- Bei Ausschreitungen während einer pro-palästinensischen Demonstration in Neukölln sind am Samstag 93 Polizisten verletzt worden.
- Nach den Ausschreitungen haben Berliner Politiker erschüttert und entsetzt reagiert.
- In Berlin waren am Samstag mehrere pro-palästinensische Gruppen auf die Straße gegangen.
- Hintergrund waren der Nakba-Tag und die Gewalteskalation in Nahost.
- Während zwei Demonstrationen friedlich verliefen, wurde eine an der Sonnenallee aufgelöst. Grund war die Nichteinhaltung der Infektionsschutzvorschriften.
- Danach kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und Einsatzkräften.
Bei den Krawallen nach einer pro-palästinensischen Demonstration in Berlin sind am Samstag in Neukölln 93 Polizisten verletzt worden. Das teilte die Polizei am Sonntag in ihrer Bilanz mit. Eine Einsatzkraft habe ihren Dienst wegen einer Prellung vorzeitig beenden müssen. 59 Personen seien festgenommen worden.
Insgesamt hatte die Polizei es mit vier Aufzügen im Zusammenhang mit dem eskalierten Nahost-Konflikt zu tun. Bei dem zweiten, der gegen 15 Uhr vom Hermannplatz in Richtung Rathaus Neukölln zog, kam es zu schweren Krawallen. An dem Zug hatten rund 3500 Menschen teilgenommen. Die Polizei registrierte an der Spitze des Zuges rund 300 Jugendliche und junge Erwachsene, die sich aggressiv gezeigt und polizeifeindliche Sprüche skandiert hätten. Bereits kurz nach Beginn des Zuges seien zudem Angehörige der polizeilichen Kommunikationsteams mit Böllern beworfen worden.
Die Situation eskalierte, nachdem die Polizei die Demonstration an der Kreuzung Sonnenallee und Pannierstraße für aufgelöst erklärt hatte. Grund war, dass viele Teilenhmer keine Masken getragen und auch den Abstand nicht eingehalten hatten, wie die Polizei mitteilte. Zudem sei weiterhin Pyrotechnik gezündet worden. Der Versammlungsleiter habe zudem erklärt, dass er keinen Einfluss mehr auf die Demonstranten habe. Die Auflösungsverfügung sei dreimal verkündet worden, dennoch hätten sich große Teile der Teilnehmer geweigert, den Ort zu verlassen.
Massive Stein- und Flaschenwürfe auf Einsatzkräfte
Ab 16 Uhr sei es dann vor allem zwischen der Pannier- und der Friedelstraße zu massiven Würfen von Flaschen, Steinen und Böllern auf die Einsatzkräfte und die Polizeifahrzeuge gekommen. Die Polizei habe dadurch wiederholt körperliche Gewalt und Reizstoff einsetzen müssen. Gegen 17.30 Uhr sei die Lage so beruhigt worden.
59 Personen wurden wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen und Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie Gefangenenbefreiung festgenommen. Bei 150 weiteren Personen seien Ordnungswidrigkeitsanzeigen wegen Verstoßes gegen die Hygienebestimmungen gefertigt worden.
Israelfeindliche Parolen seien dokumentiert und teils unmittelbar übersetzt. Die Ermittlungen führt hier der Polizeiliche Staatsschutz.
Alle anderen Aufzüge, auch einer vom Oranienplatz zum Hermannplatz mit rund 2500 Teilnehmern, verliefen friedlich. Bei diesem seien keine polizeilichen Maßnahmen erforderlich gewesen, so die Polizei. Insgesamt seien 900 Kräfte im Einsatz gewesen.
Berliner Politiker erschüttert über Ausschreitungen
Berliner Politiker haben entsetzt auf die Ausschreitungen bei einer pro-palästinensischen Demonstration in Neukölln reagiert. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) twitterte: "Die gewalttätigen Ausschreitungen bei den Demonstrationen in Neukölln sind nicht hinnehmbar und untragbar für eine freie und weltoffene Metropole - und sie haben auch sonst nirgendwo Platz in unserer Gesellschaft. Wir sind entsetzt über die Gewalt und dass erneut Einsatzkräfte in Berlin verletzt und zudem auch Pressevertreter*innen bedroht wurden. Demonstrieren und friedlicher Protest sind ein Grundrecht. Gegen Gewalt, Antisemitismus, Hass und Hetze werden wir uns entschieden entgegenstellen und die Menschen schützen, die davon betroffen sind. Allen Verletzten wünschen wir schnelle Genesung."
