Verkehrsbehinderungen

Traktoren-Demo in Berlin: Bauern ziehen vor Ministerien

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Dennis Meischen
Am Dienstagvormittag befinden sich einige Demonstranten an der Karl-Marx-Allee. Sie blockieren mit geparkten Traktoren eine Fahrspur in Richtung Alexanderplatz.

Am Dienstagvormittag befinden sich einige Demonstranten an der Karl-Marx-Allee. Sie blockieren mit geparkten Traktoren eine Fahrspur in Richtung Alexanderplatz.

Foto: Julian Würzer

Die Bauern fordern mit Kundgebungen in Berlin politische Kursänderungen und sichere Einkommen für ihren Berufsstand.

Berlin. Ein ungewohntes Bild: Eine ganze Kolonne von Treckern und Traktoren ist am Dienstagmorgen durch Berlin gefahren, begleitet von lautem Hupen und rhythmischem Blinken. Es roch stark nach Auspuff, als sich die Fahrzeuge aus ganz Deutschland vom Alexanderplatz aus in Bewegung setzten - ein Anblick, den Passanten und Anwohner an diesem sonnigen Tag sogleich mit ihren Smartphones festhielten.

Zahlreiche Bauern demonstrierten so gegen die europäische Agrarpolitik, niedrige Erzeugerpreise und Discounter-Dumping. Einige der Traktoren hatten Heu auf ihren Anhängern geladen, die meisten waren mit Tierfiguren, ihren Landesflaggen und Schildern geschmückt. Dazu gab es auf Plakaten Slogans wie: "Ideologie macht nicht satt", "Stoppt die Nitratlüge", "Import=Steuermord" und "Wir demonstrieren nicht gegen die Polizei, wir demonstrieren gegen die Regierung."

30 Trecker wollen bis Sonntag bleiben

Doch schon kurz vor dem Strausberger Platz in Friedrichshain hieß es am Vormittag für die meisten von ihnen erst einmal wieder Stillstand. Der Grund: Bei einer Dauerkundgebung wollen rund 30 Fahrzeuge mindestens bis Sonntag auf der Karl-Marx-Allee stehen bleiben, um so auf ihre politischen Forderungen aufmerksam zu machen. Etwas weniger Trecker versammelten sich zudem jeweils vor dem Bundesumweltministerium in der Stresemannstraße und in der Wilhelmstraße. "Wir sind hier auf Einladung von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner", sagte Marco Hintze, Vorsitzender des Bauernbundes Brandenburg, "wir werden so lange hier bleiben, bis wir ihr ein Forderungspaket übergeben konnten." Am Alexanderplatz soll hierfür ein zusätzlicher Informationsstand aufgebaut werden.

Schätzungsweise 500 Landwirte hatten sich am Dienstag nach Berlin aufgemacht, um wie traditionell zur Grünen Woche in drei verschiedenen Veranstaltungen ihren Unmut zu demonstrieren. 690 Beamten waren im Einsatz, um die Protestaktionen zu überwachen. Den Höhepunkt bildete dabei ein Konvoi aus rund 100 Traktoren vom Alexanderplatz über den Boulevard Unter den Linden, den Großen Stern, die Hardenbergstraße und zurück zur Karl-Marx-Allee. Weitere Kundgebungen fanden nahe des Potsdamer Platzes und in der Hannah-Arendt-Straße statt.

Manche fahren auch erst in den nächsten Tagen nach Berlin

Die meisten Demonstranten waren aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg angereist. "Es waren aber deutlich weniger Fahrzeuge und Teilnehmer, als wir es aus den Jahren zuvor gewohnt sind", so ein Sprecher der Berliner Polizei. In den nächsten Tagen könnte jedoch durchaus noch eine vierstellige Zahl an Traktoren erreicht werden, hieß es.

Die Landwirte forderten in ihren Kundgebungen politische Kursänderungen und sichere Einkommen für ihren Berufsstand sowie Regelungen für kostendeckende Preise für ihre Erzeugnisse und mehr heimische Nahrungsmittel im Handel. "Wir brauchen endlich verbindliche Herkunftskennzeichnungen auf den Lebensmitteln in Supermärkten", so Hintze, "und verlässliche Verträge in der Milch- und Fleischerzeugung."

Corona- und Schweinepest-Hilfen sollten außerdem sofort fließen, strengere Vorgaben wie etwa zum Düngen ausgesetzt werden. Aus Sicht der Landwirte sind die Ausweisungen der sogenannten roten Gebiete, in denen zum Schutz des Grundwassers vor zu viel Nitrat besondere Beschränkungen gelten, fachlich schlecht begründet. Sie fordern, dass der tatsächliche Zustand des Grundwassers vor Ort nachvollziehbar berücksichtigt wird. Nötig sei daher eine stärkere Regionalisierung, ein Vorgehen nach dem Verursacherprinzip und eine flexible Umsetzung in verschiedenen Regionen. "Die Verordnung regelt Probleme, die wir gar nicht verursacht haben", so Hintze. Eine weitere Forderung ist die Aussetzung des Insektenschutzgesetzes und die damit verbundene Zurückdrängung der heimischen Landwirtschaft zugunsten billiger Importe.

Landwirte blockieren Zentrallager von Discountern

„Niemand soll es je vergessen: Bauern sorgen für das Essen“, stand auf einigen der Schildern, und als Hinweis für Kritiker außerhalb der Landwirtschaft: „Sie säen nicht und sie ernten nicht, aber sie wissen alles besser.“ Ein Teilnehmer aus Ostfriesland sagte: "Wir haben es satt, als umweltfeindlich zu gelten. Wir sind die, die sich wirklich täglich mit der Natur auseinandersetzen."

Viele politische Entscheidungen bedeuteten eine bewusste Zerstörung der Betriebe, hieß es weiter in einem Papier, das die Initiative „Land schafft Verbindung“ verbreitete. „Wir sind gleichermaßen von der Corona-Krise und dem Preisdumping betroffen und sind durch politisch ausgelöste Marktverwerfungen in Folge immer höherer Standards nicht in der Lage, kostendeckend Lebensmittel zu erzeugen.“

In den vergangenen Wochen hatten Landwirte immer wieder Zentrallager großer Lebensmittelhändler blockiert. Damit protestierten sie gegen die Preispolitik der Supermärkte und Discounter. Auch in Berlin hatte es im Herbst und an den vergangenen Wochenenden mehrfach Bauernproteste gegeben.

Die Berliner Polizei teilte mit, die Aktionen am Dienstag seien friedlich und störungsfrei verlaufen. Verkehrsbeeinträchtigungen und Staus habe es nur vereinzelt gegeben, einige Buslinien in der Innenstadt waren jedoch eingestellt worden. Passend dazu wurden von den Beamten auch nur zwei Ordnungswidrigkeiten angezeigt. "Zwei Traktoren hatten auf dem Fußweg vor dem Brandenburger Tor geparkt", so ein Polizeisprecher, "sie hatten ein Foto machen wollen."