Die Themen changieren, wenn auch nur geringfügig: Der eine will „Frieden, Freiheit und Aufklärung“, die nächste „Frieden, Freiheit und Wahrheit“. Wieder ein anderer führt den Kampf für „Frieden, Freiheit und Basisdemokratie“ ins Feld.
Einig sind sich die Frauen und Männer in diesem: Sie wollen über das Pfingstwochenende nach Berlin fahren. Um gegen die Auflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu demonstrieren.
Redner fabuliert von „pharma-faschistischem Gesundheitssystem“
Man befinde sich schließlich in einer „schrecklichen Situation“, sagt eine der Frauen. Denn das „installierte pharma-faschistische Gesundheitssystem“, so formuliert es ein weiterer Redner, „ist dabei die Gesundheit unserer Kinder zu zerstören. Das ganze Land habe „geschwiegen und mitgemacht“. Wer sich später nichts vorwerfen wollen, so der Tenor, müsse über Pfingsten daher unbedingt in die Hauptstadt fahren. Um zu demonstrieren. Um ein Protestcamp zu errichten.
Mit dem gut sechs-minütigen Internet-Video wird im Milieu der „Querdenker“ und Corona-Verharmloser zur Teilnahme an den für Pfingsten geplanten Großdemonstrationen in Berlin aufgerufen. Es ist nur eines von vielen Mobilisierungsvideos. Dennoch lohnt es sich, den Clip näher zu betrachten. Denn er steht für vieles, was die Szene derzeit ausmacht.
Da wäre die tief sitzende Skepsis gegenüber den Mechanismen der pluralistischen Demokratie. Da wäre das Heraufbeschwören einer vermeintlich allmächtigen Pharmalobby, die Politik und die Gesellschaft angeblich im Würgegriff ihrer Profitinteressen hält. Da wäre der verklärte und diffuse Bezug auf eine nicht näher bestimmte Friedens- und Freiheitsbewegung.
Auch ein Politiker der AfD ruft zum Corona-Protest auf
Aufschlussreich ist auch der Blick auf die Frauen und Männer, die sich an dem Video mit den Kurz-Statements beteiligten. Einer der Männer, ein Rechtsanwalt, wollte sich für die AfD zum Oberbürgermeister einer Stadt in Nordrhein-Westfalen wählen lassen.
Bei Demonstrationen stellte er die auf demokratischem Wege beschlossenen Auflagen zur Eindämmung der Corona-Auflagen in einen Zusammenhang mit den Gräueln des Nazi-Regimes im Vernichtungslager von Auschwitz.
Eine andere Rednerin fiel schon mehrfach bei Demonstrationen auf, bei denen nicht nur Verschwörungsideologien propagiert wurden – sondern auch eine recht eindeutige Israelfeindlichkeit. Ein anderer Redner übte den „Widerstand gegen das Corona-Regime“, von dem in der Szene so gerne gesprochen wird, bei einer Protestveranstaltung in einer Weise aus, die zu einer vorübergehenden Festnahme durch die Polizei führte.
Corona-Protest im Fokus des Verfassungsschutzes
Impfgegner, Anhänger von Verschwörungsmythen und Rechtspopulisten: Die krude Mischung dürfte den Berliner Sicherheitsbehörden ein unruhiges Pfingstwochenende bescheren. Auch der Verfassungsschutz der Hauptstadt dürfte die Protestcamps und Demonstrationen fest im Blick haben. Der Nachrichtendienst stufte Teile des Milieus Corona-Verharmloser erst jüngst als extremistischen Verdachtsfall ein.
Die Behörde sieht Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen – und geht diesen nun nach. Dabei kann der Nachrichtendienst auch V-Leute anwerben und Telekommunikation abhören. Das „einigende Band dieser Gruppierungen“, so hatte es Innensenator Andreas Geisel (SPD) formuliert, sei nicht der Protest gegen die Corona-Politik. Das einigende Band sei „die Verachtung der Demokratie.“