Bildung

Holpriger Schulstart: Kein Zugang zum "Lernraum Berlin"

| Lesedauer: 6 Minuten
Susanne Leinemann
Die Schulen Berlins sind geschlossen, kein Unterricht vor Ort - gelernt wird in der ersten Schulwoche von zu Hause aus. 

Die Schulen Berlins sind geschlossen, kein Unterricht vor Ort - gelernt wird in der ersten Schulwoche von zu Hause aus. 

Foto: Jan Woitas / dpa

Berlins Schüler lernen coronabedingt von zu Hause und digital angeleitet - doch der Start war alles andere als optimal.

Berlin. Zum Schulstart nach den Weihnachtsferien gab es wieder massive Probleme mit dem "Lernraum Berlin", der digitalen Lernplattform im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung. "Seit heute Morgen, circa acht Uhr, sind die Verbünde 1 + 2 und 3 + 4 nicht erreichbar", hieß es Montagmittag vom Support-Team der Plattform. Berlins Bezirke sind dort in "Verbünden" geordnet - de facto war der Lernraum also berlinweit nicht für Schulen erreichbar, außer sie gehörten zu den Oberstufenzentren.

In der Senatsverwaltung für Bildung (SenBJF) bestätigte man, dass gerade der "Verbund 1 + 2" (die Bezirke im Norden und Südwesten Berlins) besondere Probleme bereite. "Dort ist jetzt ein weiterer Hochleistungsrechner installiert worden, zwei weitere folgen umgehend", heißt es nun. Man habe den Dienstleister beauftragt, die Rechenleistung hochzufahren, damit die steigenden Nutzerzahlen bewältigt werden können. "Dazu gab es auch zwischen den Jahren noch Videokonferenzen und fortlaufend Gespräche", heißt es von SenBJF. Ziel sei es, eine "sichere Lastenverteilung für bis zu 120.000 Nutzer des Lernraums abzusichern". Man werde Schulen auch ermöglichen, noch die Lernplattform "itslearning" dazu zu nehmen. "Dieses Angebot geht in Kürze an den Start.“


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Der "Lernraum" spielt in dieser ersten Unterrichtswoche eine zentrale Rolle, weil in den Schulen der Hauptstadt aktuell kein Präsenzunterricht stattfindet. Die Schüler lernen von zu Hause, sollen dabei digital von ihren Pädagogen angeleitet werden. Im Lernraum haben Berlins Lehrkräfte die Möglichkeit, ihren Schülern Aufgaben und Material zu hinterlegen, können auch über Videokonferenzen mit ihnen in Kontakt treten. Allerdings nur, wenn die Plattform funktioniert. Schon vor den Weihnachtsferien war die Lernplattform kurzfristig unter dem Benutzeransturm zusammengebrochen.

"Das ist natürlich katastrophal", sagte dazu der Berliner Landeselternvorsitzende Norman Heise. Viele Schüler hätten sich am Montagmorgen nach den Ferien motiviert an den Computer gesetzt und konnten dann nicht arbeiten. „Es funktioniert nicht - Punkt. Und es muss funktionieren - Punkt. Mehr kann man dazu aus Elternsicht nicht sagen“, betonte Heise. Am Sonntag hatte man extra den Lernraum nochmals zu Wartungszwecken kurzfristig heruntergefahren, damit Montagmorgen alles bereit ist. Schon diese Aktion hatte zu Protesten von Pädagogen geführt, die eigentlich den Sonntag zur letzten Unterrichtsvorbereitung nutzen wollten. "Unglaublich schlechtes Timing", schrieb eine Userin auf Twitter.

An manchen Schulen wirkt alles "sehr viel besser organisiert als im ersten Lockdown"

An Schulen, an denen mit anderen Plattformen gearbeitet wurde, war die Erfahrung dagegen besser. "Um 9.45 Uhr am Montagmorgen war das Laptop aufgeklappt, und um 9.50 Uhr begann die erste Videokonferenz", berichtet eine Mutter eines Neunjährigen, der zur Grundschule am Koppenplatz in Mitte geht. Danach besprach man in der vierten Klasse den Lernplan für die komplette Woche. Das Pensum der Grundschüler sei zwar straff, doch es "wirkt sehr viel besser organisiert als im ersten Lockdown", erzählt sie.

