobahnen es gibt, desto mehr Autos sind auch unterwegs. Wenn man den Platz schafft, füllt er sich auch“, sagte die 29-jährige Anna-Zoe Herr. Statt in die Autobahn solle in einen besseren Zugverkehr investiert werden, meinte sie. Auch Sarah Wendt sagte, sie sehe keinen Sinn darin, die A100 weiterzubauen. „Ich glaube, es ist die Zukunft, dass die Innenstädte autofrei werden.“
Der Weiterbau der A100 im 16. Abschnitt bis nach Treptow, der bereits zu großen Teilen fertiggestellt ist, und im vorgesehenen 17. Abschnitt bis zur Frankfurter Allee führt, ist seit Langem umstritten. Der Bund hält an dem Projekt fest – für den 17. Abschnitt solle möglichst schnell Baurecht geschaffen werden, hieß es aus dem Verkehrsministerium. Argumentiert wird unter anderem damit, dass die A100 den Verkehr bündele und so die Innenstadt entlaste.