Zuvor hatte sich bereits Tom Schreiber (SPD) geäußert: "Klare Ansage: Wer unsere FDGO (freiheitlich-demokratische Grundordnung, die Red.) mit Füßen tritt und dagegen kämpft, hat in unserer Demokratie keinen Platz. Gewalt, Hass, Hetze & Antisemitismus kennen nur eine konsequente Antwort: den Rechtsstaat mit seinen Strafverfolgungsbehörden."
CDU-Fraktionschef Burkard Dregger sagte laut rbb: "Die verlassen die Grundregeln des Zusammenlebens in Berlin und die sollten sich die Frage stellen, ob sie nicht auswandern. Die haben hier nichts zu suchen in Deutschland."
Der FDP-Innenexperte Paul Fresdorf sagte dem rbb, es erschüttere ihn zutiefst, wenn er antisemitische Rufe höre. Er betonte: "Wer das Existenzrecht des Staates Israel in Frage stellt oder sich antisemitisch äußert, der muss sich fragen, ob er noch Teil unserer Konsens-Gesellschaft sein kann oder will."
Den Verlauf der Demonstration und der anschließenden Eskalation können Sie hier nachlesen:
Alle Kundgebungen und Demonstrationen beendet
22.08 Uhr: Die Demonstrationen sind beendet und die Straßen wieder frei gegeben. Uns liegen keine weiteren Meldungen vor.
Rave gegen Querdenker in der Hasenheide beendet
19.47 Uhr: Die Rave-Demonstration in der Hasenheide wurde gegen 19.40 Uhr beendet, da zu viele Menschen vor Ort waren.
Demonstration neigt sich dem Ende
19.32 Uhr: Aktuell stehen nur noch wenige ehemalige Demonstrationsteilnehmer auf der Friedelstraße und warten darauf, von der Polizei herausgeführt zu werden.
Polizisten führen Teilnehmer einzeln aus der Menge
19.03 Uhr: „Der nächste bitte“, heißt es an der Ecke Pflüger- und Friedelstraße immer wieder von der Polizei. Die Beamten führen die Teilnehmer einzeln aus der Demonstration und fotografieren sie mitsamt ihren Ausweisen. Dann erhalten diie Teilnehmer einen Platzverweis. „Wenn ich dich hier nochmal sehe, gibt es Ärger, Meister“, erklärt ein Beamter einem jungen Mann, was das jetzt bedeutet.
Polizei droht in Friedelstraße mit "körperlicher Gewalt"
18.50 Uhr: Die Teilnehmer der aufgelösten Demonstration stehen mittlerweile auf der Friedelstraße in Neukölln. Die Polizei fordert zum „dritten und letzten“ Mal auf, zu gehen, sonst werde man „Zwangsmaßnahmen in Form von körperlicher Gewalt“ anwenden
18.43 Uhr: Rave gegen Querdenker in der Hasenheide
Eine etwas andere Demonstration findet am Samstagabend im Volkspark Hasenheide statt. Rund 50 Menschen demonstrieren mit einem Rave gegen Querdenker und Rechtsextremismus. Der Veranstalter wies die Teilnehmer im Vorfeld darauf hin, Masken zu tragen und Abstände einzuhalten. Ordner sollen die Teilnehmer immer wieder gezielt darauf hinweisen. Auf einem mit Absperrband abgesteckten Feld tanzen sie zu Musik des Berliner Techno Kollektivs Fhainest. Später am Abend soll zunächst eine Hip-Hop-Gruppe auftreten, später soll noch ein Poetry-Slam stattfinden. Die Veranstaltung soll nach Angaben der Organisatoren ein Versuch sein, um später ähnliche Demonstrationen durchzuführen.
