Corona Berlin

Druck auf Senat wächst: Schnellere Lockerungen gefordert

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Jens Anker und Jessica Hanack
Trotz stark sinkender Infektionszahlen bleibt der Senat bei seinem Fahrplan zur schrittweisen Öffnung.

Trotz stark sinkender Infektionszahlen bleibt der Senat bei seinem Fahrplan zur schrittweisen Öffnung.

Foto: picture alliance / Zoonar

Tourismusverbände wollen den Stufenplan des Berliner Senats nachjustieren. Ärzte plädieren für die Rückkehr zum Präsenzunterricht.

Berlin. Die Inzidenz in Berlin sinkt unter 40 – und der Druck auf den Senat zu weiteren Lockerungen wächst. So gab es nach Informationen der Berliner Morgenpost ein Gespräch von gleich vier Wirtschaftsverbänden, darunter der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga und die Berlin Music Commission, mit der Senatswirtschaftsverwaltung über mögliche Nachjustierungen im Berliner Stufenplan. „Wir fordern natürlich schnelle Öffnungen, gerade im Bereich des Tourismus“, sagte Gerrit Buchhorn, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Dehoga Berlin. Auch die Belegungsgrenze in Hotels sei ein Thema gewesen.

Druck kommt auch von der Industrie- und Handelskammer (IHK). Dass die Inzidenz auf deutlich unter 50 gefallen sei, sei auch auf die verantwortungsvollen Berliner Unternehmen zurückzuführen, sagte Jörg Nolte, Geschäftsführer Wirtschaft und Politik der IHK Berlin, der Berliner Morgenpost. „Es ist daher nicht nachzuvollziehen, warum der Senat diesen großen Kraftanstrengungen nicht Rechnung trägt und frühere Öffnungen ermöglicht.“ Für ein Berliner Hotel sei es keine Perspektive, wenn dieses – nach jetzigem Planungsstand – erst am 18. Juni bei halber Belegung öffnen dürfe, während in Brandenburg bei ähnlicher Inzidenzlage Beschränkungen für Hotels und Gastronomie dann längst aufgehoben seien. Wir fordern daher den Senat dazu auf, sich vor den 1. Juni zusammenzufinden und frühere Öffnungsschritte zu verabschieden als die, die gerade in Diskussion sind.“


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Brandenburg will Hotels ab 11. Juni wieder öffnen

In Brandenburg wird angestrebt wird, zum 3. Juni auch Restaurantbesuche im Innenraum zu erlauben. Private Übernachtungen in Hotels und Pensionen könnte die Landesregierung vom 11. Juni an wieder zulassen, und zwar ohne Auslastungsbeschränkung. Am Dienstag dürfte die Brandenburger Landesregierung auch beschließen, Veranstaltungen im Freien mit bis zu 500 Teilnehmern zuzulassen, in Innenräumen mit bis zu 200. Vom 3. Juni an könnten dann auch Kino-, Konzert- und Theaterbesuche wieder möglich werden – die Abstandsvorgaben werden aber voraussichtlich weiter gelten.

Brandenburg ist auch Thema bei den Schulen. So plädiert Berlins Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel dafür, sich bei deren Öffnung ein Beispiel an Brandenburg zu nehmen. „Es kann nicht sein, dass bald Kongresse mit 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wieder möglich sind, aber die Grundschulkinder weiter keinen Regelunterricht haben.“ In Brandenburg kehren die Grundschulen am Montag in den Präsenzunterricht zurück, eine Woche später die weiterführenden Schulen.

Neuköllns Gesundheitsstadtrat: „Der Senat macht es sich zu einfach“

„Jeder Tag Präsenzunterricht ist ein guter Tag für die Bildung und die soziale Chancengleichheit“, sagt auch Neuköllns Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU). „Der Senat macht es sich zu einfach, organisatorische Gründe für den Verbleib im Ausnahmezustand vorzuschieben. Auch die zuletzt hohen Inzidenzen in den Altersgruppen von 5 bis 19 Jahren sind deutlich zurückgegangen und bieten keinen Anlass zu besonderer Sorge mehr.“

Der Neuköllner Stadtrat bezieht sich damit auf einen offenen Brief, den eine Gruppe von Kinderärzten und Sozialpädagogen an Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) geschrieben hatten. Darin fordern sie die Rückkehr zum Präsenzunterricht. „Wechselunterricht bedeutet 3 x 45 Minuten Unterricht am Stück, in Kleingruppen, an Einzeltischen, mit Mund-Nasen-Schutz und ohne die Möglichkeit, mit Freunden in den Einrichtungen zu spielen. Grundschulkinder, die nicht berechtigt sind, an der Notbetreuung teilzunehmen, haben unter diesen Umständen keinerlei Möglichkeit zum Austausch mit ihren Mitschülern. Sie bleiben faktisch in der Isolation, wie schon zuvor, als die Schulen geschlossen waren“, kritisierten sie. Zudem seien Kinder keine Infektionstreiber.

Trotz sinkender Inzidenz: Senat bleibt bei seinem Öffnungsplan

Ärzte und Pädagogen befürchten schwerwiegende Folgen für die geistige und soziale Entwicklung der Kinder. Auch die „Initiative Familien“ fordert eine sofortige Rückkehr zum Regelbetrieb an Schulen und hat für Sonnabend eine Demonstration vor dem Roten Rathaus angekündigt.

Doch trotz stark sinkender Infektionszahlen bleibt der Senat bei seinem Fahrplan zur schrittweisen Öffnung. „Der Rahmen ist klar“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Mittwoch in der Humboldt-Universität, als er zusammen mit HU-Präsidentin Sabine Kunst eine Perspektive für die Studierenden vorstellte. Am 4. Juni stehen demnach die nächsten Schritte an, die am kommenden Dienstag beschlossen werden. „Wenn es so weiter geht, wollen wir möglichst schnell möglichst viel ermöglichen.“

Der Stufenplan des Senats sieht alle 14 Tage weitere Lockerungen vor, sollten die Coronazahlen weiter kontinuierlich sinken. So könnten ab 4. Juni die Kinos wieder öffnen. Im Freien fällt die Personenobergrenze für Sportveranstaltungen. Am 18. Juni sollen dann weitere Öffnungsschritte folgen. So fallen die meisten Einschränkungen für den Handel, und auch die Innenräume der Gastronomie dürfen wieder öffnen. Müller mahnte allerdings zur Vorsicht. „Es kann in beide Richtungen gehen“, sagte Müller. Bei wieder steigenden Zahlen müssten dann möglicherweise wieder Beschränkungen beschlossen werden.

( mit dpa )