Corona-Krise

Berlins Mittelstand kämpft ums Überleben

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Jens Anker
Die Senatspressekonferenz am Dienstag in Berlin.

Die Senatspressekonferenz am Dienstag in Berlin.

Foto: Christophe Gateau / dpa

Der Senat stellt 60 Millionen Euro an Krediten bereit, um Firmen mit mehr als zehn Mitarbeitern zu unterstützen.

Berlin. Der Berliner Senat hat am Dienstag einen umfangreichen Nachtragshaushalt beschlossen, um die Folgen der Corona-Krise für die Stadt abzumildern. Künftig gibt es auch für Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern finanzielle Unterstützung. Bislang hatte sich der Senat vor allem auf kleine Unternehmen und Solo-Selbstständige konzentriert. Für mittelständische Unternehmen stehen nun 60 Millionen Euro bereit. „Wir wollen die Unternehmen so unterstützen, dass sie auch nach der Krise lebensfähig sind“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) nach der Senatssitzung. Mittlere und größere Unternehmen würden vor allem vom Bund gefördert, begründete Müller den Senatsbeschluss.

Die Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) kritisierte den Beschluss. Sie hätte sich mehr Unterstützung erhofft. „Es ist der Mittelstand, der Berlin durch die Finanzkrise getragen hat“, sagte die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer, Beatrice Kramm, die zuvor an der Senatssitzung teilgenommen hatte. Es sei der Mittelstand gewesen, der in den vergangenen Jahren der Hochkonjunktur ganz entscheidend zur Wertschöpfung in der Stadt beigetragen habe. „Und es ist der Mittelstand, der jetzt am meisten unter dem Lockdown leidet.“

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Kramm sieht die Wirtschaft zu Unrecht ungleich behandelt. „Die Frage muss erlaubt sein, warum der Berliner Senat auf der einen Seite ungeprüft dreistellige Millionenbeträge an Unterstützung zahlt und auf der anderen Seite sehenden Auges in Kauf nimmt, dass viele mittelständische Betriebe das von der Politik verordnete künstliche Koma nicht überleben.“

Zahlungsschwierigkeiten nach dem Ende der Krise befürchtet

Am Montag hatte die Bundesregierung beschlossen, dass der Staat bei Zahlungsausfällen mittelständischer Unternehmen vollständig in Haftung geht. Die Kreditprüfung durch die Banken entfällt dadurch. Abhängig von der Zahl der Beschäftigten, gibt es bis zu 800.000 Euro Kreditzusagen für Unternehmen. Die IHK hätte sich ähnliche Zuschüsse für mittelständische Unternehmen gewünscht, wie sie Berlin für Kleinunternehmer bereitstellt – ohne eine Rückzahlungspflicht. Da viele Unternehmen die entgangenen Einnahmen nicht nachholen könnten, befürchtet die IHK für sie Zahlungsschwierigkeiten nach Ende der Krise.

Auch die CDU kritisierte den Senatsbeschluss scharf. „Mit der heutigen Entscheidung widerspricht der Senat der Ankündigung des Regierenden Bürgermeisters von Sonntag, die Förderlücke bei mittleren Unternehmen zu schließen“, sagte Fraktionschef Burkard Dregger. „Berliner Unternehmen mit 10 bis 50 Mitarbeitern nicht zu unterstützen ist ein Fehler, der das Rückgrat unserer mittelständischen Wirtschaft trifft.“

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Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) verteidigte die Senatsbeschlüsse. Es sei klar, dass Berlin nicht allen gleichermaßen helfen könne. Da der Bund umfangreiche Fördermittel für mittlere und große Unternehmen bereitgestellt habe, konzentriere sich Berlin auf die kleineren Unternehmen und Selbstständigen. Mit den 60 Millionen Euro für Mittelständler soll vor allem jenen Branchen geholfen werden, die nicht auf Bundeshilfen zurückgreifen könnten, zum Beispiel privat betriebene Kinos.

Insgesamt rechnet das Land in diesem Jahr wegen der zusätzlichen Kosten durch die Corona-Krise mit Ausgaben in Höhe von 33 Milliarden Euro – drei Milliarden mehr als ursprünglich geplant. Darauf hat sich der Senat am Dienstag verständigt und den wegen der Corona-Krise notwendigen Nachtragshaushalt beschlossen. 2,5 Milliarden Euro davon stellt der Bund bereit, die von Berlin verteilt werden. 500 Millionen Euro stammen aus dem Landeshaushalt. Mit 2,6 Milliarden Euro fließt der größte Anteil in die Förderung kleiner Unternehmen und Solo-Selbstständiger.

Auch Alleinerziehende sollen Hilfsgelder beantragen können

Künftig sollen auch Alleinerziehende Hilfsgelder beantragen können, die Einkommensverluste erleiden, weil sie keine Kinderbetreuung in Anspruch nehmen können. Für bis zu 12.000 Alleinerziehende stellt das Land dafür bis zu 23,5 Millionen Euro bereit. Alleinerziehende können dann bis zu sechs Wochen lang Unterstützung beantragen. Anträge können bei den Finanzämtern gestellt werden. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hat dafür eine Taskforce in seiner Verwaltung eingerichtet, die aus Mitarbeitern besteht, die bislang zum Beispiel Gaststätten überprüft haben.

Der Nachtragshaushalt enthält auch zusätzliche Leistungen für die Messe und die Flughafengesellschaft FBB. Die Messe erhält für entgangene Einnahmen vorerst 25 Millionen Euro. Der Betrag kann aber auch noch deutlich ansteigen. Nach eigenen Prognosen benötigt die Messe in diesem Jahr bis zu 105 Millionen Euro, um die Ausfälle des Messegeschäfts, wie zum Beispiel die Absage der Internationalen Tourismusbörse Anfang März, ausgleichen zu können. Für die Flughafengesellschaft stehen 111 Millionen Euro bereit, um die Einnahmeausfälle aus dem fast zum Stillstand gekommenen Flugverkehr ausgleichen zu können.

Schutzkleidung im Wert von 60 Millionen Euro liegt in China bereit

Hoffnung gibt es für die Beschaffung von medizinischer Schutzkleidung. „Der Senat hat mehrere Bestellungen ausgelöst“, sagte Müller. Demnach liegt Schutzkleidung im Wert von 60 Millionen Euro unter anderem in Peking und Shanghai bereit. „Wir hoffen schon für dieses Wochenende auf Entlastung“, sagte Müller. Berlin hatte eine Bitte um Amtshilfe an die Bundeswehr gerichtet, das Material zu transportieren. Doch die Bundeswehr bat wegen der vielen Amtshilfeersuchen aus ganz Deutschland darum, einen privaten Transport zu organisieren. Nun soll die Lufthansa das Material aus China nach Berlin bringen.

Auch für das Notfall-Krankenhaus auf dem Messegelände hat der Senat die Mittel freigegeben. In einem ersten Schritt erhält der Krankenhauskonzern Vivantes dafür 56 Millionen Euro. In der Messehalle 26 soll ein Krankenhaus für 500 Patienten entstehen, weitere 500 Betten sollen später in einer weiteren Messehalle eingerichtet werden.