18.38 Uhr: Dritte Demonstration blieb friedlich
Eine weitere Demonstration, die um 16 Uhr unter dem Motto „Zum Gedenken der Alnakba, der Palästinensischen Vertreibung“ am Kreuzberger Oranienplatz startete, blieb nach Angaben eines Polizeisprechers ohne Zwischenfälle. Rund 2500 Menschen zogen friedlich zum Hermannplatz, den sie um kurz vor 18 Uhr erreichten, während die Auseinandersetzungen wenige Meter weiter auf der Sonnenallee andauerten. Die Polizei hatte die Zahl ihrer Einsatzkräfte über den Tag von 350 auf 600 aufgestockt.
18.26 Uhr: Mehrere Verletzte und Festnahmen
Bei den Ausschreitungen habe es mehrere Verletzte und Festnahmen gebeben, sagte ein Polizeisprecher. Zahlen dazu nannte er nicht. Aus den Reihen der Demonstranten, die sich vor dem Hintergrund der Gewalteskalation zwischen Israel und der Hamas zum Protest versammelt hatten, waren Flaschen, Steine, Bauschilder und Feuerwerkskörper gegen die Sicherheitskräfte geflogen. Teilnehmer hatten auf Polizisten eingeschlagen, die Polizei unter anderem mit Pfefferspray geantwortet. Laut Twitter-Beiträgen verlagerte sich das Geschehen am Abend in die Weserstraße.
Polizei: 800 bis 1200 Personen blieben vor Ort
17.06 Uhr: Nachdem die Polizei die Demonstration aufgelöst hatte, seien 800 bis 1200 vor Ort geblieben, twittert die Polizei Berlin. Es sei zu Angriffen auf Einsatzkräfte und entsprechende Festnahmen gekommen.
Unser Reporter vor Ort beobachtet immer wieder Würfe von Steinen und Flaschen in die Menge geworfen. Bei einigen auf der Straße scheine das eine Art Mutprobe zu sein. Die Polizei habe die Lage bislang eher nicht im Griff.
"Verlassen Sie den Kreuzungsbereich"
16.45 Uhr: „Verlassen Sie den Kreuzungsbereich, hier wird heute und jetzt keine Veranstaltung mehr stattfinden“, tönt es aus dem Lautsprecherwagen der Polizei. Nach Polizeiangaben sind rund 3500 Menschen bei der Demonstration gewesen.
Demonstranten werfen Latten und Fliesen auf die Polizei
16.34 Uhr: Die Polizei fordert die Teilnehmer der Demonstration immer wieder, sich unverzüglich von der Kreuzung Sonnenallee und Pannierstrasse zu entfernen, worauf die meisten allerdings nicht reagieren. Immer wieder werden Polizeibeamte verbal und körperlich angegriffen, mit Flaschen, Holzlatten oder Fliesen beworfen. Mehrere Personen wurden bereits festgenommen.
Flaschenwürfe auf Einsatzkräfte
16.23 Uhr: Die Lage an der Sonnenallee droht zu eskalieren. Die Polizei versucht ohne Erfolg, die Menschen Richtung Hermannplatz zurückzudrängen. Immer wieder fliegen Flaschen auf die Einsatzkräfte, Böller werden gezündet.
Teilnehmer der Demo bleiben einfach
15.53 Uhr: Die Teilnehmer der Demonstration bleiben trotz der Aufforderungen der Polizei. Videos auf Twitter zeigen, wie vereinzelt Böller gezündet werden und Flaschen fliegen.
Polizei löst Demozug an der Sonnenallee auf
15.33 Uhr: Die Polizei löst den Demonstrationszug an der Ecke zur Pannierstraße auf. Zuvor hatte sie, auch auf Arabisch, auf die Einhaltung der Infektionsschutzverordnung hingewiesen.
Abstände werden nicht eingehalten
15.21 Uhr: Der Zug zieht die Sonnenallee entlang. Abstände werden allerdings nicht eingehalten. Viele tragen zudem keine Masken.
Zweiter Demozug sammelt sich am Hermannplatz
15.05 Uhr: Die zweite Demonstration hat sich um 15.05 Uhr am Hermannplatz in Bewegung gesetzt. Mehrere Hundert, wenn nicht sogar mehr als tausend Teilnehmer haben sich angeschlossen und der Zustrom reißt nicht ab. Angemeldet war der Protest mit lediglich 80 Teilnehmern.
