Pandemie

Corona-Hilfen: Bislang 4500 Betrugsfälle

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Jens Anker
Die Welle an Corona-Betrugsfällen ebbt nicht ab. Mittlerweile ermittelt die Justiz in Berlin in 4500 Fällen.

Die Welle an Corona-Betrugsfällen ebbt nicht ab. Mittlerweile ermittelt die Justiz in Berlin in 4500 Fällen.

Foto: Robert Michael / dpa

Zehn Millionen Euro Corona-Hilfen wurden zu Unrecht kassiert. Der Richterbund warnt vor einer Überlastung der Justiz.

Berlin. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat seit März mehr als 4500 Fälle mit einem Bezug zur Corona-Pandemie verzeichnet. Bei einem Drittel davon handelt es sich um den Verdacht des Subventionsbetrugs. Weitere rund 1700 Verdachtsfälle sind derzeit noch beim Landeskriminalamt in Bearbeitung. Das geht aus einer Umfrage des Deutschen Richterbundes bei den Staatsanwaltschaften der Bundesländer hervor.

Die Berliner Verfahren wegen möglichen Betrugs bei Corona-Soforthilfen betreffen demnach eine geschätzte Fördersumme von mehr als zehn Millionen Euro, die zu Unrecht ausgezahlt worden sein könnten. Berlin verzeichnet damit bundesweit die zweitmeisten Verfahren mit Corona-Bezug. Spitzenreiter ist mit 7500 Verfahren im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Nordrhein-Westfalen. Den dritten Rang belegt Bayern. Hier sind bislang mehr als 2200 Verfahren wegen Straftaten im Zusammenhang mit der Pandemie aufgelaufen.


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Corona-Betrug in Berlin: Auch Erpressungsversuchen durch angedrohte Infektionen

Die Fälle reichen von unrechtmäßig beantragten Corona-Soforthilfen, die allerdings nur einen geringen Anteil ausmachen, über Verkäufe von gefälschten oder nicht vorhandenen Schutzmasken, Medikamenten und Impfstoffen bis zum Ausspähen von Kreditkartendaten auf Fake-Seiten, Erpressungsversuchen durch angedrohte Corona-Infektionen sowie Trickbetrügereien gegenüber älteren Menschen.

Der Richterbund befürchtet eine Überlastung der Justiz, da die Zahl der Fälle weiter zunimmt. „Die strafrechtliche Aufarbeitung der Corona-Krise dürfte die Justiz noch bis weit ins nächste Jahr hinein beschäftigen“, sagt der Bundesgeschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebehn. „Trotz des zwischenzeitlichen Auslaufens der staatlichen Hilfsprogramme erreichen die Staatsanwaltschaften weiterhin Verdachtsfälle erschlichener Corona-Soforthilfen.“

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Corona-Subventionsbetrug erfordert häufig längere Ermittlungen

Die Hinweise der auszahlenden Banken auf mögliche Straftaten würden teilweise erst mit längerem Nachlauf bei den Strafverfolgern eingehen. Zudem erforderten Fälle von Subventionsbetrug häufig längere Ermittlungen der Polizei. „Es bleibt abzuwarten, ob die im November neu aufgelegten Corona-Hilfen für Kultureinrichtungen, Gastronomie und Solo-Selbstständige auch die Fallzahlen in der Justiz weiter steigen lassen“, sagte Rebehn. Die für den zweiten Lockdown angekündigten Novemberhilfen des Bundes können erst seit dieser Woche beantragt werden. Betroffene Geschäfte erhalten demnach 75 Prozent des Umsatzes aus dem Vorjahres-November, um die Zeit der erneuten Schließung überbrücken zu können. Für die bis in den Dezember verlängerten Einschränkungen will der Bund weitere Finanzhilfen bereitstellen, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in dieser Woche angekündigt.

Nach Angaben der Justizverwaltung sind bislang 3750 Verfahren abgeschlossen, an andere Staatsanwaltschaften abgegeben oder mit anderen Fällen verbunden worden. Auch in Berlin wird nicht damit gerechnet, dass die Zahl der Verfahren in absehbarer Zeit abnimmt. „Wie bisher wird von weiteren Verurteilungen und von einer, wenn auch sehr langsamen Abnahme der Neueingänge ausgegangen“, sagte der Sprecher der Justizverwaltung, Sebastian Brux.

Corona-Betrug: Viele Taten verüben gewerbsmäßige Täter

Nach den bisherigen Erfahrungen der Staatsanwälte geht ein Großteil der Betrugsversuche auf das Konto von gewerbsmäßigen Tätern und Tätergruppen, die von Einzelpersonen beantragten Soforthilfen sind seltener Gegenstand von Ermittlungen. In Berlin waren zuletzt im Zusammenhang mit Corona-Betrug auch kriminelle Clans und islamistische Vereine in den Fokus der Ermittler geraten.

Vor allem zu Beginn der Corona-Krise hatte Berlin betroffenen Unternehmern schnelle und unbürokratische Hilfen zugesagt. Insgesamt wurden mehr als drei Milliarden Euro ausgeschüttet, um eine Welle von Insolvenzen zu vermeiden. Dabei gerieten auch Manager der Investitionsbank Berlin (IBB) ins Visier der Justiz, weil sie das Geld zu sorglos ausgezahlt haben sollen. Der Senat verteidigte das Vorgehen. Es sei darum gegangen, 360.000 Arbeitsplätze zu sichern, die durch den Lockdown im Frühjahr in Gefahr geraten waren.

Die Polizei registrierte zuletzt eine Zunahme an sogenannten Schockanrufen bei potenziellen Betrugsopfern. Demnach rufen Unbekannte vor allem bei älteren Menschen an, berichten von dramatischen Coronafällen aus dem familiären Umfeld der Angerufenen und fordern die sofortige Zahlung von höheren Geldbeträgen.