SEK-Einsatz in Schöneberg

Haftbefehl nach Explosion - Weitere Rohrbomben gefunden

| Lesedauer: 5 Minuten
Alexander Dinger und Ulrich Kraetzer
Schwerbewaffnete Beamte sind vor Ort.

Schwerbewaffnete Beamte sind vor Ort.

Foto: Peise

In einem Schöneberger Hinterhof ist Sprengstoff explodiert. Neun weitere Rohrbomben wurden in der Wohnung eines Verdächtigen gefunden.

Berlin. Nach der Detonation einer Rohrbombe im Innenhof eines Wohnhauses in der Eisackstraße in Schöneberg am Donnerstag vergangener Woche hat die Staatsanwaltschaft gegen einen der festgenommenen Männer einen Haftbefehl erwirkt.

In seiner Wohnung seien neun weitere zündfähige Rohrbomben gefunden worden, teilte die Behörde am Montag per Kurznachricht auf Twitter mit. Die Ermittlungen werden wegen des Verdachts diverser Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz geführt.

Nach Informationen der Berliner Morgenpost handelt es sich um den 29 Jahre alten Gregor D. Über ein Motiv für die Detonation wurde bisher nichts bekannt. Der zweite Tatverdächtige wurde auf freien Fuß entlassen. Eine Durchsuchung hatte in seinem Fall nichts erbracht.

Anm. d. Red.: In einer ersten Fassung dieses Berichts hatten wir einen falschen Namen des Tatverdächtigen genannt und in diesem Zusammenhang geschrieben, dass sich diese Person zuletzt in verschiedenen staatlich geförderten Initiativen gegen Rechtsextremismus engagiert hatte und offenbar in der linksextremistischen Szene aktiv war. Das ist falsch. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

Verdacht: Tatverdächtiger gehört linksextremistischer Szene an

Als die Bewohner des Hauses an der Eisackstraße am Donnerstagabend gegen 20.30 Uhr eine laute Detonation hörten, dürften sie einen ordentlichen Schrecken bekommen haben. Aus gutem Grund. Denn der Knall im Innenhof stammte nicht von einem übrig gebliebenen Silvesterknaller – sondern von der Explosion eines selbst gebauten Sprengsatzes.

Unmittelbar nach der Detonation war die Polizei mit einem Großaufgebot von rund 60 Beamten angerückt, darunter waren bewaffnete Kräfte eines Spezialeinsatzkommandos. Experten fanden im Innenhof des Wohnhauses einen zweiten Sprengsatz, bei dem es aber zu keiner Detonation kam. Die Bewohner mussten das Haus für etwa eine Stunde verlassen. Sie wurden vorübergehend in Bussen der BVG und einem Bus der Feuerwehr betreut.

Die eintreffenden Polizeikräfte nahmen nach der Detonation und ersten Ermittlungen am Tatort einen 29 Jahre alten Mann fest, der in einer Wohnung des Hauses lebt und aus dem Gebäude flüchten wollte. Sein 27 Jahre alter Mitbewohner schloss sich zunächst in der Wohnung ein. Spezialkräften gelang es aber, die Tür aufzubrechen und auch ihn festzunehmen. Die tatverdächtigen Männer wurden dem Fachkommissariat für Sprengstoffdelikte beim Landeskriminalamt überstellt. Nach Informationen dieser Zeitung handelt es sich um einen in Trier aufgewachsenen Deutschen und einen Deutsch-Italiener.

Chemikalien in Wohnung der Festgenommenen gefunden

In der Wohnung der Festgenommenen fanden die Beamten laut Mitteilung der Polizei Chemikalien. Ein Zusammenhang mit den Sprengvorrichtungen aus dem Innenhof wird geprüft, heißt es in einer Mitteilung der Polizei. Nach Informationen der Berliner Morgenpost entdeckten die Beamten an der rund einen Kilometer entfernten Kreuzung von Grazer und Vorarlberger Damm außerdem ein Rohr, das dem in der Eisackstraße sichergestellten Material sehr ähnlich gewesen sei. Auch hier werde ein Zusammenhang untersucht, hieß es aus Polizeikreisen.

Die Detonation erinnert an einen ähnlichen Vorfall, der sich am 20. Januar keine zehn Gehminuten von der Eisackstraße entfernt ereignet hatte. Damals war ein Gegenstand am Fuß eines Baustellenschildes in der Fritz-Reuter-Straße detoniert. Die Polizei teilte mit, dass „ein möglicher Zusammenhang“ zwischen den Detonationen geprüft werde.

Ansonsten hält sich die Behörde mit offiziellen Informationen zurück. Die Ermittlungen würden „in alle Richtungen“ geführt, heißt es. Tatsächlich dürften allerdings vor allem die Ermittler der für politisch motivierte Delikte zuständigen Abteilung für Staatsschutz mit dem Fall befasst sein. Denn wie aus den Behörden verlautete, war mindestens einer der Festgenommenen den Sicherheitsbehörden schon zuvor aufgefallen: wegen seiner Aktivitäten in der linksextremistischen Szene.

"Die Tatmotivation ist nebulös"

Die Aktivitäten von einem der festgenommenen Männer lassen sich im Internet nachvollziehen. Demnach studierte er am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Politikwissenschaften, nach einem Auslandsjahr in Madrid schwärmte er vom Theaterleben der Stadt und günstigen Salsa-Kursen.

Noch während des Studiums arbeitete er in verschiedenen Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Darunter waren auch Einrichtungen, die vom Land Berlin mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden. Zuletzt leiteten er offenbar ein von der Bildungsverwaltung gefördertes medienpädagogisches Projekt, bei dem Jugendliche und junge Erwachsene über Rechtsextremismus und antimuslimischen Rassismus aufgeklärt werden sollen.

Inwiefern die Verbindungen in die linksextremistische Szene im Zusammenhang mit der Detonation stehen, ist indes unklar. Die Ermittler rätseln auch, was die mutmaßlichen Täter dazu veranlasste, die offenbar selbst gebaute Rohrbombe im Innenhof des Hauses, in dem sie selbst wohnten, zur Detonation kommen zu lassen. „Die Tatmotivation ist nebulös“, hieß es. Offen ist auch, ob sich der Tatverdacht gegen die Festgenommenen am Donnerstag erhärtete.

Weitere Meldungen von Polizei und Feuerwehr in Berlin und Brandenburg lesen Sie in unserem Blaulicht-Blog.

( mit dpa )