Erste Demonstration verlief friedlich
Zuvor hatten sich bei einer ersten Kundgebung rund 120 Menschen am Hermannplatz versammelt und waren zum Rathaus Neukölln gezogen. Der Umzug sei friedlich verlaufen, so die Polizei. Die Berliner Polizei war mit rund 360 Kräften am Rande der Demonstration im Einsatz.
Die Demonstranten hielten Palästinaflaggen und Bilder des Felsendoms auf dem Tempelberg in Jerusalem in die Luft. Auch Vertreter der Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ („Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“, BDS) sind vertreten, die eine wirtschaftliche, kulturelle und politische Isolation des Staates Israel anstrebt.
„Unser Volk geht nicht auf die Knie“, riefen die Demonstranten nach Angaben eines Arabisch sprechenden Ladenbesitzers an der Sonnenallee. Ein anderer übersetzt die Sprechchöre mit der Forderung nach der Freiheit Palästinas.
Die Polizei hatte einen Beamten vor Ort, der arabisch spricht. „Bislang hat es keine strafrechtlichen Äußerungen gegeben“, sagte er der Berliner Morgenpost. Es würden etwa Volkslieder gesungen oder Kritik an der Politik des israelischen Präsidenten Benjamin Netanjahu geäußert. In den Sprechchören sei auch die Hamas als Terrororganisation bezeichnet worden. Die Demonstranten betonten, sie würden sich von ihr distanzieren. Auf anderen Demonstrationen in Berlin hatte es dagegen in den vergangenen Tagen Solidaritätsbekundungen mit der Hamas gegeben.
Die Demonstration erreichte rund eine Stunde später den Endplatz vor dem Rathaus Neukölln. Immer wieder wurde darauf hingewiesen Masken zu tragen. Vom Lautsprecherwagen wurde den Demonstrationsteilnehmern außerdem davon abgeraten, den anwesenden Journalisten Interviews zu geben. Bei einem Schluss-Statement vor dem Rathaus wurde ein Reporter von zwei Demonstranten bedrängt.
Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, wurden bei neun Männern die Personalien aufgenommen und Ordnungswidrigkeitenanzeigen gefertigt, weil sie gegen die Corona-Regeln verstoßen hatten.
Laut Polizei beziehen sich die Demonstrationen in Neukölln und Kreuzberg auf den Nakba-Tag (deutsch: Katastrophe), an dem an Flucht und Vertreibung von Hunderttausenden Palästinensern aus dem Gebiet des späteren Israels erinnert wird. Die israelische Unabhängigkeitserklärung erfolgte am 14. Mai 1948, die Palästinenser begehen den Nakba-Tag jedes Jahr am 15. Mai.
Am Freitagnachmittag war eine pro-palästinensische Demonstration in Berlin nach Polizeiangaben zunächst überwiegend störungsfrei verlaufen. Angesichts der eskalierenden Gewalt in Nahost waren Hunderte Menschen vom Kottbusser Tor zum Rathaus Neukölln gezogen. Insgesamt nahmen rund 750 Menschen teil. Die Polizei stellte bei 192 Teilnehmern die Identitäten fest, weil diese hartnäckig gegen den Infektionsschutz verstießen. Zudem wurden von einem Teil der Menschen israelfeindliche und gewaltverherrlichende Parolen gerufen, wie die Polizei am Samstag mitteilte. Die Beamten hätten die Vorgänge dokumentiert und die Identitäten der entsprechenden Personen festgestellt.
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Demo in Berlin: Teilnehmer hatten Polizisten angegriffen
Am vergangenen Sonntag griffen nach einer Demonstration von rund 900 Palästinensern und Unterstützern Randalierer die Polizei an. Aus einer Gruppe von 100 Menschen wurden Flaschen und Steine geworfen. Polizisten räumten Müllcontainer, Holzpaletten und Elektroscooter von der Straße. 16 Polizisten wurden verletzt. Die Polizei hatte die Demonstranten nach dem vorzeitigen Ende der Veranstaltung auf dem Hermannplatz aufgefordert, den Platz zu verlassen.