In der Grundschule in der Köllnischen Heide spielen dagegen Zoomkonferenzen eine eher untergeordnete Rolle - auch weil man dafür eine gute Internetausstattung braucht, die nicht jede Familie an der Neuköllner Brennpunktschule hat. "Die Lehrer bestellen alle Kinder in dieser Woche in Minigruppen für eine Schulstunde in die Schule", erzählt Schulleiterin Astrid-Sabine Busse. Von Angesicht zu Angesicht könne man dann die Kinder direkt ansprechen, ihnen Hilfe anbieten, Probleme lösen und neue Aufgaben mitgeben. "Natürlich mit Maske und Abstand", betont Busse. Aber schon jetzt seien die Lücken bei den Schulanfängern groß, die gerade dabei sind, die Grundlagen des Lesens, Schreibens und Rechnens zu erlernen. "Das ist eine Katastrophe - Punkt." Deshalb sei es wichtig, diese Schüler zumindest in sehr kleinen Gruppen schnell zurück in die Schule zu holen.

Das ist auch die Forderung des Berliner Landeselternausschusses. Dort verlangt man, in der kommenden Woche an Berlins Schulen in das Alternativszenario überzugehen. Das würde bedeuten, dass Grundschüler jeden Tag zur Schule gehen - allerdings getrennt in einer Vor- und einer Nachmittagsgruppe, damit die Schülergruppen klein bleiben. An weiterführenden Schulen gebe es dann einen täglichen oder wöchentlichen Wechselunterricht von A und B-Gruppen. "Wir fordern damit eine Teilöffnung der Schulen", erklärt der Elternvorsitzende Heise. Das Alternativszenario sei ein Mittelweg zwischen Schulschließung und totaler Schulöffnung.

"Das technische Unvermögen des Senats steht symptomatisch für die verkorkste rot-rot-grüne Bildungspolitik"

Auch politisch gab es viele Reaktionen auf den ersten Schultag und die Probleme des "Berliner Lernraums". "Das technische Unvermögen des Senats steht symptomatisch für die verkorkste rot-rot-grüne Bildungspolitik", sagte der Berliner CDU-Vorsitzende Kai Wegner. In anderen Bundesländern klappe der "Heimunterricht". Senatorin Sandra Scheeres (SPD) habe viel wertvolle Zeit verstreichen lassen, um Berlins Schüler gut auf das Homeschooling vorzubereiten.

Ähnlich äußerte sich Paul Fresdorf, bildungspolitischer Sprecher der Berliner FDP-Fraktion. "Es bleibt dabei: Die Digitalisierung der Berliner Schulen ist und bleibt ein Fremdwort für den Berliner Senat", sagte er. Bildungssenatorin und Dienstleister hätten genug Zeit gehabt, den „Lernraum Berlin“ krisenfest zu machen. "Aber das ist bis heute einfach nicht passiert."

Richtig Pech hatten übrigens die Grundschüler der Schule am Arkonaplatz in Prenzlauer Berg, die die Notbetreuung im Grundschul-Hort besuchten. In den Grundschulhorten wird eine Notbetreuung angeboten für Kinder, deren Eltern entweder in „systemrelevanten Berufen“ arbeiten oder alleinerziehend sind. Unglücklich allerdings, wenn dann im Hort die Heizung ausfällt – wie in dieser Grundschule am Montag geschehen. Repariert werden kann die Heizanlage erst ab Freitag. „In den Räumen sind derzeit 4 Grad“, heißt es von der Schulleitung. Deshalb: „Notbetreuung findet nur für den äußersten Notfall statt.“ Die dortigen Eltern werden deshalb gebeten, eine andere Lösung zu finden. Wer sein Kind trotzdem schickt, solle es es bitte wirklich warm „einpacken“.

( mit hed )